Das Mart in Rovereto ist eine öffentliche Einrichtung und wird mit rund sieben Millionen Euro vornehmlich von der autonomen Provinz Trento unterstützt. Früher war das deutlich mehr und besonders der Ausstellungsetat ist erheblich geschrumpft. Bis zum 2. Februar ist hier noch die Schau "La magnifica ossessione“, "Der herrliche Wahn“ zu sehen, mit der das Museum sich selber feiert, indem es zum ersten Mal überhaupt den ganzen Bestand seiner Sammlungen zeigt, die bislang immer nur in einzelnen Ausschnitten zu sehen waren. Wobei die über 3000 Exponate durcheinandergewirbelt werden und sich so typischer musealer Klassifizierungen entziehen. Wenn Kunst trunken machen kann, dürfte man nach der Besichtigung des Mart nicht mehr Auto fahren. Mit dieser Ausstellung hat die neue Museumsleiterin Cristiana Collu ein Zeichen gesetzt.
"Wir haben einfach gespürt, dass die musealen Präsentationen heute immer mehr von Müdigkeit gekennzeichnet sind. Die Ausstellungssprache wirkt häufig wie eingefroren und verliert jede Beziehung zur Umwelt, die vielleicht in unserer gleichsam verrückten Ausstellung wieder auflebt. Es geht darum, mit Kreativität neue Lösungen, neue Verhaltensweisen, neue Blicke zu suchen. Man kann nicht mehr die alten Dinge mit weniger Mitteln machen, sondern man muss Neues auf andere Arten machen.“
Die aus finanzieller Not geborene Strategie, sich unter neuem Blickwinkel den eigenen Beständen zu widmen, hat bereits Schule gemacht. In Rom beginnt auch das Maxxi unter dem frisch berufenen künstlerischen Leiter, dem Francochinesen Hou Hanru, statt kostspieliger Fremdausstellungen, die Sammlung des Hauses neu zu sichten und zu zeigen. Damit das überhaupt noch möglich ist, hat das römische Parlament dem staatlichen Museum fünf Millionen Euro zugeschustert und es vor einer kommissarischen Leitung bewahrt.
Wenn wichtige Einrichtungen wie das Mart oder das Maxxi leiden, wie reagieren dann erst die Städte, die bislang eine Hauptrolle in der Kulturförderung gespielt haben? In Mailand ist es dem Kulturassessor Filippo Del Corno gelungen, der sich auch als Komponist von Gegenwartsmusik einen Namen hat, aus der Not eines schmalen Geldbeutels eine Tugend zu machen. Wo früher die von der Stadt geförderten einzelnen Einrichtungen, die Theater, Ausstellungsräume, Konzertvereinigungen vereinzelt vor sich hinarbeiteten, hat er Netzwerke geschaffen, die jetzt nicht nur kostensparend arbeiten, sondern auch inhaltlich eine Art Gesamt-Spielplan für die Stadt schaffen. Ausgehend von zwei großen Ausstellungen im Palazzo Reale über Jackson Pollock und Andy Warhol wurde das Thema eines "amerikanischen Herbstes“ geboren.
Bis zum Februar gibt es unter anderem Theaterstücke von amerikanischen Autoren wie Peter Morgan, Fotoausstellungen, Filme, Tagungen zu US-Themen, Konzerte oder ein amerikanisches Design-Festival. In der Brera-Akademie tanzte man zu Swing-Musik. Durch den Zusammenschluss der vielen Initiativen war eine Großbank bereit, die Kosten für die Kommunikation aller Veranstaltungen zu übernehmen. Filippo Del Corno sieht aber nicht nur organisatorische Vorteile:
"Wir haben so auch zu einer Mischung des jeweiligen Fachpublikums beigetragen. Das der Gegenwartsmusik ist dem Theater nahegekommen, das des Theaters hat Wege in Ausstellungen gefunden und so weiter. So wächst das Interesse, Themen unterschiedlich zu vertiefen.“
Eine Video-Installation des isländischen Künstlers Ragnar Kjartansson ist in diesen Wochen im Hangar Bicocca am Stadtrand von Mailand zu sehen. In diesen Krisenzeiten wächst auch die Bedeutung von privaten Einrichtungen wie dem von Pirelli geförderten Hangar Bicocca, wo etwa die sieben Himmelstürme von Anselm Kiefer eine feste Bleibe gefunden haben. Der Eintritt ist grundsätzlich frei, wie auch alle didaktischen Programme kostenlos angeboten werden. Hier geht es darum, in Krisenzeiten einem Publikum quer durch alle Altersklassen und Schichten Zugang zur Gegenwartskunst zu eröffnen, betont der Kurator Andrea Lissoni:
"In Krisenzeiten ist Kultur besonders notwendig. Und es ist tragisch, wenn man vergisst, sie zu unterstützen. Der private Auftraggeber einer Ausstellungseinrichtung hat heute die wichtige Rolle, Kunsterlebnisse gratis zu ermöglichen. Denn die künstlerische Produktion ist gerade in Krisenzeiten äußerst lebhaft. Die Künstler schreien in diesem Moment besonders laut. Die Kulturinstitutionen müssen dafür sorgen, dass ihre Schreie gehört und nicht unterdrückt werden.“
So wie die Video-Installation von Ragnar Kjartansson mit einem Kanonenschuss endet, geht es Andrea Lissoni darum, besonders in Zeiten der Krise das Publikum wachzurütteln und der Gegenwartskunst neue Liebhaber zuzuführen.