Die Ansage war deutlich. Zettel mit der Aufschrift 'Ihr müsst den Verein schließen' lagen im Dezember im Auto des Vereinsvorsitzenden von Sporting Locri und zweier seiner Mitarbeiter. Als auch noch die Reifen durchstochen wurden und auf dem Sitz, auf dem sonst seine dreijährige Tochter sitzt, ein Zettel lag mit: 'Vielleicht hast du noch nicht verstanden, dass du Sporting Locri zumachen musst, wenn du keine Schäden erleiden willst. Wir wissen, wer gewöhnlich auf diesem Platz sitzt' wurde es dem Präsidenten zu heiß und er trat zurück.
Die Spielerinnen hingegen sind unbeeindruckt. "Es ist alles im ruhig. Wir Spielerinnen fühlen uns gut. Und wir spielen am Sonntag. Ja, der Präsident hat sich vor einigen Tagen zurückgezogen. Jetzt müssen wir sehen, wie es organisatorisch weitergeht. Am Sonntag aber gehen wir aufs Feld", sagt Rosanna Rovito, eine der Spielerinnen. Rovito lässt sich nicht einschüchtern. Sie war im letzten Jahr dabei, als sich das Team im Rahmen einer Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen Verletzungen ins Gesicht schminken ließ, um gegen sexuelle Übergriffe und häusliche Gewalt aufzutreten. Die Frauen schlossen sich auch dem Protest gegen die Schließung des örtlichen Krankenhauses an.
"Die Aktivitäten der Mannschaft sind sehr wichtig für die Stadt"
Engagement schafft Verbündete. Jetzt hilft die Stadt der Futsal-Truppe. Bürgermeister Giovanni Calabrese: "Die Stadtverwaltung in Locri managt die Phase des Übergangs zu einem neuen Geldgeber. Wir agieren als Garanten. Es gibt da verschiedene Vorschläge, die wir prüfen. Und wir hoffen, dass wir bald eine Lösung haben."
Seinen Einsatz begründet Calabrese gerade mit dem sozialen Engagement der Truppe. "Die Aktivitäten der Mannschaft sind sehr wichtig für die Stadt - sportlich, sozial und kulturell. Das ist auch das Motiv, warum die Kommune sich als Garant einsetzt. Der Trainer und einige Spielerinnen kommen nicht nur aus anderen Regionen Italiens, sondern sogar aus dem Ausland. Wir wollen, dass sie hierbleiben können."
Ganz Italien steht hinter Sporting Locri
Mittlerweile will ganz Italien das Fortbestehen von Sporting Locri. Die nationalen Sportfunktionäre versprechen finanzielle Hilfe und Solidaritätsauftritte der Nationalmannschaft. Grund für die Aufmerksamkeit ist die Vermutung, dass hinter den Bedrohungen die Ndrangheta stecke. Nur in Locri selbst ist man anderer Auffassung.
"Für uns handelt es sich nicht um Ndrangheta. Leider werden wir immer mit diesem Etikett versehen, überall steht Ndranghteta drauf, selbst wenn sie gar nicht mit im Spiel ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frauenfußballmannschaft überhaupt jemandem stören könnte, und erst recht nicht die Ndrangheta, absolut nicht", meint die Spielerin Rosanna Rovito.
Selbst der unterklassige Fußball ist für die Geldwäsche wichtig
Es wäre tatsächlich das erste Mal, dass die kalabresische Verbrecherorganisation sich offen für den Frauenfußball interessiert. Im Männerfußball hingegen ist sie äußerst präsent. Viele Mannschaften in Kalabrien spiegelten geradezu die Clanstrukturen wider, meinte vor einigen Jahren spöttisch der Ndrangheta-Aussteiger Pietro Mesiani Mazzacuva. Ex-Mafiosi betonen immer wieder, wie wichtig selbst der unterklassige Fußball für Geldwäsche und für Respekt in der Bevölkerung ist. Und auch in der Wettbetrugsermittlung "Dirty Soccer" im Jahre 2014 tauchten Männer der Ndrangheta als Bestechungsbroker auf.
Ndrangheta im Frauenfußball wäre aber eine neue Qualität. Positiv gewendet könnte man sagen: Frauenfußball, verbunden noch mit sozialem Engagement, ist so wichtig geworden, dass selbst die Mafia sich dafür interessiert. Gegenwärtig ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft.
Sonntag ist Spieltag, basta
Die vorläufige Einschätzung von Bürgermeister Calabrese: "Leider ist die Ndrangheta in dieser Stadt präsent. Mir fällt es aber schwer zu glauben, dass die Ndrangheta sich für eine Frauenfußballmannschaft interessiert. Es wäre auch das erste Mal, dass die Ndrangheta mit kleinen Zetteln im Auto droht."
So unklar es ist, wer hinter den Bedrohungen steckt, so entschlossen setzen Rosanna Rovito und ihre Kolleginnen ihren Weg fort. Sonntag ist Spieltag, basta. "Wir erhoffen uns einen großartigen Tag des Sports, mit vielen Zuschauern, mit viel Solidarität und viel Freude."
Einen Sieg ihres Teams erhofft sich Rovito natürlich auch noch. Die Truppe war im letzten Jahr Zweite der Meisterschaft und will in dieser Saison trotz des Weggangs zweier Nationalspielerinnen wieder vorn mitmischen.