Wo sich sonst Busse über die Piazza Venezia in Rom schieben, herrscht wieder einmal Stillstand. Unter den Fenstern der Tageszeitung Corriere della Sera wird gestreikt – ein gewohnter Anblick für den Wirtschaftsjournalisten Sergio Rizzo, der vorrechnet, warum seine Landsleute quasi jede Woche auf die Straße gehen:
"Ein Italiener ist zwischen 2001 und 2011 im Schnitt um 1540 Euro pro Jahr ärmer geworden. Während ein Deutscher im selben Zeitraum durchschnittlich 3500 Euro mehr im Portemonnaie hatte. Da zeigen sich doch unsere wirklichen Probleme. Probleme, die wir vor allem wegen unserer Politik haben."
Die Regierung sei handlungsunfähig, seit Jahren vor allem mit dem Erhalt ihrer Macht beschäftigt. Entsprechend gering sind seine Erwartungen, dass das neu vorgestellte Stabilitätsgesetz von Ministerpräsident Enrico Letta die strukturellen Probleme in den Griff bekommt.
Der Haushaltsplan sieht vor, die Steuern auf Arbeit zu senken, den strikten Kündigungsschutz zu lockern und zahlreiche Staatsunternehmen zu privatisieren. So soll der immense Schuldenberg abgebaut werden, der mittlerweile auf über 120 Prozent des Bruttoinlandproduktes angewachsen ist. Für Confindustria, den größten Wirtschaftsverband des Landes, lässt sich das aber nur schaffen, wenn die Regierung auch dort spart, wo es wirklich weh tut:
Entbürokratisierung des Landes
"Die Mutter aller Reformen ist die der Entbürokratisierung des Landes. Die öffentlichen Ausgaben belaufen sich auf circa 800 Milliarden Euro. Selbst wenn man Renten, Sozial- und Gesundheitssystem außen vor lässt, kann man noch etwa 300 Milliarden sparen. Wir müssen das Steuerrecht entschlacken und das Justizsystem vereinfachen, um Folgekosten zu reduzieren."
Fulvio Conti ist Vize-Präsident des Verbandes und gleichzeitig Chef des größten italienischen Unternehmens, des Energieriesen Enel. Im Umgang mit internationalen Partnern stellt er immer wieder fest, wie abschreckend fehlende Transparenz und Rechtssicherheit auf Investoren aus dem Ausland wirken – momentan machen die nur 1,4 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, verglichen mit einem EU-Durchschnitt von 3,3 Prozent bleibe Italien damit weit unter seinen Möglichkeiten.
"Wir sind in vielen innovativen Branchen vertreten. In der Robotik, der Feinmechanik, in der Pharmazeutik und auf vielen anderen Gebieten, zeigt sich die italienische Qualitätsarbeit. Das ist mehr als Lebensmittel und Mode."
Man setzt auf den Mittelstand
Ähnlich wie in Deutschland setzt man auch hier auf den Mittelstand. Umso dringender sei es nötig, besonders kleine und mittelgroße Unternehmen zu fördern, zum Beispiel mit den öffentlichen Mitteln, die sich durch administrative Einsparungen erzielen ließen, so der Vorschlag Contis. Grund für vorsichtigen Optimismus sieht er dennoch:
"Nach einem Minus von 1,8 Prozent zum Jahresende sehen wir nun positive Signale. Wir gehen von einem Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent für 2014 aus. Das ist ein bescheidenes Plus und reicht sicher nicht aus, um die Probleme des Landes in den Griff zu bekommen. Aber es ist doch ein Zeichen für den Aufschwung, auch wenn er bescheiden ist."
Damit äußert er sich verhaltener, als Finanzminister Fabrizio Saccomanni. Der hatte am Wochenende beim Weltwirtschaftsforum in Davos einen Aufschwung von einem Prozent in Aussicht gestellt.