Jerusalem kommt nicht zur Ruhe. Am Donnerstagnachmittag betraten zum ersten Mal seit zwei fast Wochen Muslime in großer Zahl den Tempelberg. Dabei kam es zu Ausschreitungen mit der israelischen Polizei. Nun hat Israel den Zugang zum Areal, das die Muslime Haram-asch-Scharif nennen, wieder eingeschränkt.
"Die israelischen Sicherheitsmaßnahmen am Tempelberg gehen weiter", sagte am Morgen der Sprecher der israelischen Polizei, Micky Rosenfeld. "Das Areal war gestern für Muslime geöffnet. Tausende Menschen kamen. Leider kam es dann zu Randalen und unsere Polizisten wurden mit Steinen beschmissen. Wir mussten reagieren und haben das nur mit nicht-tödlichen Waffen getan. Heute dürfen nur Männer über 50 Jahre und Frauen den Tempelberg betreten. Wir werden auf alle weiteren Vorkommnisse reagieren."
Jerusalem als rote Linie
Israel hält den Ostteil Jerusalems besetzt. Dort befindet sich der Tempelberg, der sowohl Juden als auch Muslimen heilig ist. Vor zwei Wochen wurden bei einem Attentat vor einem Zugang zum Tempelberg zwei israelische Polizisten getötet. Israel reagierte und erhöhte die Sicherheitsmaßnahmen vor den Eingängen für Muslime. Dies wiederum löste große Unruhen aus. Gestern hatte Israel dann alle verbleibenden Sicherheitsvorrichtungen entfernt. Der Konflikt, so scheint es, ist damit aber noch immer nicht entschärft. Heute wollen zehntausende Muslime auf dem Tempelberg beten. Sollte Israel vielen von ihnen den Zugang verwehren, könnte das für Unruhen sorgen. Von Vertretern arabischer Länder kommt weiterhin Kritik an Israel.
"Jerusalem ist eine rote Linie", sagte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Aboul-Gheit. "Niemand darf diese Linie überschreiten. Wir akzeptieren die Realität der aktuellen Besatzung Jerusalems nicht. Wir erlauben es nicht, dass die Lage an dieser heiligen Stätte verändert wird."
In Israel wird nun diskutiert, warum sich die Situation nicht entspannt, obwohl Israel die Sicherheitsvorrichtungen am Tempelberg entfernt hat. Yaakov Perry, ehemaliger Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, sagte im israelischen Radio:
"Die andere Seite, und dazu gehören nicht nur die Palästinenser, sondern auch der jordanische König und andere Länder der arabischen Welt, verbucht die letzten Vorfälle als einen Sieg für sich und als unsere Kapitulation. Sobald die andere Seite bei uns Schwäche und ein Zickzackverhalten erkennt, wird die Hetze gegen uns nur noch weiter angespornt."
Premier Netanjahu steht unter Druck
Die palästinensischen Organisationen Fatah und Hamas haben für heute zu einem "Tag des Zorns" aufgerufen. Die israelische Polizei und die Armee haben ihre Präsenz in Ostjerusalem und weiteren Teilen des Westjordanlandes verstärkt.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu steht wegen seines Umgangs mit der Krise in Israel unter Druck, auch innerhalb seiner eigenen Regierung. Gestern hatte Netanjahu den Ton verschärft. Für einen palästinensischen Attentäter, der vor einer Woche drei Israelis in einer Siedlung im Westjordanland ermordete, forderte er die Todesstrafe.