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Italien
Zeitungen in der Krise

Wer in Italien was auf sich hielt, hatte eine Zeitung unterm Arm, wenn er über die Straße ging. Der Erfolg der Online-Medien und die Wirtschaftskrise aber haben die Verkaufszahlen in den letzten zehn Jahren dramatisch einsinken lassen. Doch die Verlage haben sich den neuen Bedingungen angepasst.

Von Markus Epping | 10.08.2016
    Am 2. März 2016 wurde bekannt: Die italienischen Zeitungen "La Repubblica" und "La Stampa" fusionieren.
    Junge Menschen kaufen sich kaum och Zeitungen. (Gabriel Bouys / AFP)
    Zeitungen sind etwas Sinnliches, das werden sie dem Bildschirm immer voraushaben. Lorenzo, ein 26-Jähriger, sagt beim Zeitungskauf in Rom: Internet ja, da hast Du viele Quellen, aber nicht so gebündelt, an einem Ort.
    Bei einer Zeitung dagegen, sagt Lorenzo weiter, da hast Du die Infos direkt auf dem Papier, das ist persönlicher und hat einen eigenen Geruch.
    Zeitungen sind auch in Italien ein Kulturgut. Alle großen haben Geschichte, sie stehen für politische Richtungen, mindestens von ihrer Tradition her, der "Corriere delle Sera" eher konservativ, die "Repubblica" zum Beispiel eher links-liberal.
    Adriano besitzt ein Zeitungskiosk im römischen Zentrum, er erinnert sich, wie es vor 20, 25 Jahren war. Er sagt, die Basis für einen Zeitungskiosk , sein festes Einkommen, das waren damals die Tageszeitungen.
    Statt 600 Stück gerade noch 40 verkauft
    "Damals haben wir pro Tag manchmal 600 Stück von nur einer Zeitung verkauft", sagt der Kioskbesitzer, "heute sind es gerade mal 40 pro Tag".
    Vor allem junge Menschen geben laut Adriano kaum noch Geld aus für Zeitungen. Wenn überhaupt, erzählt er, dann verkauft er an junge Menschen mal eine Sportzeitung, dann wenn im Fußball der AS Rom oder Lazio Rom gewonnen haben.
    Tatsächlich sind die Zeitungen in den letzten 20 Jahren ziemlich verschwunden. In den Bars liegen oft noch ein paar Exemplare rum, aber im Straßenbild italienischer Städte zum Beispiel spielen sie keine große Rolle mehr. Das war vor Jahren noch anders: Wer was auf sich hielt in Italien, hatte eine Zeitung unterm Arm, wenn er über die Straße ging. Die Zeitung war auch ein modisches Accessoire, sie versprühte einen Hauch von gesellschaftlicher Anteilnahme, sichtbar für alle.
    Italiens Zeitungen trotzen der Krise
    Aber Italiens Zeitungen sind in der Krise, seit mindestens einem Jahrzehnt. Die Verkaufszahlen haben sich fast halbiert. Fabio Bogo, Vize-Direktor der Zeitung "Repubblica", sieht das ganz nüchtern:
    "Die Leute, die sich informieren wollen, zumindest die Unter-30-Jährigen, suchen sich ihre Informationen über andere Kanäle, über facebook oder google."
    Der Erfolg der Online-Medien ist die eine Seite. Dazu kommt in Italien die lahmende Wirtschaft, die Menschen haben im Schnitt weniger Geld, auch für Zeitungen.
    Die "Repubblica" gleicht einen großen Teil ihrer Einnahmeverluste inzwischen wieder aus – im Online-Geschäft kommt vor allem durch Werbung was rein. Außerdem verhandelt die Zeitung mit Google – sie will Gebühren dafür, dass Google ihre Inhalte verbreiten darf – ähnlich wie es in Deutschland im sogenannten Leistungsschutzrecht geregelt ist.
    Aber auch wenn Online längst zur Gesamtstrategie der Zeitung gehört:
    Die gedruckte Ausgabe wird für die "Repubblica" auch in Zukunft weiter große Bedeutung haben.
    "Nein, wir werden nicht auf die Zeitung verzichten. Auch weil der Erfolg unseres Online-Angebots mit der Marke der Zeitung steht und fällt. Möglicherweise sinkt die Zahl der Leser noch etwas, aber Zeitung auf Papier soll noch lange bleiben, sie hat ihren Ort in den Familien und bei allen Käufern."
    Italiens Zeitungskrise geht weiter. Die Verlage insgesamt aber sind dank Online in passabler Verfassung. Bleiben wird beides, Online und Print. Das Straßenbild aber hat sich verändert. Der Stadtspaziergänger hat heute ein Handy in der Hand, keine Zeitung unterm Arm.