Für Matteo Renzi läuft es in diesen Tagen und Wochen richtig rund. Gestern meldete die nationale Sozialversicherung ein Plus von 319.000 unbefristeten Arbeitsverträgen in diesem Jahr. Italiens Ministerpräsident kann das seiner Arbeitsmarktreform zuschreiben, die er gegen den Widerstand der Gewerkschaften und eigener Parteikollegen durchs Parlament gebracht hatte. Vor der Sommerpause verabschiedete das Parlament die Wahlrechtsreform, und heute steht das Meisterstück an: die Verfassungsreform mit der faktischen Abschaffung der zweiten Parlamentskammer, des Senats.
"Wir haben in unserem Parlament 630 Abgeordnete und 315 Senatoren", erklärt Renzi seine Reform. "In Amerika sind es 425 plus 100, und die sind sicher nicht weniger demokratisch wie wir."
Auch der italienische Senat soll nur noch 100 Senatoren zählen. Fünf davon benennt der Staatspräsident, 95 Senatoren werden von den Regionen und Städten entsandt. Der Senat soll eine Art Kopie des deutschen Bundesrats werden und verliert dafür nicht nur Sitze, sondern vor allem Kompetenzen. Künftig wählt nur noch die erste Kammer - das Abgeordnetenhaus - den Ministerpräsidenten. Der Senat wird noch bei Verfassungsänderungen eingeschaltet oder wenn Zuständigkeiten der Regionen betroffen sind. Damit verschlankt Renzi den teuren Politikbetrieb und beschleunigt die Gesetzgebung.
Kritiker wie Miguel Gotor sprechen dagegen von einem Demokratiedefizit. Gotor hatte bis zuletzt gefordert, dass die neuen Senatoren direkt gewählt werden.
"Es wäre wichtig, die Beteiligung der Bürger zu erhöhen", sagt Gotor. "Ansonsten setzen die Parlamente ihre Glaubwürdigkeit immer mehr aufs Spiel und das könnte große Probleme mit sich bringen."
Große Widerstände im eigenen Lager von Renzi
Gotor ist übrigens Abgeordneter der Demokratischen Partei, also der Regierungspartei. Die größten Widerstände hatte Renzi wieder einmal im eigenen Lager zu überwinden.
"Es ist doch lächerlich zu sagen: Wenn es keine direkte Wahl der Senatoren gibt, dann ist die Demokratie gefährdet", so Renzi. "Als müsste man nur häufiger wählen, um demokratischer zu sein. Das ist die goldene Kamera und nicht der Senat."
Mit mehreren kleinen Zugeständnissen überzeugte Renzi die Kritiker in den eigenen Reihen. Sie werden heute bei der finalen Abstimmung wohl mit Ja stimmen. Die Lega Nord hielt bis zuletzt dagegen. Mit allen Mitteln: Sage und schreibe 80 Millionen Änderungsanträge wollte die rechtsextreme Partei einreichen. Der Senatspräsident verhinderte die Totalblockade und die Lega Nord verließ unter dem Protest ihres Fraktionsvorsitzenden Gian Marco Centinaio das Parlament.
"Wir, verehrter Herr Präsident, wollen nicht mehr mit jemanden sprechen, der die Stütze dieses Ministerpräsidenten ist", empörte sich Centinaio. "Ihr tötet die Demokratie und wir werden nicht eure Komplizen sein. Auf Wiedersehen."
Auch ein alter Bekannter hat sich in der Debatte um den neuen Senat zu Wort gemeldet: Silvio Berlusconi. Der spielt im politischen Alltag Italiens kaum mehr eine Rolle. Seine Partei Forza Italia liegt in Umfragen bei etwas über zehn Prozent. Und Berlusconi muss irritiert feststellen, dass Renzi all die Reformen umsetzt, die er immer angekündigt hat:
"Diese Person hat mehr als einmal einen Machtwillen bewiesen, der uns sehr nachdenklich stimmen und stark beunruhigen sollte."
Eines muss Berlusconi aber nicht fürchten: dass Renzi die Reformen im Alleingang durchzieht. Das letzte Wort haben die Bürger. Sie sollen abschließend in einem Referendum über die Verfassungsreform entscheiden.