"Das ist nicht das Ende linker Politik", hat Matteo Renzi am Tag nach seiner Wahl zum Generalsekretär der Demokratischen Partei versichert. Erneuerer oder Hassfigur? Matteo Renzi ist in seiner Partei umstritten, besonders bei den Mitgliedern, die politisch in der früheren Kommunistischen Partei groß geworden sind und Werte verteidigen, die Matteo Renzi gänzlich abgehen.
Der 39-jährige Regierungschef hat in seinem Leben noch nie die "Internazionale" gesungen und auf keiner Demonstration die linke Faust erhoben. Er war Pfadfinder, kein Studentenführer. Für Ideologie hat er nichts übrig, stattdessen ist er Pragmatiker. Der Politikwissenschaftler Paolo Natale von der Universität Mailand:
"Renzi wird von den Intellektuellen angegriffen, weil sein Politikstil oberflächlich wirkt. Er diskutiert auch nicht alles aus, sondern schafft Tatsachen. Auf der anderen Seite ist er für viele eine Art letzte Hoffnung. Sowohl für Italien als auch für die Linken, denen die Wähler verloren gingen."
Zustimmung von Altlinken
Umfragen belegen, dass die Demokratische Partei mit Renzi an der Spitze wieder zulegt, nachdem sie in den vergangenen Monaten kontinuierlich Wähler verloren hatte. Dass Matteo Renzis mediales Auftreten dem von Silvio Berlusconi ähnelt, darüber sehen geläuterte Alt-Linke wie Franco Bastaroli inzwischen hinweg. Zwei Maßnahmen haben Bastaroli, den früheren Aktivisten der Kommunistischen Partei, dazu gebracht, sich hinter Renzi zu stellen.
Zum einen hat die Regierung die Lohn- und Einkommenssteuer für Geringverdiener um monatlich 80 Euro gesenkt. Zehn Millionen Angestellte mit einem Jahreseinkommen unter 25.000 Euro profitieren davon. Zum anderen hat sie die Steuer auf Gewinne aus Börsengeschäften, ausgenommen italienische Staatsanleihen, erhöht. Franco Bastaroli, 74 Jahre alt, Rentner, Vater und Großvater, ist beeindruckt.
"Das ist heute sozialistische Politik, nicht die roten Fahnen von früher. Ich bewundere Renzi inzwischen, weil er auf eine ganz einfache, bürgernahe Weise die Hoffnungen einer ganzen Generation verkörpert. Nicht die meiner Generation, wir sind auf ganzer Linie gescheitert, aber die der jungen Generation, die heute keinen Arbeitsplatz findet."
Eine Reform pro Monat
Matteo Renzi hat den Italienern eine Reform pro Monat versprochen. Als nächstes will er den Senat, die zweite vom Volk gewählte Abgeordnetenkammer, in eine Länderkammer nach deutschem Vorbild verwandeln. So würden die Senatoren von den Regionen nach Rom geschickt und auch von den Regionen für ihre Arbeit bezahlt. Das würde Kosten sparen und den Gesetzgebungsprozess beschleunigen.
Das Projekt stößt auf heftigen Widerstand in den Reihen der linken Intellektuellen. Sie sehen die Demokratie in Gefahr, weil die Senatoren dann nicht mehr direkt vom Volk gewählt werden. Doch viele Bürger stimmen mit Renzi darin überein, dass der Senat dringend verschlankt werden muss, wenn nicht ganz abgeschafft. In der Bevölkerung keimt allgemein wieder Hoffnung auf, dass ein Wandel möglich ist. Das Statistikinstitut ISTAT verzeichnet im April erstmals ein gestiegenes Vertrauen der italienischen Familien in die Regierung und in ihren Ministerpräsidenten.
"Wir müssen ihm Zeit geben, aber ich bin vorsichtig optimistisch", sagt Marco Tronchetto, 28 Jahre alt, Automechaniker. Er stammt aus einer Arbeiterfamilie, die sich politisch immer links verortet hat. Doch mit den alten Slogans, die sein Vater noch skandierte, identifiziert er sich nicht. Er empfindet die Politik des jungen Regierungschefs als konkret und im Interesse der Bürger. Linke Intellektuelle kritisieren Renzis Maßnahmen dagegen als "Effekthascherei". 80 Euro mehr in der Lohntüte seien Almosen, aber keine soziale Gerechtigkeit. Marco Tronchetto lächelt leicht gequält. 80 Euro sind besser als nichts, sagt sein Blick.