16. Mai 2011, der letzte Flug der Raumfähre Endeavour. An Bord ein Messinstrument von den Ausmaßen eines Kleinlasters, siebeneinhalb Tonnen schwer und anderthalb Milliarden Euro teuer.
"Das ist in der Tat ein richtig großer Kasten."
"Das ist in der Tat ein richtig großer Kasten."
Iris Gebauer, Physikerin am Karlsruher Institut für Technologie. Bald darauf wird der Klotz an die ISS angeschlossen, die Internationale Raumstation. AMS, so heißt er, fängt Teilchen aus der kosmischen Strahlung auf - Elektronen, Protonen und Atomkerne, die mit irrsinniger Geschwindigkeit durchs All rasen.
"Und dann gibt es einen ganz kleinen Anteil von Antimaterie - Positronen und Antiprotonen. Und das ist etwas, wo wir mit AMS ganz speziell drauf gucken."
Ein Überschuss an Antimaterie
Antimaterie ist die gespiegelte Version der gewohnten Materie. Im Kosmos scheint sie nur in Spuren vorzukommen. Erzeugt wird Antimaterie etwa dann, wenn schnelle Wasserstoffkerne durchs All jagen und auf interstellares Gas treffen. Dabei können Positronen entstehen, die Antiteilchen der Elektronen. 2013 veröffentlichte das AMS-Team Messdaten, die für Furore sorgten: Der Detektor hatte deutlich mehr Positronen aufgeschnappt, als sich durch die Kollisionen von Wasserstoff mit interstellarem Gas begründen ließe. Für diesen Positronen-Überschuss hatten die Forscher eine spektakuläre Erklärung auf Lager.
"Dann gibt es eine weitere mögliche Quelle für Antimaterie. Und das ist der spannende Teil. Da geht es um dunkle Materie."
Dunkle Materie – das ist eine rätselhafte Materieform, von der viele Experten glauben, sie würde die Galaxien zusammenhalten wie ein unsichtbarer Klebstoff. Diese dunkle Materie könnte - so die Hypothese - aus Teilchen bestehen, die wie Geister durch Raum und Zeit schwirren. Immer wieder mal müssten zwei solcher Dunkle-Materie-Teilchen zusammenstoßen und sich dabei vernichten – annihilieren, wie Iris Gebauer das nennt. Und genau daher könnte der rätselhafte Positronen-Überschuss stammen, den AMS gemessen hat.
Alternative Erklärungsansätze
"Nach der Publikation der AMS-Daten gab es hunderte von wissenschaftlichen Artikeln. Und viele von den Leuten haben herausgefunden: Ja, das könnte die Annihilation von dunkler Materie sein."
Damit hätten die Dunkle-Materie-Teilchen eine erste Schmauchspur hinterlassen - eine wissenschaftliche Sensation. Doch nun, fünf Jahre später, sind die Hoffnungen gedämpft. Denn im Laufe der Zeit wurde immer klarer: Der Positronen-Überschuss von AMS kann auch andere Gründe haben.
"Das sind zum Beispiel Pulsare. Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne - ein Überrest einer Sternexplosion. Das ist ganz dichte Materie, die hat starke rotierende Magnetfelder."
Diese rotierenden Pulsare könnten als regelrechte Positronen-Schleudern fungieren, die Unmengen an Antiteilchen in All katapultieren. Stecken sie anstatt der dunklen Materie hinter dem Positronen-Überschuss? Das hatte das AMS-Team durch das Sammeln von mehr Messdaten beantworten wollen. Nun sind diese Messdaten zwar da - aber die Frage ist nach wie vor offen, denn:
"Was wir mittlerweile sehen ist, dass innerhalb der astrophysikalischen Unsicherheiten ein mögliches Pulsar-Signal sehr ähnlich aussehen kann wie ein Signal an dunkler Materie."
Viele Fragen sind noch offen
Will heißen: Die Wissenslücken sind noch viel zu groß, um sicher beurteilen zu können, auf was der Positronen-Überschuss denn nun zurückzuführen ist - auf Pulsare oder auf dunkle Materie. Manch ein Experte meint deshalb, dass das AMS-Team vor fünf Jahren zu vorschnell mit seinen Interpretationen war. Die Hoffnung jedoch währt weiter. Denn AMS wird noch bis 2024, dem geplanten Ende der ISS, auf Positronen lauern. Und vielleicht stoßen Gebauer und ihr Team dann ja doch noch auf die ersehnte Schmauchspur der dunklen Materie.
"Es gibt kein Problem in der Physik, dass man nicht durch die Bereitstellung von mehr und genaueren Daten lösen kann. Das ist die einzige Möglichkeit, die wir haben, um etwas über unsere Natur, die uns umgibt, zu verstehen."