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Italien
Der lange Weg der Reformen

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi war Anfang 2014 angetreten, um große Reformen auf den Weg zu bringen: Die Verfassung, das Wahlrecht und der Arbeitsmarkt sind nur drei von vielen Bereichen, in denen Renzi aufräumen wollte. Aus seinem geplanten 100-Tage-Programm ist mittlerweile jedoch ein 1.000-Tage-Programm geworden.

Von Jan-Christoph Kitzler |
    2640404 06/10/2015 Italian Prime Minister Matteo Renzi attending the National Day of Russia at Expo Milano 2015. Sergey Guneev/RIA Novosti
    Matteo Renzi, Italiens Ministerpräsident (picture alliance / dpa / Sergey Guneev)
    Angetreten war Matteo Renzi mit großem Elan. Dem jungen Bürgermeister von Florenz eilte der Ruf als "Rottamatore" voraus - Renzi war der "Verschrotter", der sich vorgenommen hatte, die alten Polit-Eliten hinwegzufegen.
    Als Matteo Renzi am 22. Februar 2014 als neuer Regierungschef vereidigt wurde, war Tempo das Gebot der Stunde. Lange Jahre, in denen in Italien wichtige Reformen verschlafen hatte, sollten aufgeholt werden. Renzi wollte in jedem Monat eine große Reform:
    "Im Februar arbeiten wir mit großer Dringlichkeit an der Verfassungs- und Wahlrechtsreform, um sie ins Parlament einzubringen. Und in den Monaten danach sofort und unmittelbar: im März die Arbeitsmarktreform, im April die Verwaltungsreform und im Mai die Finanzreform."
    Fast 20 Monate später hat Matteo Renzi nichts von seinem Elan eingebüßt - zumindest rhetorisch. Weiterhin gibt er den Reformator - auch wenn sich Nuancen geändert haben. So ist aus dem Programm für die ersten 100 Tage ein 1.000-Tage-Programm geworden. Und bei so manch einem Reformvorhaben musste Matteo Renzi lernen, dass es nicht so schnell geht, wie er wollte. Zumal, wenn man die recht komplizierten demokratischen Spielregeln in Italien einhalten will.
    Ausbremsung in den eigenen Reihen
    Und inzwischen gibt es viele, die von Renzis Reform-Rhetorik einfach nur genervt sind:
    "Es gibt die schlechte Angewohnheit, dass auch der allernormalste Gesetzgebungsprozess Reform genannt wird. Vielleicht war das einschneidendste die Wirtschaftsreform - das schon. Aber gleichzeitig hat sie bei den Arbeitnehmerrechneten eine Wunde hinterlassen."
    Miguel Gotor ist ein Beispiel dafür, dass Matteo Renzi die größten Kritiker in den eigenen Reihen hat. In seinem Partito Democratico gibt es eine veritable Gruppe von Abweichlern, die Renzis Bulldozer-Kurs nicht mittragen wollen. Senator Gotor gehört dazu. Die zweite Kammer des italienischen Parlaments will Renzi entmachten, auch um die politischen Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Nicht nur Gotor hat damit Bauchschmerzen, weil das eine Schwächung der Demokratie bedeutet. Und deshalb ist das Ziel: Renzi ausbremsen.
    "Um die Verfassung zu ändern, in Italien aber auch in anderen Ländern, braucht man viel Zeit und viel Energie, das ist eine einmalige Gelegenheit - also muss man das so gut wie möglich, gut machen. Und es gibt ein paar Dinge, die bei dieser Reform nicht gehen - und wir arbeiten daran, das zu ändern."
    Noch kein Super-Reformer
    Allzuweit ist Matteo Renzi noch nicht: Die Verwaltungsreform steht bislang nur auf dem Papier, bei der Schulreform wurden zwar zigtausende Lehrer fest angestellt. Aber dieser Schritt war ohnehin überfällig. Und wenn Matteo Renzi Italiens Wirtschaft wegen seiner Wirtschaftsreform im Aufschwung sieht, dann sagen Experten: Das liegt vor allem an der gesamtwirtschaftlichen Lage, zum Beispiel am niedrigen Ölpreis. Aber vermutlich stimmt, was viele Italiener denken: Wenn Renzi nur die Hälfte von dem umsetzt, was er verspricht, ist das immer noch gut für Italien.
    Aber es gibt es noch ein Problem: Renzi regiert, ohne je eine landesweite Wahl gewonnen zu haben. Noch steht er in den Umfragen halbwegs gut da - aber ob ihm die Wähler bei der nächsten Parlamentswahl seine Reform-Rhetorik noch abnehmen?
    Ein Super-Reformer, der Italien umkrempelt, ist Renzi bisher noch nicht. Zur Zeit ist seine größte Stärke vor allem die Schwäche der Anderen. Seiner Rhetorik glauben muss man nicht, aber vielleicht müssen die Italiener ihn trotzdem erst mal machen lassen. Denn Italien hat keine Alternative.