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Italien fehlen 40 Milliarden Euro

Auch Italien muss sparen: Ministerpräsident Silvio Berlusconi wird heute ein Regierungsprogramm vorstellen, das den Haushalt sanieren soll. Doch was dem europäischen Stabilitätspakt genügen soll, gefährdet die Stabilität seiner Regierung.

Von Kirstin Hausen | 21.06.2011
    Die Station für Geburtshilfe im Krankenhaus von Legnano, nördlich von Mailand. Hier arbeitet Schwester Ilenia, 36 Jahre alt. Sie assistiert bei Kaiserschnitten, schweren Geburten und versorgt die Neugeborenen. Sie arbeitet Vollzeit, hat regelmäßig Nacht- und Wochenendschichten. Überstunden sind seit Jahresbeginn nicht mehr erlaubt, sie sind zu teuer. Trotzdem arbeitet Ilenia mehr als ihr Vertrag vorsieht, um die permanente Personalnot auszugleichen.

    "1200 Euro verdiene ich im Monat" sagt Ilenia. Das ist nicht viel für eine 40- bis 50-Stunden-Woche, aber es ist ein regelmäßiges Einkommen. Anderen geht es schlechter, beispielsweise ihrer ehemaligen Arbeitskollegin Milena.

    "Wir sind hinausgeworfen worden, obwohl man uns versicherte, dass wir gute Arbeit leisten" sagt Milena, die gemeinsam mit acht Kolleginnen sechs Jahre lang im Krankenhaus von Legnano beschäftigt war. Bis ihre Zeitverträge ausgelaufen waren, jetzt stehen sie auf der Straße. Der Stellenabbau im Gesundheitssystem ist Teil des Sparkurses, den die italienische Regierung fährt, um den öffentlichen Haushalt zu sanieren.

    40 Milliarden Euro sind nötig, um die Staatsverschuldung auf einem für die EU akzeptablen Niveau zu halten. 40 Milliarden Euro, die Italien nicht hat. Der Finanzminister spart bereits an allen Ecken und Kanten. Kultur und Denkmalschutz sind auf private Sponsoren angewiesen, die Forschung ebenfalls, Schulen und Universitäten haben viel zu wenig Lehrpersonal. In den Grundschulen sitzen mehr als die gesetzlich erlaubten 25 Kinder in einer Klasse und an vielen Gymnasien ist der Sportunterricht gestrichen. Improvisieren heißt das Gebot der Stunde und das gilt auch für die Regierung. Denn Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat kein Geld, um die Forderungen seines Koalitionspartners Lega Nord zu erfüllen. Lega Nord-Gründer Umberto Bossi will den Umzug einiger Ministerien in den Norden, weniger Steuern für Familien und Kleinunternehmen, höhere Subventionen für die Milchbauern und weniger Kosten für den Politikbetrieb. Einsparpotenzial gibt es tatsächlich in Rom, wo die Zahl der Staats- und Unterstaatssekretäre seit Berlusconis Amtsantritt kontinuierlich angestiegen ist. Die Vergabe von hoch dotierten Posten auf Kosten der Steuerzahler ist aber fester Bestandteil von Berlusconis System des Machterhalts und der Regierungschef wird darauf schwer verzichten können. Es ist sein einziges Mittel, sich Rückhalt zu verschaffen, da sich die Bevölkerung immer mehr von ihm abwendet. Berlusconis Partei Volk der Freiheit ist zudem intern zerstritten und die Stimmenverluste bei den Kommunalwahlen vor wenigen Wochen haben den Konflikt über die künftige Marschrichtung weiter verstärkt. Mit Berlusconi oder ohne ihn? Die Frage ist kein Tabu mehr. Und die Idee, das Parteibuch zu wechseln, bevor die Regierung wechselt, gewinnt ebenfalls Anhänger. Auch wenn Berlusconi treu ergebene Parteimitglieder wie Maurizio Gasparri zur Geschlossenheit aufrufen.

    "Wenn es auf See stürmt, braucht es große Schiffe. Wer das Land in dieser schwierigen Phase regiert, braucht einen starken Rückhalt und ein großes Schiff, sicher keine vielen kleinen Schlauchboote."

    Das große Schiff, die Regierungskoalition, scheint jedoch leckgeschlagen, und sein Untergang nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Beim Jahrestreffen der Lega Nord Basis mit der Parteispitze riefen Zehntausende "Basta Berlusconi".

    "Wir sind enttäuscht und erwarten eine epochale Wende oder zumindest ein Ultimatum an Berlusconi, das klar macht: die Lega Nord ordnet sich ihm nicht unter und wir sind bereit, die Regierung zu verlassen."

    Sobald wird Parteiführer Umberto Bossi die Regierung aber nicht stürzen, denn seine Partei hat viel zu verlieren. Sie stellt mehrere Minister und hat keinen alternativen Regierungspartner. So hob Umberto Bossi denn auch eher ratlos die Arme und fragte von der Bühne, ob seine Anhänger denn einen Sieg der Linken herbeiführen wollen.