- "Der Jade-Weser-Port ist ein Geisterhafen."
- "Ach, geben wir doch mal zu, das mit dem Jade-Weser-Port war irgendwie eine Scheiß-Idee. Erst kommen so scheiß-wenig Schiffe, die kaum mehr einen Scheiß-Container abliefern."
- "Geburtstag im Geisterhafen, so nennen ihn die Kritiker und Spötter."
Die Stimmen aus alten Medienbeiträgen zeigen: Der Start des Jade-Weser-Ports vor rund sieben Jahren war gelinde gesagt holprig. Nachdem sich schon die Eröffnung verzögert hatte, kam schließlich auch der Umschlag am Hafen nicht so recht in Schwung. Mikkel Andersen Geschäftsführer von Eurogate in Wilhelmshaven erinnert sich:
"Wir haben angefangen und mehr oder weniger direkt nach dem Anfang kam die Krise. Und die Krise hat mehr oder weniger alles geändert, sodass wir, als wir 2012 in Betrieb gingen, doch eine ganz andere Situation vorgefunden haben, als 2008/2009. Es ist richtig, dass unser Anfang ein sehr schwieriger war."
Kein Vergleich zu Bremerhaven oder Hamburg?
Im Zuge der Wirtschaftskrise schlossen sich die großen Reedereien weltweit zu drei Allianzen zusammen. Das machte es schwieriger, einzelne Reedereien von sich zu überzeugen. Hans Joachim Janßen, heute Vorsitzender der Grünen in Niedersachsen, war lange Sprecher für Schifffahrt und Häfen der Grünen. Im Vergleich mit Bremerhaven oder Hamburg müsse man Geduld mit einem neuen Hafen haben, sagt er.
"Hamburg ist natürlich ein Hafen, der über Jahrhunderte gewachsen ist in diese Richtung, mit dem ganzen Equipment, der ganzen Ausstattung, die dazu gehört, das kann man nicht in wenigen Jahren auf der grünen Wiese errichten."
Die Entscheidung für einen deutschen Tiefseehafen findet er bis heute richtig, auch, wenn er sich einen anderen Standort gewünscht hatte.
"Cuxhaven hätte aber den großen Vorteil gehabt - auch da sind Wassertiefen ab 16 Meter -, dass man die gesamte Logistikschiene von Hamburg hätte mitnutzen können. Die ist von Wilhelmshaven natürlich sehr abseitig gelegen."
Immerhin, steigt wächst der Umschlag
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass der Umschlag am Jade-Weser-Port in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist. Zwar nicht in dem Ausmaß, das man sich anfangs erhofft hatte, dennoch lag die Wachstumsquote 2018 bei 18 Prozent. Während 2013 noch rund 76.000 TEU umgeschlagen wurden, waren es 2018 knapp 656.000 TEU.
TEU, so heißen die Standartcontainer in der Branche. Der Hafen kann - wenn er einmal ausgelastet ist - 2,7 Millionen TEU umschlagen, es gibt also noch viel Luft nach oben. Außerdem sieht es so aus, als ob das Wachstum im vergangenen Jahre stagnierte, sagt Andersen.
Alles hängt an den Reedereien
"Natürlich sind auch wir betroffen, wenn die Welt hustet, dann kriegen wir in der Logistik eine Lungenentzündung. Aber für uns ist es eher entscheidend: Wie werden die strategischen Entscheidungen von den Reedereien getroffen."
Denn wenn nur eine Linie einer Reederei den Jade-Weser-Port nicht mehr anläuft, macht sich das sofort bemerkbar. Viel schneller als bei einem etablierten Hafen wie Hamburg, der 8,7 Millionen TEU im Jahr umschlägt. Andersen glaubt, dass sich der Jade-Weser-Port noch in der Wachstumsphase befindet, es komme jetzt darauf an, die großen Schifffahrtsallianzen von sich zu überzeugen, dann könne auf einmal alles ganz schnell gehen.
"Wir schütteln noch unsere Ketchup-Flasche. Das heißt, ich glaube ganz fest daran, dass wir hier irgendwann einen Ketchup-Effekt erleben werden. Also wir schütteln und wir schütteln und da kommt nichts, oder es kommt zu wenig. Und wir kennen das alle von Zuhause, auf einmal haben wir ganz viel Ketchup. Und das ist mit den Allianzen so geworden. Man kann nicht tropfenweise Volumen bekommen, entweder bekommt man ganz wenig, oder nichts, oder man bekommt eine ganze Menge."
Immer größere Schiffe als Chance
Zum Beispiel, wenn vom Jade-Weser-Port aus auch Afrika bedient würde. Bisher fahren die Reederin von hier aus vor allem in den asiatischen Raum.
Die große Hoffnung für den Hafen sind zudem die stetig wachsenden Containerschiffe. Schon können die größten Schiffe, wenn sie voll beladen sind, in Europa nur in Rotterdam oder eben in Wilhelmshaven anlegen.
Andreas Bullwinkel von der Jade-Weser-Port Marketing GmbH ist für die Vermarktung des Hafens zuständig. Er geht davon aus, dass es noch rund zehn Jahre brauchen wird, bis den Hafen Schwankungen im Markt nicht mehr so direkt betreffen. Aber bis dahin sei es noch ein zäher Weg, auch wenn schon viel gelungen sei:
"Ein Meilenstein gleich zu Anfang, das war sicherlich die Ansiedlung des Anbieters Nordfrost, der sich auch gleich sehr breit aufgestellt hat. Der nächste riesige Meilenstein war dann die Ansiedlung von Volkswagen, Audi, mit der Packstation hier: keine Frage ein riesen Signal an den Markt. Und wir sind kurz davor, den wohl größten Meilenstein hier umzusetzen, nämlich die Ansiedlung von China-Logistics."
Ein chinesisches Staatsunternehmen, das sowohl Im- und Export im Hafen betreiben wird. Der geringe Import sei nämlich noch eine große Schwäche des Hafens, sagt Bullwinkel:
"Wenn sie nur Export-Ladung haben, läuft ihnen praktisch ihr Hafen ständig leer und sie haben keine Leercontainer hier anzubieten und das schafft Probleme für Kunden, wie für Reedereien. Wenn sie genügend Importladung gleichzeitig generieren können, dann ist dieses Problem gelöst."
Das gehört zu den Hausaufgaben, die der Jade-Weser-Port in den kommenden Jahren noch erfüllen muss.
Norddeutsche Hafen-Allianz?
Felix Jahn von der Industrie- und Handelskammer Nord nennt noch weitere Schritte, die Niedersachsen und Bremen in Angriff nehmen sollten.
"Das wäre auf der Infrastrukturseite sicherlich noch einmal die Elektrifizierung der Bahnstrecke Richtung Süden, also insbesondere zwischen Wilhelmshaven und Oldenburg. Und was dem Hafen, wie allen deutschen Seehäfen, helfen würden, wäre sicherlich die Realisierung der Küstenautobahn."
Für Mikkel Andersen von Eurogate und Hans Joachim Janßen von den Grünen ist noch ein ganz anderer Punkt entscheidend. Eine größere Kooperation der norddeutschen Häfen untereinander. Janßen spricht von einem norddeutschen Hafenkonzept.
"Ja, ich glaube da muss man zu ganz anderen Formen der Zusammenarbeit auch kommen. Das nicht nur die Wertschöpfung aus dem Hafen gibt. Das man Quoten festlegt, welche Steuern aus den Gewerbegebieten nach Bremen oder Hamburg fließen; weil sonst gibt es für Hamburg keinen Anlass, da mitzuspielen. Und es braucht natürlich eine vernünftige Aufteilung, damit man nicht die Elbe ausbaggert für die größten Containerschiffe."
Schiffe, die ohne Probleme in Wilhelmshaven anlegen könnten. Dass so eine Kooperation gelingt, halten aber viele für sehr unwahrscheinlich.