
Ein Handy-Video hatte Zweifel an der Darstellung des Militärs geweckt. Dieses hatte zunächst behauptet, die Rettungsfahrzeuge hätten sich auf verdächtige Weise den Truppen genähert und seien nicht beleuchtet gewesen. Auf dem Video ist allerdings ein Konvoi zu sehen, der deutlich markiert war und sich mit Scheinwerfer- und Blaulicht fortbewegte.
15 Tote, darunter acht Sanitäter
Der Vorfall hatte sich am 23. März in Rafah im südlichen Gazastreifen ereignet. Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds (PRCS) wurden ein Kranken- und ein Feuerwehrwagen von israelischen Soldaten angegriffen und 15 Personen durch Schüsse getötet: acht Sanitäter, sechs Mitarbeiter der Zivilschutzbehörde im Gazastreifen und ein Angestellter der UNO. Sieben Tage später wurden ihre Leichen aus einem Massengrab geborgen.
Handy-Video: Fahrzeuge mit Blaulicht
Gestern wurde ein Video bekannt, dessen Inhalt sich mit den bisherigen Armeeangaben kaum in Übereinstimmung bringen lässt. Der Rote Halbmond fand bei einem der getöteten Sanitäter ein Mobiltelefon, auf dem die letzten Minuten des Rettungstrupps aufgezeichnet sind. Auf dem Video sind Krankenwagen und ein Feuerwehrfahrzeug zu sehen, die deutlich markiert sind und sich mit Scheinwerferlicht und Blaulicht fortbewegen. Eine Kopie des Materials sandte die Organisation nach eigenen Angaben an den UNO-Sicherheitsrat. Durch einen UNO-Diplomaten gelangten die Aufnahmen an die "New York Times", die sie in der Nacht zum Samstag veröffentlichte.
Gebete der Angegriffenen
Die Bildaufzeichnung bricht nach weniger als einer Minute ab, als der Konvoi unter israelischen Beschuss gerät. Die Tonaufzeichnung geht aber noch mehrere Minuten weiter. Laut NYT sind unter anderem Gebete der Angegriffenen zu hören, wie sie Muslime sprechen, wenn sie sich dem Tod nahe wähnen, aber auch - nicht verständliche - Kommandorufe der israelischen Soldaten auf Hebräisch. Der PRCS hat das Video auch im Onlineportal X veröffentlicht. Nach Einschätzung des Roten Halbmonds wurden die unbewaffneten Rettungskräfte aus nächster Nähe erschossen.
Israelische Armee will UNO-Team informiert haben
Laut der jüngsten Darstellung der israelischen Streitkräfte wurden die Leichen der Erschossenen im Sand vergraben, und die Stelle wurde markiert. Das Vergraben von Leichen sei eine gängige Praxis, um zu verhindern, dass Tiere die Leichen fressen, hieß es. Die Armee habe ein UNO-Team über die Stelle informiert. Dieses habe am nächsten Tag den Ort jedoch nicht finden können. Die UNO sei dann aufgefordert worden, einige Tage später noch einmal dorthin zurückzukehren. Dem "Wall Street Journal" zufolge hatte das Team der Vereinten Nationen dagegen mehrere Tage vergeblich auf die Erlaubnis der israelischen Armee gewartet, nach den Getöteten zu suchen.
UNO spricht von "möglichem Kriegsverbrechen"
UNO-Menschenrechtskommissar Türk hatte den israelischen Angriff als ein "mögliches Kriegsverbrechen" bezeichnet. Auch UNO-Generalsekretär Guterres äußerte sich schockiert. Die Bundesregierung hatte Forderungen nach einer Untersuchung des Vorfalls bereits am Mittwoch unterstützt. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bezeichnete die Bilder aus Rafah nun als bestürzend und betonte, medizinisches Personal und humanitäre Helfer dürften niemals Ziel von Angriffen werden.
Diese Nachricht wurde am 06.04.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.