Eine Basis der israelischen Luftwaffe im Negev vor wenigen Tagen. In einer feierlichen Zeremonie werden die Absolventen des 170. Lehrgangs für Kampf- und Transportpiloten verabschiedet. Die Soldaten, die eine dreijährige, extrem harte Ausbildung hinter sich haben, bekommen "ihre Flügel" verliehen, wie man in Israel sagt. Der Chef der Luftwaffe heftet ihnen das begehrte Abzeichen an die Uniform. Zu der Feier ist auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gekommen. Der Regierungschef gratuliert den jungen Männern und Frauen zu ihrem Erfolg und kommt dann zu seinem Lieblingsthema, der Bedrohung durch den Iran.
"An der Spitze der Bedrohungen, die unsere Sicherheit gefährden, steht das iranische Streben nach nuklearer Bewaffnung. Je näher der Termin für eine Einigung zwischen den Mächten und dem Iran rückt, desto größer werden die Zugeständnisse an den Iran."
Verdorbenes Abkommen
Die Nachgiebigkeit der fünf Vetomächte des Sicherheitsrats und Deutschlands, die mit dem Iran verhandeln, führe dazu, dass Teheran immer neue Forderungen erhebe und immer weitere Zugeständnisse erpresse.
"Dieses Abkommen ist von Grund auf verdorben. Es lässt dem Iran die Möglichkeit, innerhalb eines Jahrzehnts ein Arsenal von Atombomben zu erwerben."
Nicht alle Zuhörer des Ministerpräsidenten jedoch lassen sich von seiner apokalyptischen Stimmung anstecken. Manche stöhnen leise auf. "Schon wieder der Iran", murmeln sie genervt. Immerhin warnt die politische und militärische Führung Israels schon seit mehr als zehn Jahren vor der iranischen Bombe. So wie Aharon Zeev Farkash, der damalige Chef des militärischen Geheimdienstes Aman im Jahr 2003:
"Wir denken, dass der Iran, wenn er nicht gestoppt wird, im nächsten Frühjahr wissenschaftlich auf eigenen Füßen stehen wird. Und wenn er diesen kritischen Punkt erreicht haben wird, schätzen wir, dass es noch etwa zweieinhalb Jahre dauert, bis er die erste Atombombe produzieren kann."
Die zweieinhalb Jahre sind längst vergangen. Der Iran verfügt noch immer nicht über Atombomben - im Gegensatz zu Israel, das nach unbestätigten Schätzungen ausländischer Experten bis zu dreihundert Atomsprengköpfe in seinem Arsenal haben soll. Die Warnungen und düsteren Prognosen jedoch haben sich langsam abgenutzt. Sie lösen inzwischen keine Panik mehr aus. Noch vor wenigen Jahren war das anders. Im Jahr 2012 schien ein israelischer Angriff auf den Iran unmittelbar bevorzustehen. Die Lage war äußerst gespannt und viele Israelis waren tief besorgt. Damals nutzte Netanjahu seinen Auftritt in der Generalversammlung der Vereinten Nationen, um mit einer Grafik vor der Bedrohung zu warnen.
"Schauen Sie, ich habe Ihnen ein Diagramm mitgebracht. Das ist eine Bombe, das ist der Zünder. Im Falle der iranischen Atombombe muss diese Bombe mit genug angereichertem Uran gefüllt werden. Das geschieht in drei Phasen. Wo sollen wir die rote Linie ziehen? Genau hier."
Über das Ziel hinausgeschossen
Mit dem kindlichen Bild einer kreisrunden Bombe mit Zünder wollte Netanjahu die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm verdeutlichen. Doch die Warnung ging nach hinten los. Junge Leute in Israel machten sich lustig über den Auftritt ihres Ministerpräsidenten. Im Internet kursierten Fotomontagen, die Netanjahu am Rednerpult der UNO zeigten mit allen möglichen absurden und witzigen Zeichnungen in der Hand.
Jenseits der Satire aber gibt es auch aus den Reihen der Politik und des Militärs Kritik an der Strategie des israelischen Regierungschefs. So wirft der ehemalige Sicherheitsberater der Regierung, Giora Eiland, Netanjahu vor, dass er mit seinen Maximalforderungen über das Ziel hinausgeschossen sei.
"Das vollkommene Abkommen, das Israel wollte und auf das Israel bestanden hat, dass nämlich der Iran überhaupt keine Urananreicherung betreiben darf und kein Recht auf ein Atomprogramm hat, das ist nicht realistisch."
Statt sich über ein umsetzbares Ziel zu verständigen, habe Israel sich beleidigt zurückgezogen und damit seinen Einfluss auf die Verhandlungen verloren.
"Die israelische Haltung wird in den USA als extrem aufgefasst und daher ist man in Washington sogar nicht mehr bereit, unseren Fachleuten zuzuhören."
Netanjahu, so politische Beobachter in Israel, sollte sich lieber den drängenden Problemen des Landes zuwenden, vor allem dem ungelösten Konflikt mit den Palästinensern.