Anne Raith: Das Tor zu Europa an der Südspitze der Insel Lampedusa soll an die Odyssee der Flüchtlinge erinnern, die sich meist aus Nordafrika auf den Weg machen, um über die italienische Insel das europäische Festland zu erreichen, und von denen viele von ihnen auf ihrer waghalsigen Überfahrt über das Mittelmeer ums Leben kommen. Heute Nacht ist erneut ein Boot mit 200 Flüchtlingen in Seenot geraten, bislang konnte nur ein Viertel von ihnen gerettet werden.
Betrachtet man die Entwicklungen der vergangenen Wochen, dann war das heutige Unglück in gewisser Weise eine Tragödie mit Ansage, eine, die in Tunesien begann, mit Tausenden jungen Menschen, die sich während und nach den Umbrüchen im eigenen Land auf den Weg gen Europa machten und auf Lampedusa strandeten, eine Entwicklung, die nun offenbar in Libyen ihren Fortgang findet. Vor der Sendung habe ich mit Manfred Weber gesprochen, er sitzt für die CSU im Innenausschuss des Europaparlaments. Ihn habe ich gefragt, ob die Europäische Union genug getan hat, um Katastrophen wie diese zu verhindern.
Manfred Weber: Die Katastrophe von heute Nacht, die rüttelt uns alle wach, dass wir wieder neu darauf schauen, was sich da an der Südgrenze Europas abspielt, und es betrifft auch uns Deutsche, weil die Menschen, die dort anlanden, die nach Lampedusa und nach Malta aufbrechen, die wollen ja nach Europa. Und wir haben es in den letzten Wochen mit einer neuen Situation zu tun, weil in den früheren Monaten Menschen aus Tunesien kamen, die üblicherweise Wirtschaftsflüchtlinge sind. Jetzt kommen Menschen aus Libyen, aus Bürgerkriegsgebieten, und da ist für uns Europäer klar, dass jetzt geholfen werden muss und dass wir diesen Menschen auch auf absehbare Zeit jetzt einen Daueraufenthalt geben müssen.
Raith: Wie muss den Menschen geholfen werden, damit, dass sie in Italien bleiben und festsitzen?
Weber: Die Maßnahmen sind vielfältig. Wir müssen zunächst in Libyen helfen. Es gibt ja auch Gebiete, die nicht umkämpft sind, und da muss jetzt humanitär geholfen werden. Es muss den beiden Nachbarstaaten geholfen werden. Ägypten und Tunesien brauchen Hilfe, um die Masse der Flüchtlinge, die dort das Land verlassen, auch unterbringen zu können. Diese beiden Maßnahmen laufen schon und nach meiner Einschätzung laufen die auch gut. Und als Drittes ist die Frage, wie gehen wir mit den Menschen um, die sich per Boot auf den Weg nach Europa machen. Und da muss klar sein, wenn die aus Libyen, aus umkämpften Gebieten kommen, haben sie das Recht, ähnlich wie damals bei Bosnien-Herzegowina, als wir Bürgerkrieg in Europa hatten, dann haben diese Menschen das Recht, hier Schutz und Hilfe zu erhalten, und dann müssen wir Europäer auch gemeinsam helfen.
Raith: Ein Recht, das Sie den Tausenden Tunesiern nicht zugestehen wollen, die derzeit auf Lampedusa leben?
Weber: In Tunesien ist es ja gelungen, den Umbruch friedlich hinzukriegen. Tunesien braucht jetzt Menschen, vor allem junge Menschen, die Demokratie, die einen neuen Staat aufbauen sollen, und deswegen kann es nicht unser Interesse sein, auch im Sinne von Tunesien, dass wir jetzt einfach Türen aufmachen und alle aufnehmen, die das Land verlassen wollen. Wir haben dort eine friedliche Situation und die Menschen haben dort Perspektive und wir müssen als Europäer uns vielmehr jetzt überlegen, wie wir sozusagen dort auch eine wirtschaftliche Perspektive den Menschen geben. Da geht es um Tourismus, da geht es um die Frage Wirtschaftskooperation, Öffnung auch des Europäischen Wirtschaftsraums ohne Zölle für diese Produkte aus Tunesien, um dort Entwicklung hinzukriegen.
Raith: Italien will Flüchtlinge aber mit Aufenthaltsgenehmigungen ausstatten, damit sie eben weiter nach Europa reisen können. Erpresst Italien hier unter dem Motto: Wenn wir die Bürde nicht alle gemeinsam schultern, dann bürde ich sie euch eben allen auf?
Weber: Bei den heutigen Zahlen, die wir bis heute haben, muss man schon auch den Italienern sagen: Wenn jetzt eine Größenordnung von 20.000 Flüchtlingen in Italien bisher angekommen ist, dann ist ein Land mit 60 Millionen Einwohnern bisher nicht überbelastet. Wir Deutschen hatten damals im Bosnienkrieg Hunderttausende aufgenommen, die dort geflohen sind aus dieser Bürgerkriegssituation, und insofern muss man schon differenzieren. Zum Beispiel ein Land wie Malta, das eine kleine Insel ist und kein Hinterland hat, so ein kleines Land ist mit ein paar Hundert Flüchtlingen schon massiv überbelastet. Und deswegen muss man differenzieren. Ich würde mich dafür aussprechen, dass Deutschland, dass auch die deutsche Regierung entscheidet, wir nehmen aus Malta auf freiwilliger Basis jetzt Flüchtlinge auf, um dort wirklich Solidarität zu zeigen. Aber den Italienern muss man auch klar sagen, dass aufgrund der aktuellen Zahlen sie nicht überbelastet sind und deswegen auch die Last im Moment tragen können.
Raith: Aber, Herr Weber, ganz offensichtlich wird Italien ja nicht Herr der Lage. Frankreich kontrolliert jetzt wieder die Grenzen. Muss man sich nicht einschalten?
Weber: Europa schaltet sich ja ein. Wir haben Spielregeln vereinbart, wie in Europa mit Flüchtlingen umzugehen ist, und Italien hat diese Spielregeln akzeptiert.
Raith: Aber offensichtlich hält es sie die nicht ein, wenn wir nach Lampedusa blicken.
Weber: Dann muss die Kommission dafür sorgen, dass das Recht, das wir in Europa haben, auch umgesetzt wird. Ich kann nicht akzeptieren, dass wir sozusagen jemandem dann nachgeben, weil er Spielregeln nicht einhält. Das gilt für Griechenland an der türkischen Grenze, da haben wir nach wie vor auch Probleme, und das gilt auch im Lampedusa-Fall. Spielregeln, das heißt menschenwürdiger Umgang, das heißt menschenwürdige Behandlung der Flüchtlinge. All diese Themen sind bestehendes europäisches Recht und die sind von Italien zu akzeptieren. Übrigens bekommt Italien auch viel Geld von der Europäischen Union, um diese Last zu tragen. Da werden Millionen überwiesen, und deswegen können wir in Europa schon zurecht fordern, dass Italien da jetzt ordentlich mit dem Problem umgeht.
Raith: Aber ausgetragen werden diese Streitigkeiten, diese innereuropäischen Streitigkeiten ja letztlich auf dem Rücken der Flüchtlinge.
Weber: Ich würde zunächst mal schon sagen, dass mit den Menschen, die dort anlanden, weil auch Frontex-Beamte, also europäische Beamte dort im Einsatz sind, ordentlich umgegangen wird, dass die aufgenommen werden, dass die auch in Camps kommen, so weit die verfügbar sind, dass sie dort also in Camps kommen, aber dann muss schon auch möglich sein, dass wir differenzieren zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und Bürgerkriegsflüchtlingen. Und wenn wir nach wie vor aus Tunesien einen großen Zustrom haben, dann sage ich als Europaabgeordneter, dann muss auch Rückführung möglich sein. Wir können nicht die Türen öffnen für alle, die zu uns kommen wollen, weil wir sonst auch bei unseren Menschen in Europa keine Akzeptanz mehr haben für die Menschen, die wirklich unsere Hilfe brauchen, nämlich aus Bürgerkriegsgebieten. Diese Unterscheidung zwischen Menschen, die wirklich unsere Hilfe brauchen, weil dort Krieg herrscht, weil dort Bürgerkrieg herrscht, und den Menschen, die aus rein wirtschaftlichen Gründen kommen, die Differenzierung muss Europa, muss Italien, müssen wir alle vornehmen.
Betrachtet man die Entwicklungen der vergangenen Wochen, dann war das heutige Unglück in gewisser Weise eine Tragödie mit Ansage, eine, die in Tunesien begann, mit Tausenden jungen Menschen, die sich während und nach den Umbrüchen im eigenen Land auf den Weg gen Europa machten und auf Lampedusa strandeten, eine Entwicklung, die nun offenbar in Libyen ihren Fortgang findet. Vor der Sendung habe ich mit Manfred Weber gesprochen, er sitzt für die CSU im Innenausschuss des Europaparlaments. Ihn habe ich gefragt, ob die Europäische Union genug getan hat, um Katastrophen wie diese zu verhindern.
Manfred Weber: Die Katastrophe von heute Nacht, die rüttelt uns alle wach, dass wir wieder neu darauf schauen, was sich da an der Südgrenze Europas abspielt, und es betrifft auch uns Deutsche, weil die Menschen, die dort anlanden, die nach Lampedusa und nach Malta aufbrechen, die wollen ja nach Europa. Und wir haben es in den letzten Wochen mit einer neuen Situation zu tun, weil in den früheren Monaten Menschen aus Tunesien kamen, die üblicherweise Wirtschaftsflüchtlinge sind. Jetzt kommen Menschen aus Libyen, aus Bürgerkriegsgebieten, und da ist für uns Europäer klar, dass jetzt geholfen werden muss und dass wir diesen Menschen auch auf absehbare Zeit jetzt einen Daueraufenthalt geben müssen.
Raith: Wie muss den Menschen geholfen werden, damit, dass sie in Italien bleiben und festsitzen?
Weber: Die Maßnahmen sind vielfältig. Wir müssen zunächst in Libyen helfen. Es gibt ja auch Gebiete, die nicht umkämpft sind, und da muss jetzt humanitär geholfen werden. Es muss den beiden Nachbarstaaten geholfen werden. Ägypten und Tunesien brauchen Hilfe, um die Masse der Flüchtlinge, die dort das Land verlassen, auch unterbringen zu können. Diese beiden Maßnahmen laufen schon und nach meiner Einschätzung laufen die auch gut. Und als Drittes ist die Frage, wie gehen wir mit den Menschen um, die sich per Boot auf den Weg nach Europa machen. Und da muss klar sein, wenn die aus Libyen, aus umkämpften Gebieten kommen, haben sie das Recht, ähnlich wie damals bei Bosnien-Herzegowina, als wir Bürgerkrieg in Europa hatten, dann haben diese Menschen das Recht, hier Schutz und Hilfe zu erhalten, und dann müssen wir Europäer auch gemeinsam helfen.
Raith: Ein Recht, das Sie den Tausenden Tunesiern nicht zugestehen wollen, die derzeit auf Lampedusa leben?
Weber: In Tunesien ist es ja gelungen, den Umbruch friedlich hinzukriegen. Tunesien braucht jetzt Menschen, vor allem junge Menschen, die Demokratie, die einen neuen Staat aufbauen sollen, und deswegen kann es nicht unser Interesse sein, auch im Sinne von Tunesien, dass wir jetzt einfach Türen aufmachen und alle aufnehmen, die das Land verlassen wollen. Wir haben dort eine friedliche Situation und die Menschen haben dort Perspektive und wir müssen als Europäer uns vielmehr jetzt überlegen, wie wir sozusagen dort auch eine wirtschaftliche Perspektive den Menschen geben. Da geht es um Tourismus, da geht es um die Frage Wirtschaftskooperation, Öffnung auch des Europäischen Wirtschaftsraums ohne Zölle für diese Produkte aus Tunesien, um dort Entwicklung hinzukriegen.
Raith: Italien will Flüchtlinge aber mit Aufenthaltsgenehmigungen ausstatten, damit sie eben weiter nach Europa reisen können. Erpresst Italien hier unter dem Motto: Wenn wir die Bürde nicht alle gemeinsam schultern, dann bürde ich sie euch eben allen auf?
Weber: Bei den heutigen Zahlen, die wir bis heute haben, muss man schon auch den Italienern sagen: Wenn jetzt eine Größenordnung von 20.000 Flüchtlingen in Italien bisher angekommen ist, dann ist ein Land mit 60 Millionen Einwohnern bisher nicht überbelastet. Wir Deutschen hatten damals im Bosnienkrieg Hunderttausende aufgenommen, die dort geflohen sind aus dieser Bürgerkriegssituation, und insofern muss man schon differenzieren. Zum Beispiel ein Land wie Malta, das eine kleine Insel ist und kein Hinterland hat, so ein kleines Land ist mit ein paar Hundert Flüchtlingen schon massiv überbelastet. Und deswegen muss man differenzieren. Ich würde mich dafür aussprechen, dass Deutschland, dass auch die deutsche Regierung entscheidet, wir nehmen aus Malta auf freiwilliger Basis jetzt Flüchtlinge auf, um dort wirklich Solidarität zu zeigen. Aber den Italienern muss man auch klar sagen, dass aufgrund der aktuellen Zahlen sie nicht überbelastet sind und deswegen auch die Last im Moment tragen können.
Raith: Aber, Herr Weber, ganz offensichtlich wird Italien ja nicht Herr der Lage. Frankreich kontrolliert jetzt wieder die Grenzen. Muss man sich nicht einschalten?
Weber: Europa schaltet sich ja ein. Wir haben Spielregeln vereinbart, wie in Europa mit Flüchtlingen umzugehen ist, und Italien hat diese Spielregeln akzeptiert.
Raith: Aber offensichtlich hält es sie die nicht ein, wenn wir nach Lampedusa blicken.
Weber: Dann muss die Kommission dafür sorgen, dass das Recht, das wir in Europa haben, auch umgesetzt wird. Ich kann nicht akzeptieren, dass wir sozusagen jemandem dann nachgeben, weil er Spielregeln nicht einhält. Das gilt für Griechenland an der türkischen Grenze, da haben wir nach wie vor auch Probleme, und das gilt auch im Lampedusa-Fall. Spielregeln, das heißt menschenwürdiger Umgang, das heißt menschenwürdige Behandlung der Flüchtlinge. All diese Themen sind bestehendes europäisches Recht und die sind von Italien zu akzeptieren. Übrigens bekommt Italien auch viel Geld von der Europäischen Union, um diese Last zu tragen. Da werden Millionen überwiesen, und deswegen können wir in Europa schon zurecht fordern, dass Italien da jetzt ordentlich mit dem Problem umgeht.
Raith: Aber ausgetragen werden diese Streitigkeiten, diese innereuropäischen Streitigkeiten ja letztlich auf dem Rücken der Flüchtlinge.
Weber: Ich würde zunächst mal schon sagen, dass mit den Menschen, die dort anlanden, weil auch Frontex-Beamte, also europäische Beamte dort im Einsatz sind, ordentlich umgegangen wird, dass die aufgenommen werden, dass die auch in Camps kommen, so weit die verfügbar sind, dass sie dort also in Camps kommen, aber dann muss schon auch möglich sein, dass wir differenzieren zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und Bürgerkriegsflüchtlingen. Und wenn wir nach wie vor aus Tunesien einen großen Zustrom haben, dann sage ich als Europaabgeordneter, dann muss auch Rückführung möglich sein. Wir können nicht die Türen öffnen für alle, die zu uns kommen wollen, weil wir sonst auch bei unseren Menschen in Europa keine Akzeptanz mehr haben für die Menschen, die wirklich unsere Hilfe brauchen, nämlich aus Bürgerkriegsgebieten. Diese Unterscheidung zwischen Menschen, die wirklich unsere Hilfe brauchen, weil dort Krieg herrscht, weil dort Bürgerkrieg herrscht, und den Menschen, die aus rein wirtschaftlichen Gründen kommen, die Differenzierung muss Europa, muss Italien, müssen wir alle vornehmen.