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Italiens Lega Nord droht Zerfall

Die rechtsextreme Partei Lega Nord wollte sich in Italien ein Saubermannimage aufbauen, reklamierte für sich Unbestechlichkeit. Nun steckt sie mitten in einem Skandal. Ausgerechnet Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung soll in privaten Taschen gelandet sein.

Von Jan-Christoph Kitzler |
    Da geht mal wieder eine Ära zu Ende in Italien. Auch wenn die Kundgebungen der Lega Nord immer noch fast so sind wie früher: Mit dem Gefangenenchor aus Verdis Oper "Nabucco", den die Lega als Nationalhymne für den Fantasiestaat "Padanien" missbraucht, und mit den Rufen auf den großen Führer der Partei, Umberto Bossi.

    "Nabucco, Va pensiero; "Bossi!, Bossi!, Bossi!"

    Doch die politische Karriere Bossis ist wohl zu Ende. Ende der 80er-Jahre hat er die Lega Nord aus der Taufe gehoben und war seitdem ihr Vorsitzender. Seitdem haben Politiker der Lega aber vor allem durch viele fremdenfeindliche Parolen auf sich aufmerksam gemacht. Und durch die Forderung, der relativ reiche Norden Italiens, eben jenes "Padanien", solle sich vom Rest des Landes abspalten.

    Es gibt nicht wenige, die meinen, Umberto Bossi hätte schon 2004 aufhören sollen. Seit einem Schlaganfall ist er sichtbar gehandicapt und spricht noch undeutlicher als vorher ohnehin schon. Aber seinen Inhalten tat das bisher keinen Abbruch. Etwa wenn er dazu aufforderte, auf Flüchtlinge im Mittelmeer zu schießen, wenn er beim Abspielen der italienischen Nationalhymne den gestreckten Mittelfinger in die Luft hielt, oder wenn er bei einer Kundgebung eine Dame aufforderte, die Italienfahne, die sie dabei hatte, im Klo herunterzuspülen.

    "Die Trikolore ist unnütz – tun sie die ins Klo, Signora!"

    Selbst Silvio Berlusconi, der über Jahre skandalumwittert und völlig schmerzfrei Italiens Politik prägte, wurde es irgendwann zu viel:

    "Ich werde mich nie wieder an einen Tisch setzen, an dem auch Herr Bossi sitzt. Und ich werde nie wieder eine Regierung führen, die auf Bossi angewiesen ist. Er ist eine absolut unzuverlässige Person."

    1995 war das. Damals war gerade eine Koalition zerbrochen. Und doch hat Berlusconi mit der Lega noch über Jahre regiert. Zuletzt bis zum November 2011. Bossi war Berlusconis wichtigster Bündnispartner, er hat seine Regierung auch dann noch am Leben gehalten, als andere schon lange die Nase voll hatten. Dass Bossi dabei nicht das Wohl Italiens im Blick hatte, war kein Problem. Seit Mario Monti an der Regierung ist, betreibt die Lega Fundamentalopposition. Bossi hat gesagt, Monti solle sich ja nicht in Norditalien blicken lassen:

    "Er setzt sein Leben aufs Spiel. Hier im Norden werden sie ihn bald um die Ecke bringen. Er füllt unseren Norden mit Mafiosi. Früher oder später wird jemand beschließen, ihn öffentlich zu aufhängen."

    Ein echter Klassiker unter den Ausfälligkeiten Umberto Bossis war immer auch das Wettern gegen den Rest des Landes, vor allem gegen "Roma Ladrona", Rom, die Räuberin, gegen den Korruptionssumpf in Italiens Hauptstadt. Die Lega war in seiner Propaganda die einzige Partei, die dem etwas entgegenzusetzen hatte:

    "Die Lega - und das weiß auch unser schlimmster Feind - ist eine neue Partei, ein ehrenhafte Partei. Die einzige Partei, die ihre Abgeordneten vor die Tür setzt, wenn sie merkt, dass diese unredlich sind."

    An diesen Worten muss sich Bossi nun messen lassen, jetzt wo seine Partei selbst mitten in einem Finanzskandal steckt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wie es aussieht, wurden Gelder der staatlichen Parteienfinanzierung zum Unterhalt der Familie Bossi verwendet. Etwa für die Restaurierung einer Villa. Auch Renzo Bossi, der 23-jährige Sohn, den alle wegen seines Gesichtsausdrucks nur "Il Trota", Forelle, nennen, wurde gut versorgt. Nicht nur mit einem Sitz im Regionalparlament der Lombardei. Er wurde in den letzten Monaten zum politischen Erben aufgebaut und musste natürlich standesgemäß repräsentieren. Er soll Geld bekommen haben für teure Autos und für Hochschulabschlüsse. Inzwischen hat er seinen Rücktritt eingereicht – in der Diskussion ist sogar ein Parteiausschluss.

    Mehrere Millionen aus der Parteikasse sollen zudem illegalerweise in Tansania und auf Zypern investiert worden sein. Die Rede ist auch von Geldwäschegeschäften mit der Mafia.

    Umberto Bossi hat inzwischen seinen Hut genommen. Und bei einer Kundgebung in Brescia haben sie ihn vor Kurzem schon mit Besen empfangen und mit Sprechchören, jetzt müsse in der Partei gesäubert werden. Viel wird Bossi vermutlich dazu nicht mehr beitragen. Er bleibt Ehrenvorsitzender, aber als starker Mann der Zukunft gilt Roberto Maroni. Der frühere Innenminister spricht nun von Transparenz und von einer Reform der Parteienfinanzierung.

    Unter ihm wird die Lega Nord entweder zu einer ernst zu nehmenden politischen Kraft – oder sie verschwindet in der Versenkung.
    Anfang Mai wird man klarer sehen, dann wird in vielen Kommunen Italiens gewählt – auch in "Padanien".