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Israelische Linksintellektuelle unter Druck

Einen politisch motivierten Bombenanschlag auf einen Universitätsprofessor hat es in Israel noch nie gegeben. Der 73-jährige israelische Historiker und Politologe Zeev Sternhell wurde glücklicherweise nur leicht verletzt. Sternhell ist zwar kein Mitglied der israelischen Friedensbewegung, nimmt jedoch gelegentlich an deren Protestaktionen teil. Nach dem Anschlag auf den Universitätsprofessor wird deutlich, wie stark die Linksintellektuellen des Landes unter Druck stehen.

Von Joseph Croitoru |
    Die israelische Öffentlichkeit steht unter Schock. Zwar sind bei den Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Banden im Land Bombenexplosionen in letzter Zeit traurige Routine. Aber einen politisch motivierten Bombenanschlag auf einen Universitätsprofessor hat es in Israel noch nie gegeben. Der 73-jährige israelische Historiker und Politologe Zeev Sternhell wurde von einer Rohrbombe vor seiner Haustüre glücklicherweise nur leicht verletzt.

    Sternhell, der bedeutende kritische Studien ebenso über den Faschismus wie über die israelische Arbeiterbewegung veröffentlicht hat, ist zwar kein Mitglied der israelischen Friedensbewegung, nimmt jedoch gelegentlich an deren Protestaktionen teil. Obgleich er nicht zu ihren allerschärfsten Kritikern gehört, beschuldigen ihn die Siedler, palästinensische Angriffe auf sie zu befürworten - zu Unrecht. Sternhell hatte sich 2001 lediglich für das Recht der Palästinenser auf Widerstand gegen die aggressive Siedlungspolitik der damaligen Regierung Scharon ausgesprochen, nannte diese allerdings "Siedler-Regierung".

    Der Anschlag scheint nur die Spitze eines Eisbergs zu sein. Wie erst danach bekannt wurde, sind viele israelische Friedensaktivisten in den letzten Monaten immer wieder Drohungen ausgesetzt gewesen - bis hin zu Morddrohungen. Auch das Attentat auf Sternhell darf als Teil dieser systematischen Einschüchterungsversuche gesehen werden - allerdings handelte es sich hier wohl nicht um einen Mordanschlag, dafür war die Bombe offenbar zu klein.

    Dass die israelischen Medien in den letzten Monaten davor über die verbale Terrorisierung linker Aktivisten durch jüdische Fundamentalisten nicht berichtet haben, hat einen Grund: Sie waren mit der offenen Gewalt militanter Siedler beschäftigt, die sich längst nicht mehr auf Angriffe gegen palästinensische Bauern und Dörfer in der Westbank beschränkt, sondern sich mittlerweile auch gegen die zu ihrem Schutz eingesetzten israelischen Besatzungssoldaten richtet. Dass Militär und Polizei dagegen bislang nur zaghaft vorgegangen sind, hat die fanatischen Randalierer nur ermuntert - im Griff hat sie der Staat inzwischen nicht mehr.

    Der harte Kern dieser Extremisten spricht dem säkularen israelischen Staat längst die Legitimität ab. Auf eine ähnliche ideologische Ausrichtung deuten auch die Flugblätter hin, die man nach dem Anschlag auf Zeev Sternhell in der Nähe des Tatorts fand. "Der Staat Israel", ist darauf zu lesen, "ist zu unserem Feind geworden. Es ist an der Zeit, in Judäa und Samaria einen Staat gemäß den Prinzipien des jüdischen Religionsgesetzes zu errichten".

    Die israelische Polizei wertet das Pamphlet als offizielles Bekennerschreiben, zumal darin auch noch eine Belohnung von über einer Million Schekel - umgerechnet zweihunderttausend Euro - für den Mord an einem Mitglied der israelischen Friedensbewegung "Peace Now" ausgesetzt wird.

    Das sind erschreckend deutliche Worte. Gleichwohl wittern gemäßigte Siedler darin eine Provokation des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schabak. Der nämlich hatte in den Jahren vor dem Mord an Ministerpräsident Itzhak Rabin ähnlich geartete, nicht unumstrittene Aktionen inszeniert, um die radikale Rechte zu diskreditieren. Bomben waren damals jedoch nicht im Spiel - auch keine offenen Aufrufe zum Mord.