Archiv

Italien
Entscheidung über Berlusconis politisches Ende

Bis zuletzt hat Silvio Berlusconi alle Register gezogen. Doch die Fakten sprechen gegen ihn. Sein Ausschluss aus dem Senat scheint vorprogrammiert und seine Gefolgschaft verweigert ihm nach und nach den Gehorsam.

Von Kirstin Hausen | 27.11.2013
    Ausgerechnet Angelino Alfano. Der 42-jährige Sizilianer war Berlusconis politischer Ziehsohn. Sein treu ergebener Parteisekretär. Sein "Hündchen", wie politische Gegner spotteten. Nun ist er Anführer der Abtrünnigen, die eine neue politische Kraft namens Nuovo Centro destra "Neues rechtes Zentrum" gegründet haben. "Verräter" nennt Berlusconi sie, weil sie nicht bereit sind, auf seinen Fingerzeig hin die Regierung von Enrico Letta zu stürzen. Noch im August hatte Alfano erklärt, für seinen Chef zu allem bereit zu sein.
    "Die Judikative versucht, per Gerichtsurteil den erfolgreichsten Politiker der vergangenen 20 Jahre auszuschalten. Wir werden Silvio Berlusconi, unseren politischen Führer, verteidigen, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen."
    Das tut Angelino Alfano nun doch nicht. Denn es würde ihn sein Amt als Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident Italiens kosten und wäre möglicherweise das Ende seiner politischen Karriere. Denn wenn Berlusconi unter Hausarrest gestellt wird oder Sozialstunden leistet, was wird dann aus seinen Gefolgsleuten? Das eigene Interesse und der eigene Machterhalt, scheinen Alfano und seinen Anhängern dann doch wichtiger zu sein, als Berlusconis Probleme. Das ist nicht erstaunlich, weil Silvio Berlusconi genau diese Haltung in den vergangenen 20 Jahren vorgelebt hat und sein Ziehsohn Alfano sie besonders gut verinnerlicht zu haben scheint. Wie auch die Vermarktung des Eigeninteresses als Dienst am Land.
    "Wir tun das für Italien, für die Nation"
    Für die Interessen Italiens kämpfen angeblich auch die Berlusconi-Leute, die ihrem Chef treu bleiben, ihm in die wieder neu gegründete Forza Italia folgen und aus der Regierungskoalition austreten wollen, falls Berlusconis heute seines Amtes enthoben wird. Denn ohne ihn, was wird dann aus Italien? Rhetorische Fragen und Sentimentalitäten jenseits der Kitschgrenze kommen vor allem von den Frauen, die Berlusconi ihre politische Karriere und gut bezahlte Posten verdanken. Daniela Santanché, die aus ihrer Liebe zum Faschismus kein Hehl macht und von Berlusconi in das Amt einer Unterstaatssekretärin gehievt wurde, organisiert Solidaritätsdemos mit Fähnchen schwenkenden Rentnerinnen, die „Silvio, wir lieben dich“ in die Mikrofone schluchzen. Und Mara Carfagna, erst Showgirl bei Mediaset und dann Ministerin unter Berlusconi, hat Tränen in den Augen als sie in einer Fernsehsendung über Berlusconis Verdienste als Regierungschef spricht. Die Politiker der PD, die heute für Berlusconis Ausschluss aus dem Senat stimmen werden, vergleicht sie mit blutrünstigen Bestien.
    "Die PD wird von der Lust zerfressen, ihren Wählern endlich Berlusconis Skalp präsentieren zu können. Die Wirtschaftskrise scheint sie nicht mehr zu kümmern, es geht nur noch darum, Berlusconi endlich bluten zu sehen."
    Carfagna ist auch überzeugt, dass die Mehrheit der Italiener immer noch zu Berlusconi hält. Das Publikum im Fernsehstudio lacht. Und viele Italienerinnen auf der Straße auch.
    Berlusconis Auftreten sei grotesk, erklärt diese Mailänder Signora mit einem Kopfschütteln. Sein Auftritt vor den "Fedelissimi", also den treusten Anhängern, die sich in der wieder auferstandenen "Forza Italia"-Bewegung sammeln, hatte in der Tat einen Hauch von Selbstparodie. So als wären keine 20 Jahre vergangen seit seinem fulminanten Einstieg in die italienische Politik. So als wäre die Zeit stehen geblieben.
    Doch die Zeit läuft unbarmherzig weiter und sie läuft dem Cavaliere davon. Und auch Berlusconis angeblich neue Beweise zu seiner Entlastung, die er vor zwei Tagen in einer Pressekonferenz vorstellte, überzeugen vor allem einen: ihn selbst.
    "Diese Beweise führen zwingend zu einer Revision des Prozesses und verlangen eine Vertagung der Abstimmung über meine Amtsenthebung."
    Für 19 Uhr heute Abend ist die Abstimmung über Berlusconis Senatssitz festgelegt, vorher muss sich die zweite Parlamentskammer noch mit einer Reihe anderer Fragen beschäftigen. Es bleibt also spannend bis zum Schluss.