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Jackson Browne auf Europatour
"Ich hatte keine Ahnung, wie ich über Politik singen sollte"

Der amerikanische Singer-Songwriter Jackson Browne wuchs mit der Bürgerrechtsbewegung und den Protesten gegen den Vietnamkrieg auf. "Running On Empty" hieß seine Platte von 1978, die 65 Wochen in den Charts blieb. Jetzt ist der heute 66-jährige Musiker mit seinem neuen Album "Standing in the Breach“ unterwegs.

Jackson Browne im Corsogespräch mit Knut Benzner |
    Der amerikanische Musiker und Sänger Jackson Browne 2014 bei einem Auftritt in Italien.
    Der amerikanische Musiker und Sänger Jackson Browne 2014 bei einem Auftritt in Italien. (Imago / Italy Photo Press / Andrea Oldani)
    Knut Benzner: Jackson Browne, Ihre erste Schallplatte, ihre allererste Schallplatte erschien 1972, vor nunmehr mehr als 40 Jahren ...
    Jackson Browne: Ja, richtig, meine erste Schallplatte war zugleich für mich das erste Mal, dass ich mit anderen Musikern zusammen spielte. Ich war ziemlich glücklich, weil ich etwa Russ Kunkel, den Schlagzeuger, und Lee Sklar, den Bassisten, kennen gelernt hatte, die in jener Zeit bereits mit James Taylor gearbeitet hatten. Ich wäre überall hingegangen, wo ich hätte Arbeit finden können – aber ich wusste nichts über Schallplattenaufnahmen, ich wusste nicht, wie man eine Schallplatte macht, doch ich wusste, dass ich jemanden brauche, der sie für mich macht. Ich wusste, du brauchst einen großen Namen als Produzenten, ein paar Musiker, und diese beiden ...
    Mit dem zweiten Album kam dann David Lindley, den kannte ich bereits vorher, vor meiner ersten LP, es war somit wichtig für mich, dass mir die Leute vertraut waren. Ich meine, ich kann jemanden anrufen und fragen, ob er auf meiner LP, auf meiner CD spielen will, doch generell mag ich es wie in einer Band.
    Benzner: Sie waren ein Teil, wie soll ich sie nennen, ein Teil der Musikszene in Los Angeles, Warren Zevon, Crosby, Stills und Nash, die Eagles, James Taylor und so weiter. In Mitteleuropa lebend, diese Musik hörend, die Bilder jener vor Augen, Sie etwa, lange Haare, tolle Autos, wundervolles Wetter, meinetwegen auch schöne Frauen – es muss eine Art Traum gewesen sein ... mit unserem Blick von außen auf Kalifornien
    Browne: Was meinen Sie genau?
    "Ich hatte keine Ahnung, wie ich über Politik singen sollte"
    Benzner: Diese Art von Musik, von Ihnen sowie den anderen, war für uns so wie ein ...
    Browne: Ja, alles klar, ich sehe, was Sie meinen. Nun, Los Angeles ist einer dieser Orte, in denen sich Menschen sammeln, an denen Menschen zusammentreffen. Entweder kamen und kommen sie aus einer Kleinstadt irgendwo in den USA, um Schauspieler beziehungsweise Schauspielerin zu werden. Und sie kommen, weil sie Musiker werden wollten beziehungsweise sie waren bereits Musiker und kamen, weil die Schallplattenfirmen dort saßen. Andere versuchen noch heute, Filmstar zu werden. Los Angeles ist voll davon, und es hat alles: Eine große Latino-Bevölkerung, eine große afroamerikanische Bevölkerung, eine koreanische Bevölkerung, eine vietnamesische, es ist ein interessanter Mix – und der Ort der düsteren, schwarzen Literatur. Raymond Chandler, Ross Macdonald, diese unglaublichen Schriftsteller. Als ich mit der Musik anfing, kam ich nach L.A., weil, wie gesagt, die Schallplattenfirmen dort waren, die Clubs, in denen man spielen und mit seiner Musik weiterkommen konnte. Ich glaube, ich hatte nicht diesen Sinn für den Unterschied zwischen Los Angeles und anderen Orten. Ich dachte nicht, oh, Los Angeles ist anders. Ich ging einfach in die Stadt. Nach Jahren, nach vielen Jahren hatte ich eine Art Band und einen Produzenten, und nach und nach entstanden Freundschaften und ich dachte, Junge, ich will Lowell George auf meiner LP haben. Man fragte Freunde. Das ist bis heute nicht anders. Nur: Ich werde inzwischen von jüngeren Musikern angezogen, somit eine zeitgemäße Version dessen, wie es war, als ich jung war. Kulturelle Unterschiede findet man heraus, wenn man reist, wenn ich nach Europa komme, stelle ich fest, das ist ja ganz anders als dort, wo ich herkomme. Und ich stelle fest, dass man hier ein vollständiges Bild davon hat, wie es in Kalifornien sein muss.
    Benzner: Wann haben Sie angefangen, in Ihrem Songschreiben, meine ich, wann haben Sie angefangen, politische und soziale Dinge zu reflektieren?
    Browne: Ich wuchs auf in der Zeit der Bürgerrechtsbewegung. Ich war auf der High-School und meine Freunde schrieben Songs über die Bürgerrechte. Einer, Greg Copeland, hatte den Song "The Fairest of The Seasons" geschrieben, der Song, der auf Nicos LP "Chelsea Girl" der erste ist, er hatte Songs über Rosa Parks geschrieben, über Diskriminierung. Eigentlich war Copeland sehr ordentlich, er trug Blazer in der Schule, er war angezogen wie ein Erwachsener – und er war Schulsprecher. Er ist der größte Freak, den ich kenne und er wurde Poet. Wie auch immer, als wir auf der Schule waren, passierte eine Menge, es gab das Free Speech Movement, das Attentat auf John F. Kennedy, die Bürgerrechtsbewegung, Vietnam ...
    In dieser Zeit dachte man politisch – ich hatte keine Ahnung, wie ich darüber hätte singen sollen, nur meine Freunde, schien mir, konnten das. Bob Dylan war sehr politisch mit seinen frühen Aufnahmen, nichts Ungewöhnliches allerdings. Er hatte große Songs, "A Pawn In Their Game" oder "With God On Our Side", wir lernten sie singen und schätzten solche Musik, Folkmusik. Folkmusik kam aus dieser Zeit, "Which Side Are You On" war ein Gewerkschaftslied aus den 20ern – ich kannte es als Bürgerrechtslied aus den 60ern. Inzwischen habe ich meine eigene Version dieses Liedes, nicht derselbe Song musikalisch, aber diese Frage: Auf welcher Seite stehst Du behandelt "Which Side" auf meiner neuen CD auch, mit welcher Seite identifizierst Du dich? Und, um Ihre Frage endlich zu beantworten: Schon bevor ich Songs schreiben konnte, hatte ich eine politische Sicht.
    "Züge sind ein sehr amerikanisches Ding"
    Benzner: Eine Verbindung zu Ihrer neuen CD: Sie haben 1971, eigentlich für Ihre eigene LP, den Song "Take It Easy" geschrieben, Glen Frey von den Eagles war der Co-Autor. "Take It Easy", etwa: Immer mit der Ruhe, war ein Song über Jugendlichkeit, Promiskuität, leichtes Leben, ein Country-Song – der frühe Hit der Eagles dann, mit der Zeile: "Standing at the corner in Winslow, Arizona"; Die neue CD enthält einen Song mit dem Titel Leaving Winslow, Sie verlassen Winslow. Ein Song über das älter werden, über die Zeit, die vergeht, richtig?
    Browne: Ja, könnte man so sehen, eine interessante Beobachtung. In dem Song, ich meine, der Song ist nicht über mich, ich habe ihn aus dem Blickwinkel eines alten Mannes geschrieben, den ich in immer an den Bahngleisen traf. Dort, wo ich in Los Angeles lebte, war eine Schienentrasse, eine Eisenbahnbrücke, die über einen Park, eine Autostraße und ein Flussbett führte - wir spielten dort immer, als Jugendliche. Dort hielten sich damals Menschen auf, die man Hobos nannte, Wanderarbeiter, manche nannten sie auch Bumm, Rumtreiber – sie sprangen auf die Güterzüge und fuhren von Stadt zu Stadt, alte Männer, auf der Suche nach Arbeit, vielleicht der Arbeit ausweichend. Und einer von denen war der Freund meines Vaters, er kam und ging, Woody Guthrie hat über die, die ohne Ticket auf den Zug sprangen, gesungen, Cisco Huston auch, und Leadbelly. Züge kommen in Folksongs vor, in Blues-Songs, in Bluegrass-Songs, Züge sind ein sehr amerikanisches Ding, sie haben die Entdeckung des ganzen Landes begleitet. Und mein Songpart klingt wie ein Zug.
    Benzner: Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Sie sind verheiratet?
    Browne: Eigentlich nicht, wir sind seit 20 Jahren zusammen.
    Benzner: Okay, nochmal die tatsächliche Frage und verstehen Sie mich nicht falsch: Sie waren stets zusammen mit außergewöhnlichen Frauen, berühmten Frauen.
    Browne: Nein, wirklich nicht. Sehr berühmt? Ein oder zwei Mal, aber ich glaube nicht, dass das ein wichtiger Aspekt einer solchen Beziehung ist. Mit der, die ich jetzt liebe, bin ich seit 25 Jahren zusammen und sie ist alles andere als berühmt. Und die Beziehung, auf die Sie abzielen, da war sie nicht berühmt, als die Beziehung begann, also, das ist nichts, über das man nachdenken sollte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.