Eine politische Talkshow im Staatsfernsehen RAI. Zwei Politiker streiten sich. Nichts Ungewöhnliches. Die beiden sind jedoch in derselben Partei, dem Partito Democratico. Sie streiten über die Schulreform, über das von Matteo Renzi ohne langwierige Debatte durchs Parlament gebrachte "JobsAct-Gesetz" zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, über die Verfassungsreform, die am Volksreferendum scheiterte und damit Renzi zum Rücktritt zwang. All die Themen, die während Matteo Renzis Regierungszeit nicht wirklich ausdiskutiert wurden innerhalb der Partei, sind wieder da. Und die verschiedenen Flügel der Partei stehen sich unversöhnlich gegenüber. Rosy Bindi, Präsidentin der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission und Gründungsmitglied der Demokratischen Partei, sieht sich vor einem Scherbenhaufen.
"Es war eine Legislaturperiode, in der wir uns über die großen politischen Fragen zerstritten haben. Aber über die sollte in einer Partei, die das Land regiert, eigentlich Einigkeit herrschen. Als wir die Partei gründeten, wollten wir eine gemeinsame politische Linie entwickeln. Nur - das gelingt nicht, indem man die verschiedenen politischen Kulturen ignoriert, die in der Partei zusammengeflossen sind, indem man jedes politische Anliegen mit der eigenen Person verbindet, indem man zur Eile antreibt und den Erfolg der Regierung an der Zahl ihrer Gesetzeserlässe misst, statt an ihrer Qualität."
Renzi will "machen", nicht lange "diskutieren".
Rosy Bindi spielt auf den PD-Parteisekretär und früheren Ministerpräsidenten Matteo Renzi an. Die Politikerin mit dem weißen Pagenkopf und der immer gleichen randlosen Brille gehört zur alten Garde, so wie auch Pier Luigi Bersani, der mit seinem Parteiaustritt die Spaltung der Demokratischen Partei amtlich gemacht hat. Sie zeigen Matteo Renzi, dass er die Rechnung ohne seine Leute gemacht hatte. Auch wenn er gerne auf die Altvorderen verzichtet hätte - jetzt fehlen sie ihm, jetzt wird es einsam um ihn.
Matteo Renzis Politikstil ist ein anderer: Er will "machen", nicht lange "diskutieren". Er will allein entscheiden, statt lange beraten. Kein Wunder, dass Silvio Berlusconi versucht hat, ihn abzuwerben. Renzi sei im Grunde kein Linker, und damit eine Fehlbesetzung für die Demokratische Partei, resümiert Massimo Cacciari, Philosoph und früherer Bürgermeister von Venedig.
"Renzi hat kein Talent zu vermitteln. Er will die Richtung bestimmen, ganz egal wie. Aber das wusste man auch schon vor vier, fünf Jahren, als ich vor ihm warnte. Es wäre nicht nötig gewesen, ihn solange machen zu lassen."
Wer aber ist geeignet, die Demokratische Partei wieder zusammenzuflicken? Bisher gibt es drei Kandidaten für das Amt des Parteiführers und Spitzenkandidaten bei der nächsten Wahl. Einer ist Matteo Renzi. Doch er ist unter Druck geraten. Gegen seinen Vater wird wegen Vermittlung in einem Korruptionsfall ermittelt, gegen seinen engen Vertrauten und derzeitigen Sportminister Luca Lotti, wegen Preisgabe geheimer Informationen. Und Renzi hat zwei starke Herausforderer. Michele Emiliano, seit 2015 Präsident der Region Apulien, war vorher zehn Jahre lang Bürgermeister von Bari. Während seiner Amtszeit setzte er andere Schwerpunkte als die Regierung in Rom. Umweltschutz, Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität, Hilfsprogramme für die sozial Schwachen sind seine Themen. Doch Emiliano gilt auch als sturer Kopf.
Der Partei laufen die Wähler weg
Konzilianter präsentiert sich Andrea Orlando, Justizminister in der aktuellen Regierung. Er will die Demokratische Partei von Grund auf erneuern, sprich: wieder einen. Vielleicht ist es dafür aber inzwischen zu spät. Denn der Partei laufen nicht nur illustre Mitglieder weg, sondern auch die Wähler.
Auflösungserscheinungen der italienischen Linken und Wählerschwund
"Ich bin enttäuscht, wahnsinnig enttäuscht. Bei den nächsten Wahlen werde ich es mir gut überlegen, ob ich ihnen wieder meine Stimme gebe."
"Ich bin enttäuscht, wahnsinnig enttäuscht. Bei den nächsten Wahlen werde ich es mir gut überlegen, ob ich ihnen wieder meine Stimme gebe."
"Ich werde nicht mehr PD wählen, diese Spaltung hätte es nicht gebraucht. Ich verstehe nicht, was das soll. Was wollen sie denn? "
Zehn Jahre nach der Fusion des moderaten Teils der früheren Kommunisten mit der eher linken Nachfolgepartei der früheren Christdemokraten brechen die weltanschaulichen Unterschiede wieder hervor. Matteo Renzi hat diese Entwicklung während seiner Amtszeit akzentuiert,, aber nicht allein zu verantworten. Ob der Kongress am 30. April mit der Wahl eines neuen Parteisekretärs die Demokratische Partei vor dem Zerfall bewahren kann, liegt nicht nur in seiner Hand.