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Italien will Textil-Konkurrenz aus Fernost klein halten

Wie viel Protektionismus darf die Europäische Union betreiben? Die Mitgliedstaaten sind sich uneins. Anlass: der Import-Stopp, den Brüssel diese Woche für die Einfuhr von Textilien aus China verhängt hat. Die einen fordern, mehr Einfuhren aus China zuzulassen, die anderen hoffen auf neue Import-Beschränkungen. Zu letzteren gehört Italien. Karl Hoffmann berichtet.

25.08.2005
    Deutschland, die Niederlande, Schweden und Dänemark fordern, mehr Einfuhren aus China zuzulassen, denn die Textilbranche in diesen Ländern klagt über hohe Verluste durch den Import-Stopp. Die südeuropäischen Staaten, in denen die Textilbranche ein einflussreicher Wirtschaftszweig ist, hoffen dagegen auf neue Import-Beschränkungen, um die Konkurrenz auf Fernost möglichst klein zu halten.

    Markttag in einem kleinen Ort in der italienischen Provinz. Zwischen Fischhändlern und Gemüseverkäufern findet man günstige Schuhe und jede Menge Textilien. Das Angebot ist meist gemischt:

    "Wir haben italienische und chinesische Ware, die italienische ist natürlich besser. Die Sachen aus Fernost sind dafür aber billiger. Manche Kunden wollen nur einheimische, andere wieder nur chinesische Ware."

    Der Nachbar mit den Damenblusen und Herrenshorts hat da ganz andere Erfahrungen gemacht.

    "Die chinesische Ware taugt nicht viel und die Leute kaufen sie deshalb nicht. Ich habe versucht, Sachen aus China ins Angebot zu nehmen, aber die Kunden konnten sich dafür nicht erwärmen. Jetzt liegt ein ganzer Stapel unverkäuflicher Ware aus China bei mir zu Hause. Ich kann es mir nicht erlauben meine Stammkundschaft zu vergraulen."

    Seit 35 Jahren bietet Khaled aus Marokko seine Ware auf den italienischen Wochenmärkten an. Seiner Meinung nach regelt sich das Problem der Importware von selbst: der Kunde entscheidet ob er lieber billige Ware, die dafür nichts taugt oder hausgemachte Qualitätsprodukte erwirbt. Khaled hat aber noch einen anderen Grund, nur made in Italy zu verkaufen. Mit chinesischer Ware würde er als Immigrant leicht seinen Ruf aufs Spiel setzen, denn Billigverkäufer aus dem Ausland sind den altgedienten italienischen Markthändlern inzwischen ein rechter Dorn im Auge, weil sie ihrer Meinung nach auch keine Steuern bezahlen.

    "Wenn das so weitergeht mit der Billigware, dann bleiben am Ende nur noch die Ausländer auf den Marktplätzen übrig. Die Chinesen stellen zum Beispiel keine einzige Rechnung aus. Ich muss Strafe zahlen, wenn ich keinen Kassenbon ausstelle aber die chinesischen Verkäufer, die noch nicht mal eine Registrierkasse haben, die lässt man in Ruhe."

    Nach Meinung von Markthändler Mario muss dem Billigimport aus China Einhalt geboten werden. Er findet es ganz in Ordnung, dass alleine in italienischen Häfen derzeit zehn Millionen Pullover, drei Millionen Hosen und Hunderttausende von T-Shirts beim Zoll festliegen, weil die im Juni zwischen EU und China vereinbarten Importquoten bereits ausgeschöpft sind.

    Zufrieden ist auch der Sprecher der italienischen Textilhersteller und Modeschöpfer Paolo Zegna, der angesichts der Massenexporte aus Fernost um die italienische Modebranche besorgt ist. Doch das sind Krokodilstränen. Einerseits wollen die großen italienischen Modehersteller die unliebsame Konkurrenz mit Quoten vom heimischen Markt fernhalten, andererseits verlagern sie selbst ihre Produktion aber in Länder mit billigen Arbeitskräften und sorgen für neue Arbeitslose in Italien. Gutgemeinter Patriotismus wird so leicht unterlaufen.

    "Ich verkaufe nur italienische Ware, nie habe ich Sachen aus China angeboten. Ich habe hier ausschließlich Markenware aus Italien. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass auch die im Ausland gefertigt wird, aber das weiß ich natürlich nicht."

    Ein innereuropäischer Streit um die Chinaimporte ist allerdings auch nicht grade das Wahre. Schließlich, so meinen viele Italiener sitzen die Europäer doch alle im gleichen Boot.

    "Nach all der Mühe für das vereinte Europa sollten wir nun an einem Strick ziehen. Heute trifft es uns Italiener, die wir eine starke Textilindustrie haben, morgen vielleicht die Automobilhersteller in Deutschland. Die Deutschen haben die besten Autos auf der Welt aber wenn nun plötzlich Fahrzeuge aus China für vier- oder fünftausend Euro angeboten werden, dann habt ihr auch ein Problem mit den Arbeitsplätzen."