Tobias Armbrüster: Fast das gesamte Bundeskabinett inklusive Angela Merkel ist an diesem Dienstag in Jerusalem vertreten bei den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen. Beide Regierungen wollen sich dabei in verschiedenen politischen Fragen enger abstimmen. Aber natürlich geht es auch um den Nahost-Konflikt und um die stockenden Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern.
Wir haben da jetzt viel über die deutsche und die israelische Sicht gehört, aber nichts über die Sicht der Palästinenser. Am Telefon begrüße ich jetzt die palästinensische Botschafterin in Deutschland, Khouloud Daibes. Schönen guten Tag, Frau Daibes.
Khouloud Daibes: Guten Tag, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Frau Daibes, wie blicken Sie auf diese Regierungskonsultationen in Jerusalem?
Daibes: Einmal ist es Deutschland überlassen, ihre Beziehung zu anderen Ländern, inklusive Israel. Das ist keine Ausnahme. Wir blicken auf unseren Lenkungsausschuss, der gemeinsame palästinensisch-deutsche Lenkungsausschuss, was jetzt demnächst im März stattfindet. Das ist eigentlich so ein ähnlicher Prozess, wenn auch nicht mit dieser Stärke und Gesamtheit des Kabinetts auf beiden Seiten. Aber wir wünschen uns, dass dort auch klare Sprache, wie in Ihrem Bericht berichtet wurde, gegenüber Hindernissen, die einen möglichen Friedensprozess erschweren, wenn nicht unmöglich machen.
Armbrüster: Macht die Bundesregierung denn bei diesem aktuellen Besuch in Israel aus Ihrer Sicht genug, um diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen?
Daibes: Es darf eigentlich nicht in Rhetorik geraten, dass man die Zwei-Staaten-Lösung unterstützt und die Kerry-Initiative, die ja die jetzige israelische Regierung fast unmöglich macht. Natürlich muss man mehr Druck ausüben, nicht nur Deutschland innerhalb der EU. Deutschland kann eine sehr aktive eigenständige EU-Politik auf dem Boden des Völkerrechts einsetzen. Man weiß heute, wo die Hindernisse sind. Es wurde auf den Siedlungsbau hingewiesen in Ihrem Bericht. Man weiß, was man zu sagen hat. Wahrscheinlich wird es auch gesagt, wenn auch nicht öffentlich, aber bestimmt in bilateralen Besprechungen. Aber man muss noch einen Schritt weitergehen, denn das Zeitfenster wird immer kleiner und die bedingungslose Unterstützung des Staates Israel darf nicht verwechselt werden mit der Zustimmung der jetzigen Politik Israel.
Daibes: Hoffnung, dass Deutschland beim Treffen die Wahrheit spricht
Armbrüster: Frau Botschafterin, tritt die Bundeskanzlerin da etwas zu leise auf in Israel?
Daibes: Ich glaube, Deutschland darf sich nicht einen Schritt zurücksetzen. Die Weltgemeinschaft kennt das Rezept, das ist die Zwei-Staaten-Lösung. Man muss sich zurücksetzen. Die besondere historische Verantwortung gegenüber Israel, wie wir das hören, bedeutet nicht, dass man die Sachen nicht beim Namen nennt und dass man auch Schritte unternehmen muss, um wirklich eine mögliche politische Lösung, die ja fast unwahrscheinlich erscheint, durchzusetzen. Man hofft auch von Deutschland als spezieller Freund Israels, dass man dort die Wahrheit sagt und dass man auch Israel vorwarnt, denn das ist sicherlich auch nicht im Interesse Israels und das kann auch die Sicherheit Israels nicht garantieren, wenn heute nur ein Staatsgebilde entsteht und keine Zwei-Staaten-Lösung möglich wird, wo nur eine Besatzungsmacht ist und Besatzer. Ich glaube, das ist gegen das internationale Recht und das ist auch gegen alle Bemühungen, die wirklich eine politische Lösung dieses andauernden Konflikts bestreben wollen.
"Wir warten immer noch auf unseren palästinensischen Staat"
Armbrüster: Nun weigern sich die Palästinenser nach wie vor, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Kann es Sie da wirklich wundern, dass Deutsche und Israelis da etwas zurückhaltend agieren?
Daibes: Ich glaube, das ist eine Diskussion, die Israel führen soll. Im Übrigen gibt es auch viele Israelis, die einen demokratischen Staat Israel verlangen und keinen jüdischen Staat. Das steht in condradiciton miteinander. Insofern von uns als Palästinenser kann man das Existenzrecht Israels, die Anerkennung der Existenz Israels als Staat verlangen und das haben wir getan, aber wir warten immer noch auf unseren palästinensischen Staat. Deutschland bemüht sich auch, die Strukturen eines zukünftigen Staates zu bilden und eine nachhaltige Entwicklung in den palästinensischen Gebieten zu unterstützen durch diesen vorhin genannten Lenkungsausschuss, den ich am Anfang erwähnt habe, aber es ist damit nicht getan, weil so viele Tatsachen geschaffen wurden, die diese politische Lösung eigentlich fast unmöglich machen. Deswegen können wir uns diesen Luxus nicht leisten, mehr Zeit zu verlieren, und das ist nicht nur von Deutschland verlangt, von der Weltgemeinschaft, und da ist, glaube ich, Deutschland auch keine Ausnahme, auch wenn wir Rücksicht nehmen auf die besondere Beziehung zu Israel.
"Rezept der Zwei-Staaten-Lösung basiert auf internationalem Recht"
Armbrüster: Frau Daibes, was konkret müsste denn Angela Merkel heute in Jerusalem sagen?
Daibes: Konkret muss gesagt werden, dass dieses Rezept der Zwei-Staaten-Lösung basiert auf internationalem Recht, auf UN-Resolutionen. Das bedeutet einen palästinensischen Staat auf den 1967 besetzten Gebieten, inklusive Ostjerusalem als Hauptstadt, und eine gerechte Lösung für die Flüchtlinge. Ich denke, das ist der historische Kompromiss, was die Palästinenser akzeptiert haben. Israel als Staat existiert seit Jahrzehnten und die Palästinenser warten immer noch auf ihren Staat, wo sie in Würde leben. Wir verlieren jeden Tag auch an Friedensstimmen auf beiden Seiten und der jetzigen Rechtsregierung in Israel muss klar und deutlich gesagt werden, dass es die Verantwortung Israels ist, die Besatzung zu beenden. Es gibt politischen Willen und das muss durchgesetzt werden und es müssen auch Instrumente entwickelt werden, um dies möglich zu machen. Man kann nicht ewig warten, bis Israel auf einmal die Besatzung von sich beendet. Man sieht, es wird immer mehr verlangt von den Palästinensern, mehr an Kompromissen. Da sind wir auch bereit, über die Modalitäten zu verhandeln, wenn es um die Durchsetzung dieser politischen Lösung geht. Aber als Palästinenser sind wir nicht bereit, auf unsere Grundrechte zu verzichten. Man hat viel Flexibilität gezeigt und ich denke, die Kanzlerin kennt diese Hindernisse und die muss man auch in Israel deutlich sagen und offene Kritik, wenn Sie wollen, äußern. Man darf nicht schweigen, das schadet, glaube ich, auch Israel als Freund Deutschlands.
Armbrüster: Live hier bei uns im Deutschlandfunk war das Khouloud Daibes, die palästinensische Botschafterin in Berlin. Vielen Dank, Frau Daibes, für das Gespräch.
Daibes: Schönen Tag.
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