Archiv

Italiens Banken
Faule Kredite und Milliardenverluste

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine der Banken Italiens kurz vor der Pleite steht. Immer wieder springt dann der italienische Staat mit vielen Milliarden des Steuerzahlers ein. Dabei hatte auch Italien den Regeln aus Brüssel zugestimmt, genau das nicht mehr zu tun - als Lehre aus der Krise.

Von Sarah Zerback |
    Ein Mann betritt eine Zweigstelle der italienischen Bank Veneto Banca in Rom. Sie wird zusammen mit der Banca Popolare di Vicenza von der italienischen Regierung abgewickelt.
    Die italienischen Banken Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza werden abgewickelt. (AFP / Tiziana Fabi)
    Banken vor der Pleite retten – zur Not auch mit Steuergeldern: "Alternativlos" ist das in den Augen des italienischen Finanzministers. Und so sieht es auch Sergio Rizzo, Wirtschaftsjournalist und Vizepräsident der Tageszeitung "La Repubblica".
    "Es gibt dazu keine Alternative, aus einem einfachen Grund: Ein Bankrott bringt Probleme mit sich, die über die eigentliche Bank hinausgehen. Das betrifft die Ersparnisse der Menschen, deren Leben, deren Jobs. Und deshalb ist in Italien noch nie eine Bank pleitegegangen. Banken werden gerettet oder übernommen. In dem Punkt ist Italien sehr speziell, auch wenn es Unternehmen sind, dürfen sie nicht zusammenbrechen."
    Ein durchaus reales Risiko. Fast 700 Banken gibt es in Italien. Zusammen sitzen sie auf einem Schuldenberg von etwa 360 Milliarden Euro; auf faulen Krediten. Sie mit Steuergeldern zu stützen – das will die EU eigentlich verhindern. Doch für die Regeln aus Brüssel gibt es eine Art Schlupfloch – das nationale Insolvenzrecht. Darauf beruft sich Italien aktuell in seiner jüngsten Rettungsaktion. Mit 17 Milliarden Euro stützt Rom zwei norditalienische Banken, um, so heißt es, größeren Schaden von Wirtschaft und Währungsunion abzuwenden.
    "Sie sind klein, aber Veneto Banca e Banca Popolare di Vicenza sind Teil des empfindlichsten Sektors der italienischen Wirtschaft, weil die Region eine der dynamischsten im Land ist. Zusammen mit der Lombardei ist das Bruttoinlandsprodukt in Veneto pro Kopf größer als in Deutschland. Das zeigt, wie heikel diese Fälle sind."
    Den Grund für das Scheitern hätten sie mit vielen Krisenbanken Italiens gemeinsam. Sie alle hätten keinen Weg gefunden, ihre Geldhäuser krisenfest zu machen, sich auf Digitalisierung und Globalisierung einzustellen, so Rizzo weiter. Doch das größte Versäumnis sei es, die schwache Wirtschaft Italiens so lange ignoriert zu haben und statt auf Eigenkapital einzig auf frisches Geld der EZB zu bauen.
    "Wir machen uns gerne selbst was vor. Das ist eine sehr italienische Angelegenheit, immer im letzten Moment zu kommen. Wie ein Student, der das ganze Jahr über nichts macht und dann in der Nacht vor dem Examen durchlernt. Die Banken sind seit Jahren in der Krise – nicht erst seit gestern."
    Was tun gegen faule Kredite?
    Rizzo plädiert dafür, den Banken innerhalb Italiens strengere Auflagen zu machen, um Missmanagement nicht erst kurz vor dem Konkurs zu erkennen. Außerdem müsse die Regierung schärfer und effektiver gegen Fälle von Untreue und Bilanzfälschung vorgehen. Um die faulen Kredite in Milliardenhöhe loszuwerden, müssten nationale Einrichtungen aufgebaut werden.
    "Das könnte funktionieren. Wir haben mit Bad Banks in Italien so unsere Erfahrungen gemacht – zum Beispiel bei der Banca di Napoli. Aber da kommt es jetzt darauf an, wie. Was genau soll dort unterkommen, alle faulen Kredite. Wer kümmert sich dann darum, wie wird das verhandelt, wer bewertet die Risiken? Das ist eine Reihe von Problemen, die angegangen werden müssen."
    Wie Italiens Banken vor dem Crash zu retten sind, das bleibt ein wichtiges Thema. Eines, das sich mit den jüngsten Rettungsaktionen nicht erledigt haben wird – so die Prognose des Wirtschaftsjournalisten. Dabei sei die große Frage, wer in Zukunft die Interessen des Landes in Brüssel vertritt.
    "Unser Problem ist es, dass wir es nie schaffen uns in Europa mit unserem Standpunkt durchzusetzen. Wir machen immer einfach mit. Obwohl Italien eines der europäischen Gründungsländer ist, ist es heute nicht in der Verfassung seine Haltung zu vertreten – egal bei welchem Thema. Weil wir politisch schwach sind."
    Eine Schwäche, an der sich bis zur nächsten Wahl nichts ändern dürfte. Die steht spätestens im Frühjahr an.