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Israel und Jordanien
Ein kalter Frieden

Vor 25 Jahren unterzeichneten Israel und Jordanien einen Friedensvertrag. Der sah auch vor, dass Israelis auf einem kleinen Teil des jordanischen Territoriums das Land bestellen durften. Doch der jordanische König will das Landnutzungsrecht nicht verlängern. Die "Insel des Friedens" steht vor dem Aus.

Von Benjamin Hammer | 25.10.2019
Ein israelischer Soldat sitzt an der Grenze blickt in Richtung Jordanien
Ein israelischer Soldat blickt in Richtung Jordanien (Benjamin Hammer / deutschlandradio)
Zwei Flüsse treffen aufeinander. Der Yarmouk mündet in den Jordan. Zwei Flaggen wehen auf der Grenzbrücke. An diesem besonderen Ort ist es gar nicht so einfach, die Übersicht zu behalten: Wo Israel endet und wo Jordanien beginnt. Naharayim heißt diese Gegend auf Hebräisch, Baqoura auf Arabisch.
Von einem Hügel aus schaut ein israelischer Soldat durch sein Fernglas. Er beobachtet jordanische Soldaten. Feinde sind sie nicht mehr, seit vor 25 Jahren der Friedensvertrag unterzeichnet wurde. Gute Nachbarn sind sie aber auch nicht.
Oran Reuveni ist Landwirt. Er blickt auf die Felder, die seine Familie jahrzehntelang bestellt hat. Mit Oliven, Avocados, Mangos und Datteln. Doch zwischen Reuveni und den Feldern liegt die Grenze. Oran Reuveni ist Israeli. Seine Felder liegen in Jordanien. Und es ist gut möglich, dass er sie nie wieder betreten kann.
"Das letzte Mal habe ich die Grenze glaube ich vor acht Monaten passiert. Da haben wir den Olivenanbau gestoppt. Wenn dieses Land wieder an Jordanien geht, wollen wir dort keinen einzigen Schekel mehr ausgeben."
"Viel mehr als nur eine landwirtschaftliche Fläche"
Die Arava-Wüste vor 25 Jahren: Soldaten der beiden Länder, die sich jahrzehntelang bekämpft hatten, überreichten sich Geschenke. Der damals unterzeichnete Friedensvertrag legte fest, dass Israel Wasser an Jordanien liefert. Er bestätigte Jordaniens zentrale Rolle auf dem Tempelberg in Jerusalem, auf Arabisch: Haram-asch-Scharif. Und er bekräftigte, dass Naharaim– arabisch: Bakura - jordanisches Territorium ist. Israelische Landwirte durften das Land aber bestellen. So wie sie es jahrzehntelang und schon vor der Staatsgründung Israels getan hatten.
"Sie müssen verstehen, dass dieses Land für uns viel mehr als nur eine landwirtschaftliche Fläche ist", sagt der Bauer Reuveni. "Ich bearbeite es in der dritten Generation."
Der israelische Landwirt Oran Reuveni schaut in die Kamera
Der israelische Landwirt Oran Reuveni - für ihn ist das Land ein Teil seiner Identität (Benjamin Hammer / deutschlandradio)
Israelische Landwirte auf jordanischem Boden. Eine Vereinbarung mit großer Symbolik. Sie stand vor 25 Jahren für die Hoffnungen, die beide Seiten mit dem Friedensvertrag verbanden. Doch der Frieden zwischen Israel und Jordanien blieb ein kalter Frieden. Und so verkündete Jordaniens König Abdullah fristgerecht vor einem Jahr, die Vereinbarung über die Landnutzung mit einer Laufzeit von 25 Jahren nicht zu verlängern.
"Ich habe schon oft gesagt, dass unsere Priorität sein muss, unsere Interessen zu schützen. Alles für Jordanien und die Jordanier zu tun. Ich ordne daher an, die Vereinbarung zu beenden. Wir wollen volle Souveränität auf unserem Land."
Naharayim vor ein paar Tagen. Etwa 200 Israelis haben sich in der Ruine eines früheren Kraftwerks versammelt. Zwei Frauen singen Friedenslieder, auf Hebräisch und Arabisch.
Schöne Worte, schlechte Stimmung
Ältere Menschen liegen sich in den Armen und singen. Es sind jene Israelis, die man auf Hebräisch "Smolanim" nennt, die Linken. Sie schwelgen in den Erinnerungen an jene Zeit, als das Friedensabkommen mit Jordanien geschlossen wurde. Und als auch Frieden mit den Palästinensern möglich schien.
Benny Gantz tritt ans Mikrofon. Der vielleicht neue Premierminister Israels. Etwa 500 Meter hinter dem früheren Chef der israelischen Armee stehen jordanische Soldaten: "Als ich vor einer Stunde mit euch die Brücke entlang ging, spürte ich die Geschichte dieses Ortes. Er steht für das, was mutige Menschen erreichen können. Dieser Ort entspricht der Vision von Premierminister Rabin und König Hussein. Eine Vision des Friedens und der guten Nachbarschaft."
Benny Gantz Worte passten nicht zur schlechten Stimmung von heute. Deutlichere Worte kommen von Ofer Zalzberg. Der israelische Wissenschaftler arbeitet für die Organisation Crisis Group.
"Wir haben wahrscheinlich das schlechteste israelisch-jordanische Verhältnis seit 1994 erreicht. Der jordanische König weigert sich, Benjamin Netanjahu öffentlich zu treffen. Der Friedensvertrag wird von der jordanischen Bevölkerung scharf kritisiert. Und auf Seiten der politischen Rechten in Israel gibt es nun einen größeren Widerwillen gegenüber dem Abkommen."
Tiefe Wunden
Zalzberg sagt: Das Vertrauen sei nicht mehr da. Immer wieder kommt es zu schweren Zwischenfällen. Vor den islamischen Heiligtümern in Jerusalem, die eine jordanische Stiftung verwaltet. Oder in Amman. Wo ein Mitarbeiter der israelischen Botschaft 2017 zwei Jordanier erschoss – laut Israel aus Notwehr – was viele Jordanier bezweifeln. Der vielleicht zentralste Grund für den kalten Frieden: Bis heute gibt es keinen palästinensischen Staat.
"Aus Sicht der Jordanier basiert der Friedensvertrag darauf, dass Israel den Palästinensern einen eigenen Staat gewährt. Man kann das jordanisch-israelische Abkommen nicht vom grundsätzlichen israelisch-arabischen Konflikt lösen. Oder noch genauer: Vom Konflikt mit den Palästinensern."
Grenzübergang zwischen Israel und Jordanien. Ein Schild mit der Aufschrift "militärisches Sperrgebiet" steht an einer Lehm-Straße 
Grenzübergang zwischen Israel und Jordanien (Benjamin Hammer / deutschlandradio)
"Insel des Friedens" nennen die Israelis das Stück Land im Jordantal, das die israelischen Landwirte ab Mitte November nicht mehr nutzen dürfen. 1997 hatte ein hier jordanischer Soldat sieben israelische Schülerinnen erschossen. Hussein, damals König von Jordanien, fuhr sofort nach Israel und sprach den Familien sein Beileid aus. Eine Geste, für die ihm viele Israelis Anerkennung zollten.
Eine Insel der Hoffnung
Die "Insel des Friedens" sollte trotz der gewaltvollen Geschichte zwischen Israel und Jordanien Hoffnung machen. Doch ein Ort der Begegnung wurde sie nie. Die einzigen Jordanier, die der Landwirt Oran Reuveni bei seiner Arbeit traf, waren Grenzsoldaten. Dabei hätte er sich eine enge Zusammenarbeit mit den Nachbarn gut vorstellen können.
"Der große Traum jedes israelischen Landwirtes im Jordantal ist doch, dass jordanische Arbeiter auf unsere Felder kommen. Wir haben kein Land. Sie haben es. Wir haben die Technik und das Know-How, sie haben das etwas weniger. Ich glaube, zusammen würden beide Seiten gewinnen."
Oran Reuveni macht den Jordaniern keine Vorwürfe. Für ihn sei die israelische Regierung zuständig. Die habe versagt und keinen Kompromiss gefunden.
"Dieses Gebiet ist ein großer Teil von mir. Ich mache mir keine großen Hoffnungen, dass es noch eine Einigung gibt. Die einzige Chance ist, dass uns König Abdullah einen Gefallen tut."
Doch danach sieht es aktuell nicht aus. Spätestens ab Mitte November dürfte das Gebiet – das zu einer gemeinsamen Insel des Friedens werden sollte –vollständig an die Jordanier fallen.