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Italien gegen Getty

Seit vier Jahren wird in Italien wegen eines schweren Kunstraubes gegen das Getty Museum in den USA prozessiert. Denn in den 80er- und 90er-Jahren verschwanden Tausende von griechischen, etruskischen und römischen Kostbarkeiten aus Italien und gelangten auf den antiken Kunstmarkt, der offenbar zutiefst mafiöse Strukturen aufweist.

Von Thomas Migge |
    "Die Objekte kamen aus Italien. Vor allem aus Etrurien, aus Mittel- aber auch aus Süditalien, Kampanien, Apulien und Sizilien. Alle Gegenstände verließen Italien ohne Exportdokumente, also auch ohne Ausfuhrgenehmigung. Unseren Gesetzen zufolge darf kein archäologischer Fund das Land verlassen."

    Und doch, weiß Kunsthistoriker Federico Castelli, haben in den 80er- und 90er-Jahren tausende von griechischen, etruskischen und römischen Kostbarkeiten Italien verlassen. Skulpturen, Vasen, Terrakotten, Schmuck und, und, und.
    Den Prozess um den größten italienischen Kunstdiebstahl, der nun schon seit vier Jahren in Rom läuft, verfolgt Castelli von Anfang an für das angesehene Kunstmagazin "Giornale dell'Arte":
    "Bei diesem Prozess steht Marion True im Zentrum der Verhandlungen. Der ehemaligen Verantwortlichen für archäologische Anschaffungen am Getty Museum wird vorgeworfen, in mindestens 42 Fällen, und es handelt sich um unschätzbare Meisterwerke antiker Kunst, mithilfe anderer Personen Raubkunst aus Italien aufgekauft zu haben. Vor den Kadi wurde auch Robert Hecht gestellt, ein international bekannter Kunsthändler."

    Der Prozess brachte bereits wichtige Erkenntnisse über die mafiösen Strukturen im internationalen Antikenhandel - etwa zur Rolle des bereits 1997 verhafteten Schweizer Kunsthändlers Emanuel Giacomo Medici. Er betrieb das weltweit größte und am besten organisierte Netzwerk für illegalen Kunsthandel. Medici war für Raubgrabungen und das Verschwinden tausender erstklassiger Grabungsfunde verantwortlich, die er an renommierte Kunden des internationalen Kunstmarkts verkaufte. 2004 wurde er wegen nachgewiesenen Handels mit gestohlenen Kunstwerken aus Italien zu zehn Jahren Haft und zehn Millionen Euro Geldstrafe verurteilt. Das war die höchste Geldstrafe, die jemals für illegalen Kunsthandel aus Italien verhängt wurde. Ein Signal, das nichts Gutes für die Angeklagte Marion True hoffen lässt.

    "Der Prozess zeigte zum ersten Mal, wie der internationale Kunsthandel für antike Raubkunst funktioniert. Ein perfekt funktionierendes System, von dem anscheinend viele wussten. Marion True steht nicht allein. So behauptet sie immer wieder, dass die gesamte Leitung des Museums, der Getty's Board of Directors, von den illegalen Anschaffungen gewusst habe. Sie erklärte, dass auch andere amerikanische Museen Raubkunst aufgekauft hätten, ganz bewusst; nicht nur das Getty."

    Der nun schon seit vier Jahren andauernde Prozess, über den in Italien regelmäßig berichtet wird, macht deutlich, dass gestohlene Kunst aus illegalen Grabungen auch an öffentliche europäische und japanische Sammlungen verkauft wurde. So verlangt das römische Kulturministerium zum Beispiel von der Ny Carlsberg Glyptothek in Kopenhagen die Rückgabe antiker Skulpturen. Eine Forderung, die bisher von den Dänen noch nicht erhört wurde.

    Das Verfahren in Rom wird noch lange dauern - da sind sich alle Prozessbeobachter einig, denn momentan werden die Anklagepunkte, die einzelnen vermeintlich als Raubkunst angekauften Kunstwerke, Fall für Fall von der Verteidigung studiert. Am Ende könnte eine Verurteilung der amerikanischen Kunsthistorikerin wegen der langjährigen Mittäterschaft am internationalen Kunstdiebstahl stehen - zu einer Geld- oder sogar zu einer Haftstrafe. True nimmt am Prozess selbst teil, sitzt aber nicht in Untersuchungshaft. Doch Prozessbeobachter wie Castelli sind sich einig, dass der "Processo True", wie er in den Medien genannt wird, schon einiges verändert habe:

    "Es wurden Abkommen zwischen dem italienischen Kulturministerium und den wichtigsten Museen weltweit auf eine mögliche Rückgabe nachweislich gestohlener Kunstwerke unterzeichnet. Eine verschärfte Kontrolle hat die Zahl der bekannt gewordenen Raubgrabungen deutlich reduziert. Man hat den Eindruck, dass der ungehinderte globale Kunstraub aus Italien über Kunsthändler in berühmte Museen, der von 1970 bis, sagen wir, 2000 andauerte, ein Ende gefunden hat."