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J.R.R. Tolkien in der New Yorker Morgan Library
Direkt aus Mittelerde

Mit Klassikern wie "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe" hat J.R.R. Tolkien die fantastische Literatur salonfähig gemacht. Von seinen Universitätskollegen wurde er angefeindet, von den Lesern geliebt. Eine New Yorker Ausstellung über den Autor beleuchtet Anfänge und Hintergründe von Frodo & Co.

Von Sacha Verna | 02.02.2019
    Der britische Schriftsteller J. R. R. Tolkien (undatierte Aufnahme).
    Suchte bereits als Teenager nach einer Sprache, die er in Geschichten einbetten könne: J.R.R. Tolkien (picture alliance / dpa / epa afp)
    Was zuerst auffällt, ist der Gegensatz zwischen den Dimensionen. Mittelerde umfasst Unendlichkeiten. J.R.R. Tolkiens Entwürfe dafür sind winzig. Zehn mal fünfzehn, fünfzehn mal zwanzig Zentimeter, kaum mehr messen die Zeichnungen und Aquarelle Dabei enthalten sie doch bereits die gesamte Welt, die der britische Autor mit "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe" schuf, diesen Klassikern der fantastischen Literatur. Kurator John McQuillen:
    "Für Tolkien gingen Text und Bild beim Erfinden dieser Geschichten Hand in Hand. Was er schrieb, beeinflusste die Illustrationen, und die Illustrationen beeinflussten den Schauplatz , auf dem denen sich seine Figuren bewegte."
    Verschnörkelte Alphabete
    Die farbenprächtigen Illustrationen, die detaillierten Landkarten und die verschnörkelten Alphabete, in denen Tolkiens Epen buchstäblich Gestalt annehmen, zählen zweifellos zu den Höhepunkten in dieser Ausstellung. Sogar den Malkasten und die Buntstifte des Schriftstellers präsentiert die New Yorker Morgan Library.
    Und doch war am Anfang das Wort:
    "Tolkien begann als Teenager eine Sprache zu erfinden. Diese Sprache wollte er in eine Geschichte und Geschichten einbetten, und so entstanden das Auenland und das Elbenreich, Bilbo, Gandalf, Orks und Kobolde. Es war zunächst also eher ein linguistisches Abenteuer als ein Set von Figuren oder Kreaturen."
    Überraschender Erfolg
    Tolkiens erstes Publikum waren seine Kinder. Die fühlten sich ihrer höchst eigenen Weihnachtsgeschichte beraubt, als sich ihr Papa 1937 von Bekannten dazu überreden liess, den "Hobbit" zu veröffentlichen. Vom Erfolg waren dann aber doch alle überrascht. Der Verleger bat umgehend um eine Fortsetzung. Tolkien brauchte dafür 12 Jahre. Kein Wunder, denn als hauptamtlicher Professor für germanische Sprachen in Oxford musste er sich die freien Minuten für seine Fantasien regelrecht zusammenklauen. Sein rotgrauer Talar ist in der Ausstellung zu sehen und wirkt ziemlich mitgenommen.
    Den "Hobbit" hatten Tolkiens gelehrte Kollegen noch als harmloses Kinderbuch und seine Leidenschaft für Feen und Fabelwesen als schrulliges Hobby abgetan. Als Mitte der 1950er Jahre "Der Herr der Ringe" in drei Teilen erschien, waren sie allerdings empört:
    "Sie glaubten, Tolkien habe der Wissenschaft damit den Rücken gekehrt und etwas geschrieben, das ihrem Leben als Professoren und Lehrer komplett widersprach. In ihren Augen hatte er ihren Berufsstand verraten."
    Tolkien sah das anders:
    "In seinem akademischen Leben interessierte er sich für Sprache, Literatur und Sprachgeschichte. Er sah eine Verbindung zwischen einem altenglischen Heldengedicht wie "Beowulf", der isländischen Liedersammlung "Edda" und der Mythologie, die er erfunden hatte. Für ihn stellten sie alle Kunstgegenstände dar und waren miteinander verwandt. "
    Mächtiges Paralleluniversum
    Ob mit akademischem Segen oder nicht: J.R.R. Tolkien hat die fantastische Literatur salonfähig gemacht. Jedenfalls in Millionen von Haushalten, in denen nun Harry Potter und die intriganten Adelsgeschlechter aus dem Permafrost des "Game of Thrones" ganz selbstverständlich verkehren. Man braucht freilich nicht zu den Initiierten zu gehören, um an dieser reichhaltigen Ausstellung gefallen zu finden. Man lernt darin einen überaus originellen Pfeifenraucher kennen, der allein mit Fantasie, Sprache und ein bisschen Wasserfarbe einem mächtigen Paralleluniversum zum Urknall verhalf.