Wahl in Italien
Rechtsbündnis von Giorgia Meloni triumphiert

Ein Bündnis um die rechtspopulistische Partei Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni hat laut Hochrechnungen die Parlamentswahl in Italien gewonnen. Das rechte Bündnis wird voraussichtlich in beiden Parlamentskammern eine klare Mehrheit erreichen.

    Giorgia Meloni am Wahltag in Rom
    Giorgia Meloni am Wahltag in Rom (IMAGO / Matteo Gribaudi )
    Die Partei Fratelli d'Italia (FDI) von Meloni erhielt rund 25 Prozent der Stimmen und wird damit stärkste Kraft im Parlament. Zusammen mit der rechtsnationalen Lega des ehemaligen Innenministers Salvini und der Forza Italia des früheren Premierministers Berlusconi könnte das rechte Bündnis auf bis zu 43 Prozent der Stimmen kommen. Lega und Forza Italia liegen bei etwa neun Prozent der Stimmen. Vor allem die Lega um den früheren Innenminister Matteo Salvini musste einen Rückschlag hinnehmen. Sie holte bei der letzten Wahl noch 17 Prozent.
    Aufgrund des komplizierten Wahlsystems bedeutet dies unter Umständen eine absolute Mehrheit der Sitze in beiden Parlamentskammern. Die Demokratische Partei (PD) von Ex-Regierungschef Letta kommt Nachwahlbefragungen zufolge auf 17 bis 21 Prozent. Die Fünf-Sterne-Bewegung verlor deutlich und erreicht 13,5 bis 17,5 Prozent der Stimmen.

    Wofür steht Giorgia Meloni?

    Die 45-jährige Meloni bemüht sich zwar, das Etikett "postfaschistisch" loszuwerden, das ihrer Partei Fratelli d'Italia anhaftet. "Nostalgiker des Faschismus" hätten in ihrer Partei "keinen Platz", erklärte sie. Zweifel an ihrer rechtskonservativen Einstellung lässt Meloni jedoch nicht aufkommen. In ihren Reden kritisiert sie die EU, die "Bürokraten aus Brüssel" und positioniert sich gegen "Masseneinwanderung", der sie mit einer Seeblockade gegen Boote aus Nordafrika beikommen will, gegen Abtreibungsrechte, gegen Migranten aus mehrheitlich muslimischen Ländern und gegen die "LGBT-Lobby", auch verspricht sie ein härteres Durchgreifen der Polizei.

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    Die kommende Regierungschefin gilt als durchsetzungsstark und als jemand, der stets Klartext redet. Sie ist scharfe Kritikerin der Corona-Politik der Vorgängerregierung. Aus diesem Lager sammelte sie wohl viele Stimmen. Meloni begann ihre politische Arbeit in neofaschistischen Parteien, bezeichnet sich selbst als Konservative. Ihre Gegner werfen ihr vor, sich nie umfassend vom Faschismus distanziert zu haben. Das Nachrichtenportal des amerikanischen Fernsehsenders CNN schreibt, Italien bekäme jetzt die am weitesten rechts stehende Regierungschefin seit Benito Mussolini.
    Meloni will, dass EU-Recht wieder unter nationale Gesetze rückt. Sie wünscht sich starke Nationalstaaten statt einer Union. Das ist ganz nach dem Geschmack von Ungarns Regierungschef Viktor Orban und der nationalkonservativen PiS-Partei aus Polen. Nachdem die rechtspopulistischen Schwedendemokraten in dem skandinavischen EU-Land an die Macht kommen dürften, könnte es in Italien zur vierten rechten Regierung in der Europäischen Union kommen.
    Von anderen europäischen Rechtsparteien unterscheidet Meloni und ihre FDI die Haltung zum Ukraine-Krieg: Meloni hat sich unmissverständlich auf die Seite Kiews gestellt und unter anderem Waffenlieferungen an das Land befürwortet.
    Voraussichtlich wird Meloni die erste Frau an der Spitze der italienischen Regierung werden.

    Warum war diese Wahl so wichtig?

    In Zeiten des Kriegs in der Ukraine und der Energiekrise sind die europäischen Staaten enger zusammengerückt. Als drittgrößte Volkswirtschaft der EU und fünftgrößter Truppensteller der NATO (noch vor dem Vereinigten Königreich) hat Italien eine tragende Rolle. Gleichzeitig hat das Mitte-Rechts-Bündnis um die Rechtsextreme Giorgia Meloni gute Aussichten, die neue Regierung zu stellen. Dann regiere ein „Grüppchen, das nie einen Hehl daraus gemacht hat, russlandfreundlich und putinfreundlich zu sein“, sagte der Politikwissenschaftler Roman Maruhn im Deutschlandfunk.

    Wie wurde gewählt?

    Mehr als 51,5 Millionen Italiener waren aufgerufen zu wählen, fast drei Millionen davon sind Erstwähler. Bis auf wenige Ausnahmen - etwa Soldaten oder Patienten in Krankenhäusern - musste jeder Italiener persönlich in der Gemeinde wählen, wo er gemeldet ist. Die Möglichkeit zur Briefwahl gab es nur für die knapp 4,9 Millionen Italiener im Ausland.
    Wie erwartet war die Wahlbeteiligung niedrig. Sie lag nach vorläufigen Angaben bei 64,1 Prozent. Es ist der niedrigste Wert seit Ende des 2. Weltkriegs. Vor vier Jahren hatten noch 74 Prozent der Wahlberechtigten gewählt. Gewählt wurden Parteien und Kandidaten für die zwei Kammern des Parlaments, also das Abgeordnetenhaus und den Senat.

    Welche Bündnisse traten an?

    Mitte-Rechts-Bündnis
    Das Bündnis, das den Hochrechnungen zufolge als Sieger hervorgehen wird, ist der Mitte-Rechts-Block aus der postfaschistischen Fratelli d'Italia (deutsch: Brüder Italiens, FDI), der rechten Lega und der von Silvio Berlusconi geführten konservariven Forza Italia. Wegen der Zusammensetzung wird sie auch Mitte-Rechts-Koalition genannt.
    Italiens Ex-Ministerpräsident und 'Forza Italia'-Parteichef Silvio Berlusconi. Das verurteilte Polit-Schwergewicht steht wieder auf der politischen Bühne.
    Italiens Ex-Ministerpräsident und 'Forza Italia'-Parteichef Silvio Berlusconi sorgte vor den Wahlen für Empörung, als er erklärte, sein Freund Wladimir Putin sei zum Einmarsch in die Ukraine gedrängt worden. (pa/ZUMAPRESS.com/Vincenzo Nuzzolese)
    Die FDI wird von der Rechtsextremen Giorgia Meloni geführt. Sie wird nun Anspruch auf den Posten der Ministerpräsidentin erheben. Im Wahlkampf fokussierten sich die FDI und die anderen rechten Parteien auf ihre Kernthemen: Gegen Migration vorgehen, Steuern senken und die Wirtschaft stärken.
    Mitte-Links-Bündnis
    Die von Enrico Letta geführte sozialdemokratische Partito Democratico (PD) ist die wichtigste Gegenspielerin der Rechten. Lange hatte die SPD-Schwester auf ein Bündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung gesetzt. Diese hatte sich jedoch vom technokratisch regierenden Ministerpräsidenten Draghi abgewandt und somit auch den Sozialdemokraten den Rücken gekehrt.
    PD-Chef Letta konnte zunächst eine Allianz mit den Kleinparteien Azione und Più Europa schmieden und damit ein Mitte-Links-Bündnis gegen den Mitte-Rechts-Block formen. Die Parteien einigten sich darauf, die bisherige Politik von Mario Draghi fortführen zu wollen. Mittlerweile ist die Partei Azione allerdings wieder aus dem Bündnis ausgestiegen.
    Das Mitte-Links-Bündnis stellte im Wahlkampf vor allem soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und die internationale Zusammenarbeit in den Fokus. Die PD warb zudem dafür, den von der EU vorgesehenen Mindestlohn einführen zu wollen. Darüber hinaus setzte das Mitte-Links vor allem auf zwei Botschaften: Drastische Warnungen vor einer rechten Regierung - und das Versprechen, dort weiterzumachen, wo der im Juli gestürzte Ministerpräsident Draghi aufgehört hat.
    Enrico Letta, Chef der PD
    Enrico Letta, Chef der sozialdemokratischen PD, hat es geschafft ein Mitte-Links-Bündnis zu schmieden (imago)
    Andere Parteien
    Die Fünf-Sterne-Bewegung hat sich aus Ablehnung der Politik von Mario Draghi nicht dem Mitte-Links-Bündnis angeschlossen und plant, alleine Wähler am linken Rand zu überzeugen. Mit ihrem neuen Profil fordern die Fünf Sterne einen Ausbau des Bürgergelds, Einführung eines Mindestlohns, einer radikalen ökologischen Wende und weniger Geld für Rüstung. Ein Comeback im Wahlkampf ist dem Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte , gelungen. Conte war mitentscheidend für den Sturz der Regierung Draghi.
    Der umstrittenen Ex-Ministerpräsident und frühere PD-Vorsitzenden Matteo Renzi und seine Splitterpartei Italia Viva sind ebenfalls nicht Teil des Mitte-Links-Bündnisses, sondern bilden inzwischen mit Azione ein eigenes Parteienbündnis.

    Warum sind Bündnisse im italienischen Wahlsystem so wichtig?

    Italiens Wahlsystem ist eine Mischung aus Direkt- und Verhältniswahl, von dem starke Allianzen profitieren können. Je ein Drittel der 200 Senatoren und 400 Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden in den Wahlkreisen direkt gewählt. Die restlichen zwei Drittel der Sitze werden je nach landesweitem Abschneiden der Parteien vergeben.
    Zugleich ist die italienische Parteienlandschaft stark fragmentiert. Bei der vergangenen Wahl 2018 schafften es elf Parteien ins Abgeordnetenhaus. Besonders im Kampf um die Direktmandate in den Wahlkreisen ist es daher sinnvoll, schon vor der Wahl Koalitionen zu schmieden. Das jeweilige Bündnis nominiert dann nur einen Kandidaten, mit dem Ziel, alle Stimmen derer zu bekommt, die eine Partei des Bündnisses unterstützen.
    Weil die Rechten sich in den Direktwahlkreisen auf gemeinsame Kandidaten einigen konnten, während ihre teils arg zerstrittenen Gegner jeweils eigene Leute nominierten, prognostizierten Beobachter, dass Meloni und Co. bis zu 90 Prozent der Direktmandate gewinnen könnten. Bei der Verhältniswahl würden dann weniger als 50 Prozent Zustimmung trotzdem für eine Mehrheit im Parlament reichen. Überhangmandate wie in Deutschland gibt es nicht.

    Welche Rolle spielt Russland bei der Wahl?

    Während Meloni ihre Unterstützung für die Ukraine bekräftigte, haben ihre Koalitionspartner – Ex-Ministerpräsident Berlusconi und Rechtspopulist Salvini – jahrelang engste Beziehungen zu Russland und dessen Präsident Wladimir Putin gepflegt. Nach Medienberichten aus Italien setzten sie ihren Kontakt zur russischen Botschaft sogar trotz des weiter andauernden Ukraine-Krieges fort. Berlusconi verneinte daraufhin, mit dem russischen Botschafter gesprochen zu haben. Salvinis Lega erklärte, sie habe nichts Unrechtes getan. Salvini hatte jedoch wiederholt öffentlich die Wirksamkeit der Sanktionen gegen Russland angezweifelt.
    In den USA wurde kurz vor der Wahl ein Geheimdienstbericht öffentlich, wonach Moskau seit Jahren Millionen an ausländische Parteien zur Wahlbeeinflussung zahle. Nach einem Gespräch mit US-Außenminister Antony Blinken erklärte der scheidende Regierungschef Draghi, dass er nicht davon ausgehe, dass Russland Gelder an italienische Parteien gezahlt hat. Die Regierung Draghi hat die russische Invasion in der Ukraine stets scharf verurteilt und Kiew mit Waffenlieferungen und humanitärer Hilfe unterstützt.
    Das Mitte-Links-Bündnis hat verabredet, die Außen- und Verteidigungspolitik der Regierung von Draghi weiterzutragen. Das Bündnis will außerdem mit dem Ausbau erneuerbarer Energien das Land unabhängiger von Energielieferungen aus Russland machen. Die Fünf Sterne lehnen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ab.

    Warum ist Mario Draghi zurückgetreten?

    Die Viele-Parteien-Koalition des parteilosen Draghi war Mitte Juli 2022 in die Brüche gegangen, als drei seiner wichtigsten Partner eine Vertrauensabstimmung ablehnten. Draghi hatte diese einberufen, um die Spaltungen in der Regierung zu überwinden und ihr zerrissenes Bündnis zu erneuern. Die politische Krise hat die monatelangen Versuche zur Stabilität in Italien zunichte gemacht, zu der der ehemalige EZB-Chef Draghi auch mit einer – in Rom kritisierten – harten Reaktion der EU auf Russlands Einmarsch in der Ukraine beigetragen hatte. Das Ansehen des Landes an den Finanzmärkten hatte sich in seiner Amtszeit verbessert.
    Draghi hatte bereits früher seinen Rücktritt angeboten, nachdem die Fünf-Sterne-Bewegung ihn bei einer Vertrauensabstimmung über Maßnahmen zur Bekämpfung der hohen Lebenshaltungskosten nicht unterstützt hatte. Präsident Sergio Mattarella hatte den Rücktritt zunächst abgelehnt. In einer Rede vor dem Senat hatte Draghi daraufhin zur Einigkeit aufgerufen und eine Reihe von Problemen genannt, mit denen Italien konfrontiert ist - vom Krieg in der Ukraine über soziale Ungleichheit bis hin zu steigenden Preisen.
    Die Fünf-Sterne-Bewegung blieb jedoch beim Entzug ihrer Unterstützung. Außerdem beschlossen die Parteien Forza Italia und Lega der Abstimmung fernzubleiben, da sie eine Zusage von Draghi wollten, dass er bereit sei, eine neue Regierung auch ohne Fünf-Sterne-Bewegung und mit neuen politischen Prioritäten zu bilden. Dies wäre nach den Kräfteverhältnissen im Parlament rechnerisch möglich. Dass es in der Koalition und den Parteien gärte, zeigte auch die Tatsache, dass zwei Minister die vom früheren Regierungschef Berlusconi geführte Partei Forza Italia verließen.
    Quellen: dpa, rtr, mge, ansa, Jörg Seisselberg