Spontane Strassensperren, auf den Asphalt gekippte Milch: Sardinien ist im Aufruhr und das nur zwei Wochen vor den Regionalwahlen. Die Insel lebt hauptsächlich vom Tourismus und von der Landwirtschaft, doch der Preis für Ziegenmilch, aus der der berühmte Pecorino-Käse hergestellt wird, ist seit langem im Sinkflug. 60 Cent bekommen die sardischen Bauern noch pro Liter, zu wenig, um von der Ziegenhaltung leben zu können, schreiben sie in den sozialen Medien und werben für Verständnis für ihren Protest.
Die Regierung strickt unterdessen am Projekt Bürgereinkommen, das rechtzeitig vor den Wahlen zum Europaparlament ausgezahlt werden soll. 780 Euro pro Person vom Staat – mehr als so mancher Bauer auf Sardinien monatlich verdient. Das Projekt sorgt bei Volkswirtschaftlern wie Carlo Cottarelli für Kopfschütteln.
"Die Armutsgrenze in einer Kleinstadt im Süden liegt laut Statistikamt bei 561 Euro pro Kopf. Wenn ich 780 Euro vom Staat bekomme, ist der Anreiz, arbeiten zu gehen, gering. Das Argument, die Hilfe vom Staat nur zu bekommen, solange ich keine Arbeit finde, ist schwach, weil ich bezweifle, dass die Jobcenter in der Lage sind, Arbeit für all diese Leute zu finden, die sich von selbst nicht mehr auf Arbeitssuche begeben."
Eine Form der Sozialhilfe, die es bisher nicht gibt
Das Bürgereinkommen ist ein Wahlversprechen der 5-Sterne-Bewegung, mit der sie vor allem in Süditalien gepunktet hat. Die ursprüngliche Idee des Gründers der Bewegung, Beppe Grillo, war, jeder Bürgerin und jedem Bürger eine fixe Monatssumme auszuzahlen, unabhängig vom Einkommen. Davon hat die Regierung aber Abstand genommen. Das Bürgereinkommen soll nur den wirklich Armen zugutekommen, damit ist es eine Form von Sozialhilfe, die es in Italien bisher so nicht gibt.
Mietzuschüsse, Kindergeld, subventionierte Krippenplätze, Essensmarken – all diese Instrumente des Sozialstaates werden auf kommunaler Ebene gewährt und jede Gemeinde hat ihre eigenen Regeln. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich. Das Bürgereinkommen sollte der große Wurf werden, mit dem Italien den sozialen Standards Nordeuropas näher kommt. Kleinunternehmer und Gewerbetreibende wie Stefano Razzi aus Mailand halten es für ungerecht.
Belohnt werde nicht, wer arbeite und ehrlich seine Steuern zahle, sondern wer schlau genug sei, soviel Einkommen vor dem Fiskus zu verstecken, dass er auch noch Anrecht auf das neue Bürgergeld habe. Zugrunde liegt diesem Gedanke die weit verbreitete Schwarzarbeit.
Bürgereinkommen identitätsstiftend für 5-Sterne-Bewegung
Das Bürgereinkommen hat eine identitätsstiftende Funktion für die 5-Sterne-Bewegung, die sich seit ihrem Wahlerfolg vom Mai vergangenen Jahres mehr und mehr von den politischen Initiativen des Koalitionspartners Lega hat an die Wand drücken lassen. Das zeigt auch der Ausgang der Regionalwahlen in den Abruzzen, wo die 5-Sterne-Bewegung dramatisch verlor – und die Lega stark zulegte. Das koalitionsinterne Gleichgewicht könnte damit in Gefahr geraten. Auch wenn Innenminister Matteo Salvini sogleich den an der Wahlurne geschlagenen Koalitionspartner 5 Sterne beruhigte.
"Wir von der Lega wollen keine personellen Änderungen, keine zusätzlichen Ministerposten, die Arbeit der Regierung geht weiter wie bisher."
Das Bürgereinkommen könnte nun zu einem Prestigeobjekt werden, vom dem sich der geschwächte Chef der 5-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, ein Anziehen seiner Popularität verspricht. Der wirtschaftspolitische Rahmen für seine Einführung ist jedoch denkbar schlecht. Italien befindet sich wieder in der Rezession.