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Italien
Autoren gründen einen neuen Verlag

Die Übernahme des Verlags Rizzoli durch den zu Berlusconis Medienimperium gehörenden Verlagsriesen Mondadori hat die italienischen Schriftsteller aufgeschreckt. Sie sehen die Meinungsvielfalt bedroht. Um sie zu erhalten, gründeten sie einen eigenen Verlag. Hilfreiche Unterstützung im Vertrieb haben sie auch schon bekommen.

Von Thomas Migge | 24.11.2015
    Der italienische Philosoph und Autor Umberto Eco.
    Der italienische Schriftsteller Umberto Eco gehört zu den Gründern eines neuen Verlags - den Namen dafür hat er sich auch ausgedacht. (dpa / picture alliance / Carmen Siguenza)
    "Man muss sich auf den Kern dieser Problematik konzentrieren. Ich habe nichts gegen Mondadori, aber ich wäre nicht ehrlich, wenn ich behaupten würde, dass meine Entscheidung nichts mit der Übernahme des Verlags Bompiani ausgerechnet durch Mondadori zu tun habe. Hier geht es nicht nur um eine simple Übernahme. Hier geht es um viel mehr."
    25 Jahre lang arbeitete die Schriftstellerin Elisabetta Sgarbi im Verlag Bompiani. Zuletzt als Verlagsdirektorin. Bompiani gehört zur Verlagsgruppe Rizzoli, und die wurde kürzlich durch den Verlagsgiganten Mondadori übernommen. Eine umstrittene Übernahme, denn Mondadori gehört zum Imperium von Medienzar Silvio Berlusconi. Elisabetta Sgarbi gab ihren Arbeitsplatz jetzt auf, schweren Herzens: "Man darf so eine Übernahme nicht einfach nur als Produkt ökonomischer Prozesse verstehen, sondern es geht darum, dass ein einziger Verlag, Mondadori, jetzt rund 38 Prozent des italienischen Buchmarkts kontrolliert. Das kann eine Gefahr für die Meinungsvielfalt bedeuten. Darum geht es mir."
    Sorge um die literarischen Übersetzungen aus dem Ausland
    Und darum geht auch dem italienischen Amt für Monopolkontrolle. Aber auf eine Antwort auf die Frage, ob Mondadori trotz Vertragsabschluss mit der Rizzoli-Gruppe tatsächlich, also auch mit dem Segen der staatlichen Aufsichtsbehörde, zum größten Buchmacher Italiens werden darf, wollen Sgarbi und andere Schriftsteller nicht warten. Und so taten sich prominente italienische und nichtitalienische Autoren, die bisher bei Rizzoli & Co. veröffentlichten, zusammen und erklären offiziell ihr "addio". Still und heimlich haben sie also einen neuen und vor allem unabhängigen Verlag gegründet, "La nave di Teseo", das Schiff des Theseus – in Anspielung auf ein antikes philosophisches Paradoxon, bei dem es um die Frage geht, ob ein Subjekt seine Identität verliert, wenn seine wesentlichen Bestandteile ausgetauscht werden. Wie es heißt, kam der Semiotiker (Umberto) Eco auf die Idee zu diesem Namen.
    Sämtliche Autoren befürchten auch, dass der neue italienische Buchgigant eine Gefahr für das gerade in Italien ungemein vielseitige Angebot literarischer Übersetzungen aus dem Ausland sein könnte. Eine Befürchtung, die auch der Journalist und jetzige Präsident des unabhängigen Buchverlages Longanesi Ferruccio De Bortoli teilt: "Verlagskonzentrationen sind an sich nicht Böses, aber ich hoffe inständig, dass Mondadori auch ins Ausland schauen wird, wie Bompiani und seine kleineren Verlage das bisher getan haben, denn italienische Leser waren dank dieser Verlage bisher immer sehr gut mit Übersetzungen ausländischer Autoren versorgt worden. Ein Geschäft allerdings, mit dem man nicht unbedingt gute Kasse machen kann."
    Konzentration auf Bestseller befürchtet
    Keiner der Autoren, die Bompiani und somit Mondadori jetzt verlassen haben, spricht von der Möglichkeit, dass Silvio Berlusconi sich irgendwie in das Verlagsgeschäft einmischen könnte, um es zu seinen politischen Vorteilen nutzen zu können. Diese Gefahr sieht man nicht. Dafür aber eine andere: Marina Berlusconi, die Tochter des Medienzaren und unbestrittene Herrin bei Mondadori, gilt vor allem als Förderin von Bestseller-Autoren. Kritiker dieses Kurses befürchten die pure Konzentration auf das lukrative Big Business mit Blockbustern. Genau das also, was Bompiani & Co. nicht taten.
    Deshalb will der neue Verlag La nave di Teseo, der seinen Sitz in der Mailänder Via Jacini hat, einen anderen Kurs fahren. Da selbstfinanziert, möchte man, so heißt es, nur qualitativ hochwertige Werke publizieren: neben Romanen auch Erzählungen, Essays und Dichtung.
    Der Verlag Feltrinelli, der eher links ausgerichtete große Gegenspieler von Mondadori, hat sich dazu bereit erklärt, die Bücher des kleinen Konkurrenten La nave di Teseo zu vertreiben. Und das heißt, in ganz Italien, denn Feltrinelli verfügt über ein weites Netz eigener Buchhandlungen. Umberto Eco, Elisabetta Sgarbi und die anderen Verlagsgründer blicken deshalb mit Zuversicht in die Zukunft.
    Elisabetta Sgarbi hofft auf 51 neue Titel in den kommenden Monaten. Bis jetzt sind von den Autoren und Gründern des neuen Verlages rund sechs Millionen Euro zusammengekommen.