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Israelischer Fußball
Nationalistische Anfeindungen gegen arabischen Klub

Sie nennen sich "Bnei Sachnin" - die Söhne von Sachnin - und sind der einzige arabische Fußballklub in Israels erster Liga. Hier spielen arabische und jüdische Israelis gemeinsam. So könnte der Klub ein großes Symbol für die friedliche Koexistenz von Juden und Arabern sein. Die nationalistische Stimmung in Israel überträgt sich aber immer mehr aufs Spielfeld.

Von Benjamin Hammer |
    Fußballplatz: Training von jüdischen und arabischen Israelis bei Bnei Sachnin im Norden Israels.
    Fußballplatz: Training von jüdischen und arabischen Israelis bei Bnei Sachnin im Norden Israels. (Deutschlandradio - Benjamin Hammer)
    So etwas gibt es in Israel wohl sonst nirgendwo. Fußballprofis gehen durch die Katakomben auf den Platz. Es sind arabische und jüdische Israelis, sie spielen im gleichen Team. Am Türpfosten hängt auf der einen Seite das Abbild eines Korans. Auf der anderen Seite hängt eine Mesusa, eine jüdische Schriftkapsel. Und die Profis? Manche führen ihre Hand zum Koran und küssen sie dann. Andere machen das gleiche, mit der Mesusa. Willkommen in Sachnin. Bei einem ganz besonderen Fußballklub.
    Es ist Samstagvormittag. Abschlusstraining im Stadion der einzigen arabischen Mannschaft in Israels erster Liga. Ihr Name: Abna Sachnin auf Arabisch und Bnei Sachnin auf Hebräisch. Die Sonne knallt schon jetzt mit großer Hitze auf den Fußballplatz, im Hintergrund ist die Hügellandschaft von Galiläa zu sehen. Sachnin ist eine arabische Stadt im Norden Israels, sie liegt ziemlich genau zwischen Haifa und dem See Genezareth.
    Vier jüdische Israelis spielen hier an der Seite ihrer arabischen Teamkollegen. Der Trainer ist ebenfalls ein Jude. Ali Ottman hingegen wurde in Sachnin geboren, er spielt als rechter Verteidiger.
    "Wir haben hier untereinander eine gute Stimmung", sagt Ottman. "Bei uns kommt es einfach nicht darauf an, ob du arabisch bist, jüdisch oder ob du aus Europa kommst."
    Ausschreitungen bei Spielen
    Dies könnte eine schöne Geschichte sein. Die Geschichte, wie jüdische und arabische Israelis zusammenspielen und zusammenhalten. Doch so einfach ist es leider nicht. Das merken wir schon bei den Recherchen auf dem Platz. Weder der Trainer, noch die jüdischen Spieler wollen mit uns reden. Für einen arabischen Verein zu arbeiten, das ist ein heikles Thema. Besonders in diesen Wochen. Besonders nach den Spielen gegen Maccabi Tel Aviv.
    In den vergangenen Wochen spielte Bnei Sachnin gleich zwei Mal gegen Maccabi. Beide Spiele lassen sich am besten so zusammenfassen: Es passierten unschöne Dinge, am Ende kam es zu einer wilden Schlägerei. Ein Fan von Maccabi twitterte darauf hin, man möge das Dorf Sachnin doch einfach niederbrennen. Das Bild von der friedlichen Koexistenz war auf einmal sehr weit weg.
    "Fußball, Sport ist immer ein Spiegel der Gesellschaft. Und hier sieht man genau, wie tief die Unterschiede sind zwischen Juden und Arabern in Israel."
    Moshe Zimmermann, Historiker der Hebräischen Universität in Jerusalem und Fußballfan. Auch ihm ist klar: Die Eskalation auf dem Fußballplatz ist kein Zufall. Seit Oktober ist die Zahl der Todesopfer im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern deutlich gestiegen.
    "Die politische Lage rechtfertigt immer den Radikalismus. Auch auf dem Fußballplatz."
    Ortswechsel. Wir sind im Stadion von Beitar Jerusalem, es ist Sonntagabend. Der Gegner: Bnei Sachnin. Die Stimmung ist angespannt. Beitar ist der einzige israelische Klub, in dem noch nie ein arabischer Israeli gespielt hat. Die Fans gelten als nationalistisch.
    "Natürlich gibt es ein Problem mit Sakhnin", sagt uns ein junger Fan vor dem Stadion. "Die gehören nicht zu unserem Volk und der Staat gehört uns. Mit Gottes Hilfe werden sie heute vernichtet."
    Rassistische Fans im Stadion
    Es gibt auch andere Stimmen. Beitar Fans, die sagen, dass es um das Spiel gehe, nicht um die Politik. Dass man kein Problem mit Sachnin habe. Die Sache ist: Diese Stimmen sind viel leiser als jene der lauten, rassistischen Fans. Auch im Stadion.
    "Mohammed ist tot", ruft der in gelb-schwarz gekleidete Beitar-Block nach wenigen Spielminuten. Die Stadionregie spielt immer wieder Musik, versucht, die Fans abzulenken, bittet in Durchsagen um Mäßigung. Es hilft nichts.
    Der Fußball in diesem Land, das Spiel, das verbinden soll, wird von der politischen Lage zerstört. Und als Sachnin in der elften Minute das 1:0 erzielt, kniet sich der Kapitän Khaled Khalaila hin, er küsst den Boden und betet zu Allah. Für die einen eine Geste voller Stolz, für die Anderen eine Provokation. Die Beitar-Fans sind außer sich.
    Vor zwölf Jahren gewann Sachnin den israelischen Landespokal. Es war ein Moment der Genugtuung für die arabischen Israelis, die 20 Prozent der Bevölkerung stellen und sich als Bürger zweiter Klasse fühlen. Und es war ein Moment der Hoffnung. Wenn wir den Pokal gewinnen, dann können wir auch andere Dinge erreichen. Shimon Peres, damals Vize-Premierminister, sagte:
    "Bnei Sakhnin hat das Verhältnis zwischen Juden und Arabern in Israel verändert. Ihr habt uns Ehre gebracht."
    Bei Bnei Sachnin sehen sie das heute so: Aus ihrer Hoffnung wurde nichts. Arabische Kommunen seien chronisch unterfinanziert. Die aktuelle rechtsgerichtete Regierung habe absolut kein Interesse daran, das Verhältnis zwischen jüdischen und arabischen Israelis zu verbessern. Der Manager von Bnei Sachnin, Mohammed Abu Younes, ist frustriert.
    "Wir wollten das wirklich. Ein Vorbild sein für die gute Koexistenz von Arabern und Juden. Wir haben versucht, den Gegenwind zu ertragen, ruhig zu bleiben. Aber die Realität hält dem nicht stand. Die Moderaten in Israel sind kaum noch zu hören. Es gibt jetzt sogar Staatsvertreter, die sagen: Es gibt keinen Platz mehr für Sachnin in der ersten Liga. Warum macht die Politik so etwas? Wir spielen doch nur Fußball."
    Vom Stadion in Jerusalem aus sieht man die Häuser von Gilo, einer israelischen Siedlung im besetzten Westjordanland. Auf der Ehrentribüne sitzt heute Avigdor Lieberman, der frühere israelische Außenminister. Der hatte mal gesagt, dass man niemals auf den Bau solcher Siedlungen verzichten werde. Lieberman ist Mitglied von Beitar Jerusalem.
    Avigdor Lieberman muss sich an diesem Abend ansehen, wie Bnei Sachnin mit 3:0 gewinnt. Das wird den Hass mancher Fans nicht verringern. Ein schönes Symbol für den Zusammenhalt ist es aber trotzdem. Alle drei Tore für den arabischen Klub werden von Shlomi Azulay erzielt, einem jüdischen Israeli.