Tagelang wurde gestritten, wer die Migranten auf der Diciotti aufnimmt: erst zwischen Italien und Malta, dann zwischen Italien und der EU. Und rund 130 Menschen an Bord der Diciotti mussten warten, im Hafen von Catania in Sizilien. Mittlerweile durften alle an Land, die meisten wurden erst einmal in eine Übergangsunterkunft nach Messina gebracht – doch dort sollen sie nicht bleiben, sagte Vizeministerpräsident Luigi di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung:
"Ein Teil kommt nach Albanien, ein Teil nach Irland und um den Rest kümmert sich die italienische Bischofskonferenz."
So lautet der Kompromiss, der nun ausgehandelt wurde. Und Italiens Innenminister Matteo Salvini feiert ihn als großen Erfolg für seine harte Linie, gegenüber den Migranten, gegenüber der EU: Italien werde keine Lira für alle diese Migranten zahlen, erklärte er.
"Menschen benutzt, um Europa zur Antwort zu zwingen"
Was Salvini nicht erwähnt: Da sich die italienische katholische Kirche um den Großteil der Menschen kümmert, werden etwa 100 Migranten von der Diciotti auf verschiedene Pfarreien verteilt in Italien bleiben – das hatte Salvini eigentlich ausgeschlossen. Man habe eine unerträgliche humanitäre Situation beenden müssen, sagte der Sprecher der italienischen Bischofskonferenz, Ivan Maffeis, dem Fernsehsender Sky News 24:
"Die Regierung hat diese Menschen benutzt, um Europa zu einer Antwort zu zwingen. Aber die Antwort, die kam, war schwach. Wir sind überzeugt davon, dass man nicht Politik auf dem Rücken der Armen austragen kann."
Ermittlung wegen Verdachts der Freiheitsberaubung
Migranten als Druckmittel gegenüber der EU zu verwenden, indem man sie nicht an Land gehen lässt – dass das legal ist, daran zweifelt auch die italienische Justiz. Sie ermittelt unter anderem wegen Freiheitsberaubung – und zwar gegen Innenminister Matteo Salvini. Er hatte veranlasst, dass die Migranten so lange an Bord des Schiffes bleiben mussten, bis ihre Verteilung geklärt war – obwohl auch in Italien Menschen nicht länger als 48 Stunden ohne Anordnung eines Richters festgehalten werden dürfen. Dass gegen einen Minister vorgegangen werde, der sich für den Schutz der Grenzen einsetze, sei eine Schande, sagte dagegen Salvini selbst bei einer Wahlkampfveranstaltung in Südtirol:
"Es sind Ermittlungen gegen mich aufgenommen worden, wegen Freiheitsberaubung. Ich glaube, es wird schwierig sein, uns aufzuhalten – sie können gegen mich ermitteln, sie können mich einsperren, aber sie können den Veränderungswillen von 60 Millionen Italienern nicht aufhalten."
Mit Rücktritt Salvinis ist nicht zu rechnen
Salvini hat längst nicht alle Italiener auf seiner Seite, wie er behauptet. Aber seine Umfragewerte sind gestiegen, seit der Wahl im März. Sein Vorgänger als Innenminister Marco Minitti, warnte daher schon vor einem Konflikt zwischen den Staatsgewalten und einem Abdriften der Demokratie des Landes. Doch was droht Salvini nun durch die Ermittlungen? Zurücktreten wird er wohl erst mal nicht, auch Luigi di Maio, Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, also des Koalitionspartners, forderte Salvini auf, weiterzumachen:
"Die Regierung war und ist einig, bei den Entscheidungen, die wir getroffen haben. Wir übernehmen die ganze Verantwortung, für alle Handlungen bezüglich der Diciotti."
Und dass Salvini wirklich vor Gericht landet, daran glauben in Italien momentan nur wenige. Denn gegen einen Minister zu ermitteln ist schwierig, eine spezielle Abteilung eines Gerichts muss sich um den Fall kümmern. Und Salvini genießt als Mitglied des italienischen Senats Immunität. Die kann zwar aufgehoben werden – aber auch das ist kompliziert.