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IW-Chef Hüther
Hinter Chinas Investitionen steht eine "politische Absicht"

Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, begrüßt die Pläne der Bundesregierung zur strengeren Regulierung chinesischer Firmenübernahmen in Deutschland. Man müsse die Naivität gegenüber China ablegen, sagte er im Dlf.

Michael Hüther im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln.
    Es gibt keine gleichwertige Öffnung des Marktes in China für deutsche Unternehmer, bemängelt Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (picture alliance / Michael Kappeler)
    Grundsätzlich sei er als Ökonom zwar skeptisch gegenüber staatlichem Einfluss in Investitionsentscheidungen, sagte Hüther. Chinas gezieltes Investment etwa in Energie-Netzwerke könne Deutschland als Wirtschaftsstandort jedoch nicht hinnehmen.
    Den Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland läge immer eine strategische Betrachtung zugrunde, so Hüther. Es herrsche zudem Ungleichheit: Deutschen Investoren würde es in China viel schwerer gemacht, sich an Firmen zu beteiligen. Lange habe man gedacht, die Verhältnisse würden sich angleichen, wenn China sich öffne - diese Naivität habe man jedoch nun abgelegt.
    Eine Gesetzesnovelle sieht vor, ausländische Investitionen künftig bereits bei einer Beteiligung von 15 Prozent an den Stimmrechten in einem Unternehmen zu überprüfen. Bislang lag die Schwelle bei 25 Prozent. Die Bundesregierung begründet die Gesetzesnovelle mit nationalen Sicherheitsinteressen.

    Tobias Armbrüster: Es ist eine Art von Geschäft, die es immer häufiger gibt und die vielen Politikern zunehmend Sorge bereitet. Es geht um chinesische Unternehmen, die deutsche Firmen kaufen wollen, Firmen zum Beispiel aus der Hightech-Branche, Robotik, IT, künstliche Intelligenz. Solche Übernahmen müssen genehmigt werden, und die Bundesregierung kann in bestimmten Fällen sagen, Stopp, diese Übernahme verbieten wir. Sie hat das in der Vergangenheit auch häufiger schon getan. Peter Altmeyer, der Bundeswirtschaftsminister, der will diese Art von Geschäft jetzt noch einmal erschweren. Er will, dass es künftig schon ab einem geplanten 15-Prozent-Anteil eine strenge Investitionsprüfung geben soll. Bisher liegt dieser Wert bei 25 Prozent, also noch etwas höher. Also die Bundesregierung will noch genauer hinschauen, wenn beispielsweise chinesische Investoren in Deutschland aktiv werden. Wir wollen das besprechen mit Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Schönen guten Morgen!
    Michael Hüther: Guten Morgen, Herr Armbrüster!
    Armbrüster: Herr Hüther, werden wir gerade von China aufgekauft?
    Hüther: Wir werden nicht aufgekauft, aber wir werden doch sehr strategisch betrachtet, und es wird sehr strategisch entschieden, welche Unternehmen welche daran hängenden Innovationsleistungen man aufkauft und versucht, entsprechend dann auch in seine Wertschöpfungsketten zu integrieren. Und es gibt halt einen zunehmenden Unmut, es gibt auch ein Unwohlsein, weil man ja einfach, glaube ich, die Naivität abgelegt hat gegenüber China. Man hat mal vor 25 Jahren gesagt, China muss sich nur öffnen, wir müssen mit China nur Handel treiben, dann wird China am Ende auch zur Demokratie. Das ist nicht der Fall, und jetzt stellt man fest, der staatlich-ideologische Teil wird immer rückwärtsgewandter, und der Kapitalismus und die Marktwirtschaft ist ein Instrument dieses Systems. Und das führt zu dieser völlig anderen Diskussionslage.
    "Hier wird gezielt in unternehmerische Netzwerke investiert"
    Armbrüster: Dann ist es auch Ihrer Meinung nach völlig in Ordnung, wenn Berlin jetzt sagt, wir brauchen strengere Kontrollmechanismen für solche Firmenübernahmen durch chinesische Unternehmen?
    Hüther: Grundsätzlich ist man natürlich als Ökonom, als Marktökonom skeptisch gegenüber staatlichen Kontrollen von Investitionsentscheidungen. In einer offenen Welt müssen doch internationale Investoren dort völlig frei entscheiden können, so wie national auch. Nur, das hat natürlich eine Annahme zur Voraussetzung, die kann man nicht mehr so naiv einfach fortschreiben, die Annahme nämlich, dass der Partner sich ähnlich verhält, wenn man dort investieren will, und die Annahme, dass hinter dem wirtschaftlichen Handeln auch wirklich eine wirtschaftliche Absicht steht. Wenn dahinter allerdings eine politische Absicht steht, dann muss man schon fragen, kann man die Naivität einfach fortsetzen, oder ist es nicht dann einfach auch geboten, etwas genauer und etwas früher hinzugucken.
    Armbrüster: Habe ich Sie dann richtig verstanden, Herr Hüther, dass Sie sagen, strengere Kontrollmöglichkeiten sind in Ordnung?
    Hüther: Die sind in Ordnung, wenn man sich sehr klar macht, dass das ein sehr sauberer, sehr differenzierter Analyseprozess sein muss. Das kostet auch Zeit, das ist auch nicht für alle Beteiligten schön, aber ich glaube es ist richtig, dass man sozusagen diese Naivität ablegt und nicht so tun kann, als würde China hier handeln wie private Investoren aus allen anderen Ländern, selbst, wenn vorn das Etikett privater Unternehmer draufsteht. Und insofern geht es ja auch nicht mehr darum wie vor zehn, 15 Jahren, als diskutiert wurde, was passiert mit Staatsfonds. Also wirklich der Staat aus China, der irgendwelche Mittel aus Devisenüberschüssen gebunkert hat, nun investiert. Da haben wir gesagt, okay, ist eigentlich ganz gut, dass er das tut, damit er nämlich das, was er heute an Zuflüssen hat, auch künftig investiv nutzen kann. Und dann ging es meistens um die Infrastruktur. Wir stellen aber fest, hier wird gezielt in unternehmerische Netzwerke hinein investiert, und das ist dann schon auch etwas, was man für den Standort Deutschland nicht einfach vom Tisch wischen kann. Insofern, noch mal gesagt, man kann diese Naivität nicht fortschreiben.
    "Schon etwas von volkswirtschaftlichem Schaden"
    Armbrüster: Wo liegen denn die Gefahren, wenn die Bundesregierung jetzt tatsächlich diese Hürden höher ansetzt?
    Hüther: Wir stellen ja fest, dass in diesem volkswirtschaftlichen Strukturwandel, den wir im Lichte der Digitalisierung [...]* viele kritische Kompetenzen sich befinden, und vor allen Dingen auch die Frage, wie man diese digitale Transformation im industriellen Bereich umsetzt. Da geht es häufig um einzelne Unternehmen, die bestimmte Dienstleistungen in einem solchen Industriedienstleistungsverbund erbringen, die dann schon erfolgskritisch sind und um die herum sich auch die Strukturen im Weiteren entwickeln. Und wenn man da sozusagen gezielt hineininvestiert, ist das schon etwas von volkswirtschaftlichem Schaden. Insofern, die ordnungspolitisch saubere Antwort wäre, die Chinesen sollen dann ihren Markt auch öffnen, dann ist alles gut. Aber wir wissen ja, dass es dieses Level playing field, wie man so schön sagt, diese gegenseitige gleichwertige Öffnung und auch vor allen Dingen gleichwertige Behandlung der Investitionen nicht gibt. Und insofern entstehen hier Gefahren, die letztlich hier jetzt nicht an der Infrastruktur und der Nutzung von irgendwelchen Energienetzen liegen, die man kauft, sondern von der Frage, welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es in bestimmten Sektoren.
    Armbrüster: Das müssen Sie uns vielleicht noch mal genauer erklären. Wie leicht ist es denn eigentlich für deutsche Unternehmen, sich in China einzukaufen?
    Hüther: Das ist halt immer sehr stark von Lippenbekenntnissen getragen. Wenn man deutsche Unternehmen fragt, stellt man fest, man ist heute beispielsweise in China sehr viel stärker wieder der Tatsache ausgesetzt, wenn man dort investiert, wenn man eine Produktionsstätte hat, dass es auch wieder Parteizellen gibt. In China selbst ist es so, dass es wieder in den Unternehmen, die noch staatlich sind, einen eigenen Parteifunktionär gibt. Das war mal eigentlich der Geschäftsführung allein überlassen. Das heißt, man muss schon sehen, China hat in den letzten drei, vier Jahren sehr verstärkt eine ideologische Rückorientierung vorgenommen, die dazu führt, dass man auch in der Nutzung letztlich offener Märkte, für sich selbst relevanter offener Märkte, sehr selektiv ist, und dass man vor allen Dingen das auch nicht spiegelt und sich gleichermaßen öffnet. Es ist nicht nur spaßig, in China zu investieren, und es ist auch so, dass viele deutsche Unternehmen eigentlich nicht mit der neuesten Technologie hingehen, sondern mit der letzten oder vorletzten, weil man ja nicht durch bestimmte Weisungen auch an der Stelle quasi an der Innovation enteignet werden will.
    Armbrüster: Dann lassen Sie uns noch mal gucken auf die chinesischen Beteiligungen in Deutschland. Wie leicht ist es denn eigentlich für ein Unternehmen, wenn es tatsächlich jetzt sagt, ein Unternehmen aus China, wir kaufen jetzt den oder den Energienetzbetreiber, diesen Hersteller einer neuen Software – heißt das denn eigentlich wirklich, dass automatisch dadurch China Einfluss gewinnt in Deutschland. Geht das so leicht, diese wirtschaftliche Macht sozusagen abzuzapfen und zurückzuführen nach China?
    Hüther: Wenn Sie vor allen Dingen sich anschauen, worum es in China geht, wir haben dort eine industrielle Entwicklung, die bei Weitem nicht diese Differenzierungsleistung, die zu erbringen ist mit Blick auf einzelne Kundenwünsche, auf spezifische technische Anwendungen, wie das bei uns der Fall ist. Das ist sozusagen, wenn man will, das Alleinstellungsmerkmal der deutschen Wirtschaft. Sie tut das in einem Industriedienstleistungsverbund, eine hohe Differenzierungsleistung. Dabei finden auch die neuen Technologien eine ganz besondere Bewandtnis, in dem Stichwort Industrie 4.0. Jetzt ist es nicht ganz einfach zu sagen, Chinesen investieren an einer bestimmten Stelle, und das führt dazu, dass hier etwas zusammenbricht oder ein Netzwerk zusammenfällt. Das macht die Sache ja auch so kompliziert. Und die Eingriffsregel jetzt von 25 auf 15 Prozent Stimmrechtsanteile ist natürlich auch eine sehr pauschale. Deswegen ist am Ende immer eine Einzelfallbetrachtung, und anders geht es auch nicht. Man kann sozusagen nur sagen, die Eingriffsschwelle ist gesenkt worden. Man guckt früher, weil man sagt, okay, wenn es schon einen solchen Anspruch gibt, mindestens 15 Prozent zu haben, dann sprechen wir davon, dass man eigentlich die Idee hat, unternehmerischen Einfluss zu gewinnen. Und deswegen schauen wir genauer hin. Es ist ja schon bei 25 Prozent so, dass man sagen kann, wie weit trägt das, aber tatsächlich wissen wir, Unternehmen können entsprechend Einfluss ausgesetzt sein durch diese Kapitalanteile.
    "Wir haben hier eine Lex China"
    Armbrüster: Wir reden jetzt die ganze Zeit über chinesische Investoren. Gilt dieses ganze Gesetz eigentlich tatsächlich nur für China, oder sind da auch andere Länder, die Deutschland sozusagen wirtschaftlich gefährlich werden könnten?
    Hüther: Der große Akteur, die große Hintergrundmusik der ganzen Debatte ist China, gar keine Frage.
    Armbrüster: Was ist beispielsweise mit den USA im Zeitalter von Donald Trump?
    Hüther: Nun haben die USA in dem Sinne keine staatliche Investitionslenkung, sie haben keine sozusagen Anbindung wirtschaftlicher Entscheidungen an das Politische, dass jedes Unternehmen sozusagen sich daran in seinen Investitionsentscheidungen orientiert. Natürlich wissen wir, der Präsident hat einen gewissen Anspruch, wie die Wirtschaft zu laufen hat, aber das ist weit davon entfernt. Es ist in gewisser Weise eine Lex China, weil wir hier hohe Kapitalpotenziale haben, die auch genutzt werden können und auch genutzt werden. Und das führt dann zu solchen Entscheidungen. Man muss ja immer noch mal sagen, das Gesetz an sich ist nicht neu. Es gibt jetzt eine zweite Absenkung dieser Eingriffsschwelle. Die wird dann natürlich auch grundsätzlich wirksam, und das heißt, man schaut immer mal etwas genauer hin. Es kann ja denkbar sein, dass wir künftig auch über andere Länder reden. Nochmals, es ist nichts, was einen Marktökonomen freut, aber es ist auch nicht die Welt so, wie der Marktökonom sie sich vorstellt.
    Armbrüster: Gibt es jetzt viele Unternehmen in Deutschland, die sich jetzt in diesen Tagen die Haare raufen, wo Firmenchefs sagen, schade, dass das jetzt passiert, wir hätten gern verkauft?
    Hüther: Die Diskussion läuft ja seit Längerem. Und ich glaube, dass Unternehmen auch nach dem Fall Kuka, ob der jetzt ein sinnvolles Beispiel ist oder nicht, aber einfach von der Öffentlichkeit, die er hatte, sensibilisiert sind und auch wissen, dass das ein Thema ist und dass einfach die Naivität, die man einfach lange hatte, so nicht mehr gilt, und insofern sollte das jetzt nicht wirklich eine Überraschung sein. Das Gesetz muss ja jetzt überhaupt erst noch mal in die parlamentarische Befassung, es ist ja ein Vorschlag, den der Bundeswirtschaftsminister gemacht hat.
    Armbrüster: Live hier bei uns im Deutschlandfunk war das Michael Hüther, der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Ich danke Ihnen vielmals!
    Hüther: Sehr gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    *An dieser Stelle unverständlich