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Italien wehrt sich gegen Grenzkontrollen
"Es gibt keine Flüchtlingsmassen in Südtirol"

Österreich rüstet sich gegen mögliche Flüchtlinge aus Italien. Noch ist zwar nicht klar, ob und wann die kommen könnten, das Land will aber vorbereitet sein und lässt am Brenner schon mal die Zaunbefestigungen aufstellen. Aus italienischer Sicht ein völlig unnötiges Vorgehen.

Von Tilmann Kleinjung |
    Die Grenze zwischen Österreich und Italien in Tirol
    Die Grenze zwischen Österreich und Italien in Tirol - bald vielleicht mit Zaun (picture alliance/dpa/Jan Hetfleisch)
    Misstrauisch beobachtet Italien, wie Österreich den Brenner auf den Ernstfall vorbereitet. Gerade werden Vorrichtungen für einen Maschendrahtzaun installiert, der den Alpenpass auf einer Länge von etwa 400 Meter undurchlässig machen soll.
    Italiens Innenminister Angelino Alfano hält diese Bauarbeiten für Geldverschwendung. Das hat er gestern auch seinem österreichischen Amtskollegen Wolfgang Sobotka in Rom erklärt.
    "Bei den Grenzübertritten von Flüchtlingen von Italien nach Österreich haben wir, seit Schengen besteht, ein Rekordtief erreicht", betonte Alfano.
    "Es sind mehr Flüchtlinge, die über Österreich nach Italien kommen. Und diese schicken wir natürlich wieder zurück."
    Keine Belege für neue Fluchtrouten
    Die Sorge, dass mit der Blockade der Balkanroute deutlich mehr Flüchtlinge wieder über Libyen und Sizilien Europa erreichen, hält Italien für unbegründet. In den ersten vier Monaten dieses Jahres seien genauso viele Bootsflüchtlinge angekommen wie im Jahr zuvor und deutlich weniger als im Jahr 2014. Vor allem gibt es bisher noch keine Bestätigung für eine Verlagerung von Fluchtrouten von Ost nach West - so wie sie der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere befürchtet, der heute von einer Ausweichroute über Libyen sprach.
    Fast alle Flüchtlinge, die in diesem Jahr Italien über das Mittelmeer erreicht haben, stammen aus Ländern Westafrikas oder Ostafrikas. Auch die Einschätzung, dass hunderttausende Migranten an den Küsten Libyens auf die Abfahrt nach Sizilien warten, will Italien nicht bestätigen.
    Außenminister Paolo Gentiloni forderte Österreich auf, auf die geplanten Kontrollen am Brenner zu verzichten:
    "Es gibt in Südtirol keine Flüchtlingsmassen, die die Grenzen des Brenners stürmen", so Gentiloni. "Die Botschaft, die wir schon vor Tagen an Österreich geschickt haben, ist: Man darf eine solche Entscheidung für einen Ort, der so geschichtsträchtig ist, so symbolhaft ist, nicht treffen!"
    Gentiloni musste mittlerweile eine Fehleinschätzung aber einräumen. Er habe die Ankündigung Österreichs, wieder Grenzkontrollen am Brenner einzuführen, als Wahlkampfmanöver unterschätzt und nicht ernst genommen.
    Tourismus wird leiden
    Doch spätestens, seit die österreichische Polizei konkrete Pläne für Grenzschließung und Fahrzeugkontrollen vorgestellt hat, ist den Politikern in Italien klar: Die meinen das ernst. Gestern in Rom bestätigte der österreichische Innenminister Sobotka, man werde in jedem Fall "Sichtkontrollen bei Fahrzeugen" durchführen. Besonders skeptisch sieht man diese Maßnahmen direkt hinter der österreichisch-italienischen Grenze in Südtirol.
    "Wir zählen in Südtirol sechs Millionen touristische Ankünfte jährlich", sagt Luciano Partacini von der Handelskammer Bozen. "Davon kommen dreieinhalb Millionen über den Brenner. Und besonders im Sommer in der Hochsaison wird es zu Staus und Zeitverlusten kommen. Und wir gehen davon aus, dass viele Urlauber diese Zeitverluste nicht in Kauf nehmen werden."
    Völlig unbegründet scheinen die Sorgen Österreichs und Deutschlands nicht. In den vergangenen Jahren hat Italien wenig unternommen, um eine Weiterreise von nicht registrierten Flüchtlingen Richtung Norden zu verhindern. Doch mit den Hotspots, die in verschiedenen Häfen Siziliens und Apuliens eingerichtet wurden, soll das verhindert werden.
    "Es gab Schwachpunkte bei uns", gibt auch Innenminister Alfano zu.
    Doch mittlerweile würden alle ankommenden Flüchtlinge identifiziert und registriert.