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Italien
Matteo Renzi unter Reformdruck

Die politischen Gegner des neuen italienischen Ministerpräsidenten haben Matteo Renzi mit Wohlwollen als Regierungschef angenommen. Dahinter steckt Kalkül: Silvio Berlusconi etwa könnte darauf spekulieren, dass sich der junge Regierungschef in den nächsten Monaten verschleißt. Denn die Probleme des Landes sind enorm und Renzi hat keinen Zauberstab.

Von Kirstin Hausen |
    Bologna, gestern Nachmittag. Mitglieder der Demokratischen Partei kritisieren auf einem Treffen mit der Basis die neue Regierung. Vor allem die Absage von Matteo Renzi bezüglich Neuwahlen stößt auf Unverständnis.
    "Wir hatten die Hoffnung, er könne unsere Partei zum Wahlsieg führen. Dafür braucht es aber Wahlen! Die Situation heute ist aber nicht nur für uns ein Problem, sondern auch für Matteo Renzi selbst. Er ist dort, wo er jetzt ist, weil er politisch verbrannt werden soll!"
    Der Vorwurf dieses Abgeordneten der Demokratischen Partei richtet sich an die politischen Gegner, die Matteo Renzi mit Wohlwollen als neuen Regierungschef angenommen haben. Darunter auch Silvio Berlusconi, der sich nach einem Treffen mit Renzi auffallend positiv geäußert hatte. Berlusconi könnte darauf spekulieren, dass sich der junge Regierungschef in den nächsten Monaten verschleißt. Denn die Probleme des Landes sind enorm und Renzi hat keinen Zauberstab. So wäre sein Stern bereits erloschen, bevor die nächsten Wahlen anstehen. Und Berlusconi hätte ihn besiegt, ohne überhaupt gegen ihn angetreten zu sein.
    Obwohl Berlusconi rechtskräftig verurteilt ist und seinen Sitz im Senat räumen musste, bestimmt er die italienische Politik nach wie vor mit. Nun verlangen er und seine Getreuen von Matteo Renzi Reformen, die sie selbst in den Jahren ihrer Amtszeit nicht angegangen sind. Der Forza-Italia-Abgeordnete Giovanni Toti:
    "Wir sind in der Opposition und wir wollen Reformen. Wenn diese Regierung Italien reformiert, dann hat sie unsere Unterstützung. Wichtig ist, dass sie diesen Weg einschlägt und daran keinen Zweifel lässt."
    Wahlrechtsreform, Arbeitsmarktreform, eine Umstrukturierung der öffentlichen Verwaltung und ein radikaler Abbau der Bürokratie – für Italien wären das Meilensteine. Matteo Renzi verkündet, nun werde alles anders, aber kann er seine Versprechen auch halten? Die italienischen Medien sind skeptisch, bemängeln die geringe politische Erfahrung der Kabinettsmitglieder. "Alles lastet auf Renzis Schultern" schreibt der Corriere della Sera aus Mailand. Und "La Stampa" aus Turin bezweifelt, dass die Regierung die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Krieg in den Griff bekommt. Auch viele Bürger fragen sich, was sich denn wirklich ändern wird im Vergleich zur Regierung Letta.
    "Wir haben doch nur ein anderes Gesicht an der Spitze. Es steht für die Politik, die auch Letta verkörpert hat", sagt ein Mann.
    Eine Frau ergänzt: "Mich interessiert nicht, wie lange dies Regierung im Amt bleibt. Mich interessiert, dass die öffentlichen Ausgaben gekürzt werden, dass die Abgaben auf Löhne und Gehälter sinken, damit das Ausland wieder in Italien investiert. Aber das Problem ist doch, wie will er das machen?!"
    Wenn Matteo Renzi heute im Parlament das Vertrauen der Mehrheit der Abgeordneten kassiert, dann ist das nach der Regierung Monti 2011 und der Regierung Letta 2013 das dritte Kabinett, das ohne Legitimation durch Wahlen zustande gekommen ist. Für die meisten Italiener ist das ein entscheidender Schwachpunkt.
    "Das ist schon wieder ein Regierungschef, der gar nicht gewählt wurde."
    "Die Situation ist dramatisch und deshalb ist es zu wünschen, dass er Erfolg hat. Auch wenn die Art und Weise, wie er an die Macht gekommen ist, mich verwirrt hat."
    "Für mich kann er drei Jahre lang regieren, wenn er endlich ernst macht mit den Reformen. Aber dafür braucht er auch die Zustimmung der anderen Parteien."
    Die jedoch fehlt. Der ehemalige Komiker Beppe Grillo, dessen Fünf-Sterne-Bewegung stark im Parlament vertreten ist, fertigte den neuen Regierungschef als Teil der Kaste ab, die er bekämpfe. So muss sich Renzi auf die gleichen Koalitionspartner verlassen wie sein Vorgänger Letta oder gar Silvio Berlusconis Forza Italia einbinden. Die nächste Regierungskrise ist vorprogrammiert.