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Ist die Love-Parade die größte Drogenparty der Welt?

Heinlein: Laut und hart, schnell und gleichförmig - die Musik der Techno-Szene. An diesem Wochenende werden der Hauptstadt wieder einmal die Ohren dröhnen. Die Berliner Love Parade gilt als die größte Open-Air-Party der Welt. Rund 1 Millionen Raver werden morgen rund um den Berliner Tiergarten erwartet. Berlin im Liebestaumel, ein Alptraum für die meisten Anlieger. Aber das Party-Wochenende sorgt auch für tiefe Sorgenfalten bei Eltern, Polizei und Drogenberatern. Das Problem heißt Ecstasy. Die Muntermachdroge scheint für viele Raver unverzichtbar, Mahnungen werden gerne ignoriert, die Amphetamintablette ist beliebt, gilt als sauber und ist zu dem recht billig zu haben. Love Parade, Techno und Drogen, darüber wollen wir jetzt mit der Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Elisabeth Pott, reden. Guten Morgen.

    Pott: Guten Morgen.

    Heinlein: Frau Pott, ist die Love-Parade die größte Drogenparty der Welt?

    Pott: Ja, das kann schon sein. Auf jeden Fall ist genau diese Art von Techno-Partyszene der Bereich, in dem eben gerade Ecstasy, aber natürlich auch andere Drogen konsumiert werden. Ein Grund für uns, dies zum Anlass zu nehmen, das Thema Suchtmittelkonsum bei solchen Anlässen noch einmal zu thematisieren.

    Heinlein: Wie fest hat sich denn Ecstasy in der Szene etabliert?

    Pott: Seit Beginn der 90er Jahre ist die Droge Ecstasy auch gerade in Deutschland mit dem Aufkommen der Techno- und House-Musik-Szene verbunden, sehr viel bekannter geworden und hat hier einen größeren Markt gefunden. Wir haben das zum Anlass genommen als Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, um diese Situation eben auch zu untersuchen, um mehr darüber zu erfahren, wie sich der Konsum von Drogen auch unter Berücksichtigung dieser Szene verbreitet. Wir konnten dabei feststellen, dass genau in diesen Szenen der Drogenkonsum sehr viel höher liegt als in der Durchschnittsbevölkerung. Das heißt nicht, dass nicht auch außerhalb von solchen Raves oder solchen Techno-Parties Drogen und auch Ecstasy konsumiert werden, aber der Anteil derjenigen, die dort konsumieren, ist eben sehr viel höher. Der Anteil derer, die Ecstasy konsumieren, liegt in der Techno-Partyszene etwa bei rund 50 Prozent, bei Cannabis liegt er noch höher. Das ist um ein vielfaches höher als in der normalen Bevölkerung.

    Heinlein: Was, Frau Pott, haben Sie denn noch herausfinden können? Warum ist Ecstasy gerade bei den Ravern so populär? Was sind die Punkte, die sich die Jugendlichen von dieser Aufputschdroge versprechen?

    Pott: Diejenigen, die Ecstasy konsumieren, erwarten sich vor allen Dingen eine euphorisierende Wirkung. Sie erwarten, dass sie positive Gefühle entwickeln und dass sie diese Gefühle auch besser zum Ausdruck bringen können. Besonders soll Ecstasy dazu beitragen, leichter, lockerer und unverkrampfter auf andere Menschen zuzugehen. Deshalb hat sie auch den Beinamen, die Herzöffnerdroge oder Türöffner- und Herzöffnerdroge. Das ist das, was erwartet und gewünscht wird und darüber hinaus natürlich auch, dass die Leistungsfähigkeit beim Feiern gesteigert wird und das Durchhaltevermögen verbessert wird.

    Heinlein: Wie riskant ist denn der Konsum von Ecstasy, etwa auch in Verbindung mit Alkohol?

    Pott: Es ist so, dass lange Zeit diejenigen, die diese Droge nehmen, gemeint haben, dass es eine harmlose Substanz ist - deswegen hat sie ja auch den Namen Partydroge -, die man ruhig mal nehmen kann. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen aber, dass das ein ganz gefährlicher Irrtum ist. Erst einmal gibt es akute Gefahren, die auftreten können, und die entstehen vor allen Dingen daraus, dass Warnsignale, wie Durst, Unwohlsein und Erschöpfung durch die Drogeneinnahme unterdrückt werden, so dass man es gar nicht merkt und dass es eben bis zum Kollaps kommen kann, aktuell in einer Situation, in der es durch Steigerung der Körpertemperatur, durch Steigerung des Blutdrucks eben bis zu akutem Herzversagen kommen kann.

    Heinlein: Kann Ecstasy eine Einstiegsdroge für härtere Sachen, wie LSD, Kokain oder auch Heroin sein?

    Pott: Also, in der Regel wird Ecstasy - das war übrigens auch eine der früheren Irrglauben - nicht isoliert genommen. Früher hat man gedacht, dass der, der Ecstasy nimmt, keine anderen Drogen nimmt. In den wissenschaftlichen Untersuchungen zeigt sich aber, dass Ecstasy ganz, ganz überwiegend kombiniert mit anderen Suchtmitteln genommen wird, vor allem kombiniert mit Cannabis, aber auch mit Alkohol, mit Speed und in selteren Fällen auch mit Kokain. Also, es wird hier häufig ein Cocktail konsumiert, und das erhöht natürlich über die unmittelbaren Gefahren, die von der Droge Ecstasy ausgehen, hinaus, die Gefahren noch einmal ganz besonders, weil man gar nicht mehr kalkulieren kann, wie denn die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Stoffen sind,

    Heinlein: Frau Pott, wie groß ist denn die Versuchung - was sind da ihre Erkenntnisse - für Jugendliche gerade bei diesen Großereignissen, wie der Love Parade, zum ersten mal eine Ecstasy-Tablette zu schlucken?

    Pott: Also, man muss sagen, die Frage des Konsums von Ecstasy hängt eigentlich davon ab, wie stark Jugendliche in eine solche Szene involviert sind, das heißt, wie viele Freunde sie in der Szene haben, wie häufig sie auf Rave- oder Techno-Parties gehen. Und je enger sie involviert sind, je mehr Freunde sie dort haben, je häufiger sie auf solche Parties gehen desto größer ist die Gefahr. Beim ersten Mal ist die Gefahr eher noch nicht so groß, weil dann noch die Bereitschaft, Drogen abzulehnen noch bei Jugendlichen gut vorhanden ist.

    Heinlein: Was unterscheidet denn diese Ecstasy-Szene, die sie gerade erwähnt haben, von anderen Drogen-Szenen, wie etwa den Kiffern oder den Junkies?

    Pott: Wir sind früher bei anderen Suchtmitteln sehr viel häufiger davon ausgegangen, dass Suchtmittel genommen werden, um Probleme zu lösen oder zu verdrängen oder um dem Stress oder dem Alltag zu entfliehen. Diese Art von ganz spezieller Jugendkultur, die eben das Feiern und das Durchfeiern in den Mittelpunkt stellt, ist schon eine etwas andere Jugendkultur als die, die wir eben insbesondere bei den harten Drogen finden, die ja in ganz anderen Zusammenhängen stattfinden und wo eben nicht feiern angesagt ist, sondern die häufig auch eher zur Vereinsamung, Isolation und zu diesen Szenen in der Bahnhofsnähe, die ja allen bekannt sind, führen.

    Heinlein: Ist denn diese Subkultur, diese Techno-Szene durch uns Erwachsene überhaupt zu erreichen? Wird dieser erhobene Zeigefinger durch Ihre Behörde, durch Erwachsene, durch Eltern oder Lehrer überhaupt erreicht? Was kann man tun, um Jugendliche vom Ecstasy-Konsum abzuhalten?

    Pott: Zunächst einmal möchte ich sagen, dass wir den erhobenen Zeigefinger natürlich vermeiden. Wir gehen genau mit Internetangeboten www.drugcom.de auf Jugendliche zu, das heißt, sie können ein Angebot im Internet nutzen, das Aufklärungsangebote enthält, aber diese Aufklärungsangebote sind immer auch vermischt mit Unerhaltungsangeboten, weil wir einfach auch den Jugendkulturen entsprechen müssen, wenn wir an Jugendliche herangehen wollen, das heißt, jugendnahe Bereiche, wie Musik, Club, Szene, Kino, Trendsport oder Mode werden mit Aufklärungsangeboten verbunden im Internet, so dass ein attraktives Angebot entsteht und der Zugang, der dann auch die Möglichkeit gibt, sich durch kleine Selbsttests und auch in Projekten zu orientieren und dass Jugendliche sich in dieser Verbindung mit Themen auseinandersetzen, zu denen sie vielleicht sonst, wenn wir ihnen eine Broschüre in die Hand geben, nicht unbedingt einen Zugang finden. Diese Möglichkeit der Selbstreflektion - wie finde ich das eigentlich, wenn ich mich mal gut informiere und mal sehe, was das für Auswirkungen hat - ist eigentlich das Ziel und nicht der erhobene Zeigefinger, zu sagen: Wir sind eine Behörde und wir sagen Dir was Du tun sollst. Ich glaube, dass solche Anlässe hier allerdings nur eine Möglichkeit sind, auf solche Projekte aufmerksam zu machen und wirklich die Gelegenheit zu nutzen, ganz viele Jugendliche, die dort sind, anzusprechen und zu sagen - es gibt was, nutzt es -, aber nicht in der Situation selber jetzt den Einzelnen tatsächlich im Sinne der Beratung dahin zu bringen, dass er jetzt etwas aufhört, Drogen zu nehmen, wenn er bisher schon welche konsumiert hat, sondern das muss immer ein Programm sein, an dem viele Maßnahmen mitwirken und vor allen Dingen muss das schon möglichst früh in der Kindheit und im Jugendalter beginnen und nicht erst dann, wenn schon ein konkreter Konsum vorliegt.

    Heinlein: Frage zum Schluss, ganz kurz, Frau Pott. In den vergangenen Tagen gab es ja einige Schlagzeilen um den Tour-de-France-Sieger Jan Ulrich und seinen Konsum von Ecstasy. Wie fatal ist so etwas für Ihre Aufklärungskampagne?

    Pott: Es ist ganz klar, dass immer dann, wenn wieder Beispiele auftreten, wo Menschen, gerade auch aus dem Sport, die Idole oder Ideale für junge Leute darstellen, an denen sie sich auch ein Stück weit orientieren oder die sie bewundern, dass diese Vorbildfunktion eine ganz wichtige Funktion ist, und wenn dann solche Ereignisse eintreten ist das natürlich für die Bemühungen um Aufklärung, um die Motivation zu einem gesunden Lebensstil natürlich immer schwierig. Auf der anderen Seite ist es aber auch eine gesellschaftliche Realität, die wir in die Aufklärungsstrategien miteinbeziehen müssen.

    Heinlein: Zur Berliner Love Parade, heute Morgen hier im Deutschlandfunk, Elisabeth Pott. Sie ist die Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Frau Pott, ganz herzlichen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Link: Interview als RealAudio