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Israelische Künstlerin in Salzburg
Salt Years

Das Meer ist ihr Studio: Durch langes Eintauchen ins Salzwasser des Toten Meeres verwandelt die Künstlerin Sigalit Landau ihre Objekte. Im österreichischen Salzburg sind nun ihre Arbeiten aus den vergangenen 15 Jahren zu sehen.

Von Barbara Bogen |
"When I go" (2017) von Sigalit Landau
Vom Salz des Meeres verändert: "When I go" (2017) von Sigalit Landau (Yotam From / Museum der Moderne Salzburg)
Manchmal, hat die israelische Bildhauerin, Video- und Installationskünstlerin Sigalit Landau vor ein paar Tagen gesagt, habe sie das Gefühl, als ob ihre Skulpturen reagierten auf die Räume, in denen sie sie platziere. Mitunter, sagt sie und lacht ein wenig dabei, gewinne sie sogar den Eindruck, als ob die eine oder andere von ihnen weine.
Transformation durch Kristallisation
Etwa gelte das für den Brautschleier, der augenblicklich auf dem Mönchsberg im Salzburger Museum der Moderne zu sehen ist. Eins von diesen in der Tat magisch anmutenden wundersamen Gebilden, die Sigalit Landau schafft, indem sie alltägliche Gegenstände, Readymades, für Wochen und Monate in den salzhaltigen Tiefen des Toten Meeres, dem tiefst gelegenen Punkt der Erde, versenkt.
Da, wo die Objekte im langsamen Prozess eine Kruste ansetzen aus zentimeterdicken Salzkristallen und so zu "Wesen" werden gewissermaßen. Drahtrollen, eine Violine, ein Korsett, ein Postkartenständer, Fischernetze, Weidenkörbe, Wandteppiche, die Landau der Transformation durch Kristallisation aussetzt. An Schaukeln und Haken aufgehängt schweben die Gegenstände förmlich, werfen ihre Schatten und lassen dabei zahllose Assoziationen zirkulieren.
Salz verbirgt und enthüllt
Ein Teil der Magie, die die Dinge besitzen, sagt Sigalit Landau, besteht darin, dass sie einerseits wirken, als seien sie von Schnee bedeckt; zum anderen sehen die Kristalle aus wie Diamanten. Es hängt vom Licht ab: "Ich kann die krassesten Dinge thematisieren, Schmerz, Verfall, Gewalt. Das Meer bedeckt es mit einer Schicht, die zugleich unsere Erinnerung hinterfragt, auch wie die Zeit alles verändert. Das Meer verbirgt es und gestaltet zugleich die Schönheit der Objekte."
Sigalit Landau hinterfragt Erinnerung. Und natürlich ist, vor allem, wenn man ihre Galerie aus salzverkrusteten Schuhen betrachtet, die Assoziation zum Holocaust überwältigend gegenwärtig. Darin sind ihre Arbeiten den Installationen eines Künstlers wie Christian Boltanski verwandt.
Auch Landaus Objekte bekunden Widerstand gegenüber dem Verschwinden, der Vergänglichkeit, dem Tod - und befragen zugleich die Zuverlässigkeit des Gedächtnisses. In der Ausstellung hängen vor allem Arbeiten der letzten drei, vier Jahre: Fischernetze und gehäkelte Tischtücher, regungslos, wuchtig, schwer vom Salz und doch fragil.
Großformatige Fotoserien
Draht und lichtlose Lampen werfen Schatten in die fahl ausgeleuchteten Räume. Auch lässt sich buchstäblich tief abtauchen in die jüdisch-kabbalistische Mythologie. Eine ihrer großformatigen Fotoserien zeigt das historische Theaterkostüm eines Dibbuk, eines untoten Toten. In einer Serie von fünf Fotos lässt Landau mit Hilfe einer Unterwasserkamera den Besucher am Prozess allmählicher Versalzung des Gewandes, der Kristallisation, teilhaben.
Zugleich aber weisen Landaus wundersame, fabelhafte Objekte auch auf das Sterben des Toten Meeres hin, das durch ungezügelte Ausbeutung über die Jahre, den systematischen Abbau mineralischer Rohstoffe und den Klimawandel vom völligen Austrocknen bedroht ist. Wie brandaktuell und politisch ihre Kunst ist, beweist nicht zuletzt Landaus neues, noch unvollendetes Projekt, die "Salt Bridge" am Knotenpunkt von Israel, Jordanien und der Westbank.
"Salzbrücke" als Friedensprojekt
"Mein neues Projekt, die "Salzbrücke" befindet sich im letzten Raum der Ausstellung im Rupertinum", sagt Sigalit Landau. "Es ist die Idee, eine Art Plattform zu schaffen in der Mitte des Toten Meeres. Von dort wird man die israelische Küste und die Küste Jordaniens sehen und die Gebiete der palästinensischen Autonomiebehörden. Ein symbolischer Ort, der Frieden einfordert und Verantwortlichkeit, wie man mit dem Toten Meer umgeht."
In diesem Konferenzraum im Rupertinum kann man sich über Landaus "Salt Bridge"-Projekt informieren und zugleich auch ihre metaphorischen Videoarbeiten zum Friedensprozess im Nahen Osten betrachten. Bilder einer Ausstellung, die, so vielschichtig und eindringlich, kaum je in Vergessenheit geraten dürften.