In Palermo ist man an viele Migranten gewöhnt. In vielen Stadtvierteln, zum Beispiel rund um den Ballarò-Markt gehören Migranten aus Südsahara-Staaten fest zum Stadtbild dazu. Immer wieder legen im Hafen von Palermo die Schiffe an mit auf dem Mittelmeer geretteten Migranten. Das ist fast schon Routine, aber vor ein paar Wochen, Mitte Oktober war das Thema dann doch wieder in den Medien: Die Aquarius, das Schiff der Nichtregierungsorganisation SOS Méditerranée hatte angelegt: An Bord waren nicht nur 365 erwachsene Migranten, sondern auch 241 Minderjährige, Jugendliche, Kinder. Das ist dann auch in Palermo, wo man viel Erfahrung mit der Erstversorgung hat, der Ausnahmezustand.
Das Problem, dass Italien, dass auch Palermo hat, ist die Verteilung der Migranten: Es gibt zu wenige Plätze in den Aufnahmezentren. Viele Regionen, vor allem im Norden Italien sind unsolidarisch – und so trägt Sizilien die größte Last der Krise, die längst keine Krise mehr ist, sondern seit Jahren der Normalzustand.
Palermo war schon immer weltoffen
Auch in Palermo gibt es Probleme, die mit der Migration zusammenhängen. Frauen aus Afrika werden in der Prostitution ausgebeutet. Männer arbeiten für einen Hungerlohn, zum Beispiel in der Landwirtschaft. Viele Migranten haben keinen festen Wohnsitz und schlagen sich durch. Aber es gibt auch viel Solidarität, Initiativen, in denen versucht wird, den Migranten zu helfen. Denn Palermo, die alte Hafenstadt war schon immer weltoffen. Fast könnte man meinen, Fremdenfeindlichkeit ist hier ein Fremdwort.
Mittendrin ist Leoluca Orlando, ein Bürgermeister, der harte Kämpfe gewohnt ist. Schon lange steht er im Kampf gegen die Cosa Nostra, die Mafia auf Sizilien in vorderster Front, ob in als Abgeordneter in Rom, im Europaparlament oder in bisher vier Amtszeiten als Bürgermeister von Palermo. Über viele Jahre galt Orlando als einer der am meisten gefährdeten Politiker Italiens.
Die Situation auf dem Mittelmeer macht ihn wütend: Angesichts von wieder fast 3.000 Toten Flüchtlingen in diesem Jahr sprach er vor kurzem von einem Völkermord. Und so, wie sich Europa angesichts des Elends verhalte, schäme er sich, Europäer zu sein. Der Mann weiß, wovon er redet: Er erlebt die Migrationskrise in seiner Heimatstadt. Jeden Tag.