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Israelisches Oppositionsbündnis
Gewonnen und doch gescheitert

Die verhasste große Koalition haben sowohl Benjamin Netanjahu als auch Jitzchak Herzog immer wieder ausgeschlossen. Aber womöglich werden sie vom Staatspräsidenten dazu gezwungen. Herzog weiß um die schwierige Situation, doch noch am Wahlabend bekräftigt er: "Ich will eine soziale Regierung für Israel bilden."

Von Christian Wagner |
    Jitzchak Herzog und Tsipi Livni vom Oppositionsbündnis am Wahlabend
    Jitzchak Herzog und Tsipi Livni vom Oppositionsbündnis am Wahlabend (dpa / picture alliance / Jim Hollander)
    Die Musik dröhnt schon seit Stunden durch die Basketball-Halle im Norden von Tel Aviv. Aber die Halle bleibt den ganzen Abend über fast leer. Keine Wahlparty-Stimmung bei der Zionistischen Union, dem israelischen Oppositionsbündnis. Und auch Tomer, der für einen Abgeordneten der Arbeitspartei Wahlkampf gemacht hat, dämpft eine halbe Stunde vor den ersten Prognosen die Erwartungen:
    "Wir wollen ja Netanjahu nach Hause schicken, aber das wird nicht einfach."
    Netanjahu sei wie ein Phoenix aus der Asche. 30 oder 40 junge Wahlkampfhelfer sind gekommen, schwenken Fahnen für die Fernsehkameras. Kurz nach 22 Uhr zeigen die drei israelischen Fernsehsender ihre Zahlen. 27 Parlamentssitze für das Oppositionsbündnis von Jitzchak Herzog und Tsipi Livni.
    Nach Stunden zeigt sich der Vorsprung Netanjahus
    Das sind mehr Mandate als die letzten Umfragen vorhergesagt hatten. Aber der Jubel bricht schnell ab, denn auch der Likud-Block von Ministerpräsident Netanjahu kommt den Prognosen zufolge auf 27 oder gar 28 Sitze kommen. Erst Stunden später zeigen die ausgezählten Wahlbezirke einen deutlichen Vorsprung von Netanjahus Likud. Die Wahlkampfhelferin Maya geht am Abend noch von einem Patt aus:
    "Also unser Ergebnis ist ja wirklich sehr gut. Nur das hohe Ergebnis für den Likud, das ist nicht gut. Es gibt noch Hoffnung für eine linke Regierung, aber die ist nicht sehr groß."
    Moshe Kahlon mit der Partei Kulanu könnte entscheidend werden
    Moshe Kahlon mit der Partei Kulanu könnte entscheidend werden (afp / Gali Tibbon)
    Moshe Kahlon könnte Königsmacher werden
    Die letzten Wahllokale in den größeren israelischen Städten haben gerade erst geschlossen, da erklärt Israels Staatspräsident Rivlin auf Grundlage der Prognosezahlen, er werde auf eine Regierung der Nationalen Einheit drängen, Netanjahu und sein Herausforderer Herzog sollen zusammengehen. Aber selbst diese Große Koalition hätte im israelischen Parlament noch keine Mehrheit, rechnet Itay vor:
    "Es hängt jetzt alles an einer Person. Und zwar an Moshe Kahlon. Er ist der Königsmacher."
    Für Kahlon als Ex-Likud-Politiker werde es aber schwer, in eine Regierung unter Jitzchak Herzog zu gehen. Für einen klaren Machtwechsel reicht es nicht, Netanjahu bleibt, der Traum von einer linken Mehrheit ist zerplatzt. Itay hält sich fest am Traum von Herzog als Regierungschef.
    Der kommt erst zwei Stunden nach den ersten Zahlen in die fast leere Basketball-Halle:
    Herzog spricht von einer Regierung der Versöhnung
    Eine rotierende Werbeanzeige in Tel Aviv zeigt die Porträts von Itzhak Herzog und Benjamin Netanjahu ineinander übergehend.
    Sie kämpfen um das Amt des Ministerpräsidenten in Israel: der amtierende Regierungschef Benjamin Netanjahu (r.) und Oppositionsführer Itzhak Herzog, hier auf einer rotierenden Werbeanzeige in Tel Aviv. (picture alliance / dpa / Abir Sultan)
    "Wir haben heute Unglaubliches erreicht! Seit den Wahlen '92, als Jitzchak Rabin gewählt wurde, haben wir kein so gutes Ergebnis erreicht. Damit können wir zurück in die Regierung. Wir müssen zwar die Ergebnisse abwarten, alles ist offen. Aber ich will eine soziale Regierung für Israel bilden."
    Mit allen wichtigen Parteichefs habe er schon telefoniert, erklärt Herzog. Er spricht von einer "Regierung der Versöhnung", wohl ein Hinweis darauf, dass er Parteien an einen Tisch bringen will, die eigentlich nicht miteinander reden wollen. Und Jitzchak Herzog verspricht "echte Veränderung", dafür habe eine Mehrheit bei dieser Parlamentswahl gestimmt.
    Das Echo kommt noch viel später in der Nacht vom Amtsinhaber, Benjamin Netanjahu. Auch er will einen "großen Erfolg" feiern. Den Rückstand aus den letzten Umfragen hat er doch noch aufgeholt.
    "Jetzt müssen wir eine starke und stabile Regierung bilden, die sich um die Sicherheit und das Wohl aller Bürger Israels kümmert."
    Und Netanjahus Anhänger skandieren: "Wir wollen keine Einheitsregierung". Die verhasste große Koalition haben sowohl Netanjahu als auch Herzog immer wieder ausgeschlossen. Aber womöglich werden sie vom Staatspräsidenten dazu gezwungen. Herzog schickt sein Häuflein Wahlhelfer erst einmal mit einem Versprechen in die Nacht:
    "Eines kann ich Euch sagen: Heute Nacht werden keine Entscheidungen mehr gefällt. Ihr könnt also schlafen gehen. Ihr habt schwer gearbeitet und alles gegeben."