Libyen ist Italien näher als viele der europäischen Nachbarn. Nur wenige hundert Kilometer liegen zwischen Sizilien und Tripolis. Dazwischen: Das Meer, über das auch in diesem Jahr wieder knapp 100.000 Menschen nach Italien gekommen sind.
Die beiden Länder verbindet außerdem eine lange Geschichte – Italien war einmal Kolonialmacht des Landes, später dann wichtiger Handelspartner und Verbündeter in Flüchtlingsfragen. Das war noch zu Zeiten von Machthaber Gaddafi.
Was in Libyen passiert, ist also für Italien von besonderer Bedeutung, das gilt auch heute noch, da Gaddafi gestürzt ist, Libyen im Chaos versinkt und wieder Tausende Flüchtlinge übers Mittelmeer nach Italien kommen. Trotz der wachsenden Gefahr durch die Terroristen des IS, betonte Ministerpräsident Matteo Renzi stets:
"Wir sind bereit, im sozialen Bereich zu helfen und Libyen dabei zu unterstützen, eine Polizei und internationale Beziehungen aufzubauen. Aber wir werden nicht eines Tages aufstehen und einfach bombardieren, so wie einige sich das wünschen."
Vergangene Woche aber haben die USA angekündigt, ihren Einsatz gegen die Terrormiliz IS auf Libyen auszuweiten – und Italien hat Unterstützung zugesagt, zumindest logistischer Natur. Die Vorbereitungen auf den sizilianischen Luftwaffenstützpunkten laufen – nicht ohne Widerstand, wie Karl Hoffmann von dort berichtet.
Sebastiano Finocchiaro wird demnächst 85. Alt genug, um sich an die Anfänge der Militärbasis von Sigonella zu erinnern:
"Der Flughafen wurde während des Zweiten Weltkriegs für militärische Zwecke erbaut. Viele Bauern wurden deshalb enteignet. Anfangs war es aber ein relativ unwichtiger Militärflughafen."
Das änderte sich, als in den 50er-Jahren die ersten amerikanischen Kampfflugzeuge in Sigonella stationiert wurden. Heute gilt Sigonella, nur wenige Kilometer von Catania am Fuße des Vulkans Ätna gelegen, als einer der wichtigsten Militärstützpunkte der gesamten Nato. In dem aber, inoffiziell zumindest, die US-Truppen das Sagen haben.
Wichtigster Militärstützpunkt der NATO
Von hier aus starten seit einigen Jahren Drohnen und ferngelenkte Aufklärungsflugzeuge, die den zentralen Mittelmeerraum und die nordafrikanischen Krisengebiete überwachen. Bisher ohne Zerstörungswaffen an Bord. Zur Bombardierung der IS-Stellungen im 400 Kilometer entfernten Libyen setzen die amerikanischen Streitkräfte derzeit Jagdbomber aus Militärbasen in Jordanien, oder von Flugzeugträgern südlich der sizilianischen Küste ein. Doch das soll sich nun ändern, wie Italiens Verteidigungsministerin Roberta Pinotti letzte Woche im römischen Parlament ankündigte.
"Die Regierung ist bereit, einer Nutzung der italienischen Militärbasen und des nationalen Luftraums zuzustimmen. Damit sollen Operationen in Libyen unterstützt werden, um diese effizienter und schneller zu Ende zu bringen."
Formal hat Italien die Oberhoheit über alle Militärbasen im Lande. Doch vor allem in Süditalien tut sich die Regierung schwer, dem massiven Druck der Militärstrategen der Nato und speziell der USA standzuhalten. Zu wichtig ist ihre geopolitische Lage, als dass Sizilien und die umliegenden Inseln lediglich als Urlaubsparadies oder als rettender Hafen für Flüchtlinge genützt würden. Obwohl die Bevölkerung protestiert.
Protest der Anwohner
Seit Jahren führen die Bewohner von Niscemi, einem idyllischen Städtchen westlich von Sigonella, einen verzweifelten Kampf gegen den Bau riesiger Parabolantennen in einem Naturschutzgebiet. Eine von weltweit vier Bodenstationen des Satelliten-Überwachungssystems MUOS der amerikanischen Streitkräfte soll hier entstehen - sozusagen das Herzstück der künftigen Kriegführung mit Drohnen und unbemannten Bomberflugzeugen. Auch auf Lampedusa wehrt sich eine Bürgerbewegung gegen die Invasion - nicht von Migranten, sondern von Militäranlagen. An der Westspitze der Insel, seit jeher militärisches Sperrgebiet, ist ein riesiger Antennenwald entstanden.
Militär ist auch auf der Nachbarinsel Pantelleria stationiert. Ebenso wie am Flughafen von Trapani im Westen Siziliens. Die einzige Start- und Landebahn wird, wenn Kampfflugzeuge von hier aus Nato-Angriffe fliegen, kurzerhand für Urlauberjets gesperrt. Catania hat zwar einen eigenen Zivilflughafen. Wenn aber erst die mit Bomben bestückten Drohnen vom nahegelegenen Sigonella aus Richtung Libyen fliegen, dann wird es im Luftraum rund um den Ätna eng.
Luftraum wird eng
Kritisch ist die Situation aber vor allem auf politischer Ebene. Die Opposition im Parlament protestiert bereits lautstark gegen die angekündigte Zustimmung zum amerikanischen Militäreinsatz, direkt von der Urlaubsinsel Sizilien ins nahe libysche Kriegsgebiet.
Die italienische Regierung ist in der Zwickmühle. Einerseits muss sie dem Drängen auf zumindest logistische Unterstützung beim Kampf gegen die Truppen des IS nachgeben. Andererseits muss sie sich nun auf mögliche Racheakte islamischer Terroristen einstellen, von denen Italien bislang wie durch ein Wunder verschont geblieben ist. Es sei die Ruhe vor dem Sturm, sagt der alte Sizilianer, Signor Finocchiaro:
"Ich halte das für puren Wahnsinn. Warum sollen wir uns in einen Krieg einmischen, der uns nichts angeht. Natürlich kann das jetzt zum Anlass für Terroristen werden, Racheakte zu verüben; die Gelegenheit, auf die sie nur gewartet haben. Sie haben ja schon mal verkündet, in Rom Attentate zu verüben. Oder vielleicht erst mal bei uns Sizilien?"