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Italiens Verfassungsreferendum
Berlusconis unglaubwürdige Kehrtwende

Silvio Berlusconi hat die von Italiens Ministerpräsident Renzi angestrebte Verfassungänderung ursprünglich selbst vorangetrieben. Doch nun will er es seinem politischen Gegner und Intimfeind Renzi schwer machen und ist gegen die Reform. Aus der Opposition heraus will er die Regierung Renzi zu Fall bringen.

Von Kirstin Hausen |
    Silvio Berlusconi in Mailand entlassen aus San Raffaele Krankenhaus.
    Silvio Berlusconi nach seiner Entlassung aus dem San Raffaele Krankenhaus in Mailand im Juli 2016 (ANSA)
    Silvio Berlusconi ist gegen die Verfassungsreform und ruft die Italiener dazu auf, am Sonntag Nein zu sagen. Wie üblich, wendet er sich mit einer Videobotschaft ans Volk. "Ich bin hier, um Euch einzuladen, am 4. Dezember eure Stimme zu erheben und mit einem entschiedenen Nein zu stimmen. Denn es geht bei dieser Abstimmung um die Zukunft unseres Landes."
    Die Zukunft und das Wohl Italiens stehen immer dann auf dem Spiel, wenn Silvio Berlusconi das Wahlvolk für sich gewinnen will. Im Fall des Referendums muss er besondere Überzeugungskraft aufbieten, weil er eine politische Kehrtwende hingelegt hat, die seine Wählerinnen und Wähler verwirrt. Berlusconi hatte nämlich selbst mitgestrickt an der Reform, die jetzt als Renzis Paradestück in die Geschichte eingehen soll. Das wiederum passt Berlusconi nicht.
    Berlusconi will Intimfeind Renzi zu Fall bringen
    Matteo Renzi ist sein politischer Intimfeind und den will er zu Fall bringen. Deshalb die Kehrtwende, deshalb sein Aufruf, die Verfassungsreform abzulehnen. Nach seiner Herzoperation im Juni ist Silvio Berlusconi, inzwischen 80 Jahre alt, wieder zurück in der Öffentlichkeit. Fernsehauftritte, Ansprachen, rührselige Umarmungen von Fans - alles so wie früher.
    Die Führung des rechten Parteienspektrums bleibe in seiner Hand, beteuerte Berlusconi unlängst im Fernsehen. Betont kämpferisch scheint er sich bereits auf den nächsten Wahlkampf vorzubereiten: "Ich komme so richtig in Fahrt, es lebe Italien, es lebe Berlusconi."
    Seine markigen Sprüche sorgen in Italien inzwischen nicht mehr für Erstaunen. Die Generation der 20- bis 35-Jährigen, die mit Berlusconis Fernsehsendern und seinem provokanten Politikstil aufgewachsen ist, findet die vielen Vergleiche von Silvio Berlusconi mit dem neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump amüsant, aber nicht ganz zutreffend. Roberto Sonno und Yuri Pennsoldo studieren Architektur in Mailand:
    "Es gibt schon Gemeinsamkeiten, aber ich finde Trumps Positionen extremer als Berlusconis. Diese Vergleiche sind etwas weit hergeholt."
    Der Vergleich Berlusconi/ Trump hinkt
    Sowohl Berlusconi als auch Trump werden sexistische Äußerungen vorgeworfen, beide sind als Bauunternehmer reich geworden und sind Steuertricks nicht abgeneigt, das sind die Gemeinsamkeiten. Das politische Umfeld, das sie an die Macht gebracht hat, ist jedoch verschieden, so der Politikwissenschaftler Paolo Natale von der staatlichen Universität Mailand:
    "Italien hatte damals nach dem Untergang des gesamten Parteiensystems ein politisches Machtvakuum und Berlusconi präsentierte sich als neuer politischer Vertreter des Volkes. In den USA war es genau andersherum. Zuviel politisches Establishment statt zu wenig."
    Wie es politisch in den USA weitergeht, könne man nicht anhand der Erfahrungen in Italien prognostizieren, sagt Paolo Natale. Die Unterschiede zwischen den Ländern seien zu ausgeprägt. Doch eines hält der Politikwissenschaftler für gesichert - Trump werde als amtierender Präsident konzilianter sein als im Wahlkampf:
    "Die Wahlkampfparolen sind bei beiden apokalyptisch, aber das sagt nicht viel aus, über das, was sie dann in die Tat umsetzen. Berlusconi hat sich nach der Übernahme der Regierungsverantwortung bemüht, Konsens zu schaffen innerhalb seiner Koalition und mir scheint, dass auch Trump mit seinen ersten Personalentscheidungen und politischen Ideen bemüht ist, Einheit zu schaffen."
    Silvio Berlusconi ist inzwischen wieder in der Opposition. Und will die Regierung Renzi zu Fall bringen. Mit einem Nein zur Verfassungsreform könnte das gelingen.