Ein kräftiges Halali zum Auftakt der nordrhein-westfälischen Wildwochen auf der Anuga, der Kölner Ernährungsmesse. Der Präsident des Landesjagdverbandes NRW, Ralf Müller-Schallenberg, kostet Wildschwein-Würste. Es ist Hochsaison für die Jagd. Doch am Jäger-Stammtisch herrscht Frust. Frust darüber, dass nicht noch intensiver gejagt werden darf. Ralf Müller-Schallenberg:
"Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine Strecke von 30.000 bis 50.000 Stück Wildschweinen allein pro Jahr. Bedauerlicherweise hat man unter der damaligen Landesregierung dieses Landesjagdgesetz auch in dem Punkt so massiv eingeschränkt, etwa die Kirrjagd, das Anlocken der Wildschweine. Und wir brauchen eine revierübergreifende Jagd, weil Schwarzwild weitläufig zieht, dazu gehört auch eine weite, lange Jagdzeit. Den Jägern muss ein weiter Spielraum zur Bejagung ermöglicht werden."
Die zweite Januarhälfte ist qua Gesetz zur Schonzeit für Schwarzwild erklärt worden. Solche Einschränkungen ärgern auch die Bauern. Ein junger Landwirt zeigt auf dem Handy Fotos verwüsteter Felder - Wildschäden durch Wildschweine:
"Wie einmal plattgefegt sieht dann so ein Maisfeld aus. Wir hatten auch im letzten Jahr wieder Schäden, wo sich die Wildschweine in Streifen längs durch den Hafer gefressen haben, immer dann, wenn der Hafer in der Milchreife ist – also in der teigigen Phase. Das ist für uns immer ein Ernteausfall. Wir haben dann zu kämpfen mit den Resten, die auf den Felder rumliegen, die wir dann fräsen müssen."
Zweieinhalb Jahre ist es her, dass 15.000 Jäger vor dem nordrhein-westfälischen Landtag gegen das ökologische Jagdgesetz des damaligen grünen Umweltministers Johannes Remmel Sturm liefen. So viel Waidmanns Wut gab's noch nie.
Neue Umweltministerin: "Jäger schützen die Natur"
Rund hundert Neuregelungen sah das neue Jagdgesetz vor, fast ebenso viele Änderungen hat die CDU anschließend beantragt. Im Koalitionsvertrag kündigte die schwarz-gelbe Landesregierung dann auch eine weitreichende Überarbeitung an. CDU-Umweltministerin Christina Schulze-Föcking schlägt neue Töne an:
"Die Jäger sorgen in Wald und Flur ganz viel für die Artenvielfalt, und vermitteln auch unglaublich viel Wissen. Sie gehen an Schulen und auch Kindergärten oder auch öffentliche Märkte mit ihren rollenden Waldschulen. Deshalb schützen sie in meinen Augen auch die Natur und ich bin ihnen sehr dankbar für die tolle Arbeit, die sie da leisten."
Die Jagd hat die Ministerin mit zwei Erlassen bereits erleichtert. Sie hat die Kosten für den Abschuss von Wildschwein-Frischlingen gesenkt und die Schutzfrist für sogenannte Überläufer, also über einjährige Tiere, ausgesetzt. Wildschäden sind dabei nicht ihre vorrangige Sorge. Sie treibt vor allem die Angst vor der afrikanischen Schweinepest um, die gerade in Tschechien grassiert. Die Seuche kann von Wildschweinen auf Masttiere übertragen werden.
"Wir müssen früh ansetzen, damit die Population nicht deutlich noch mehr steigt. Ansonsten haben die Jäger nicht den Anreiz, diese Tiere auch zu erlegen und zu schießen. Das wäre wirklich fatal, wenn sich die Schweinepest, die gerade ein Stückchen näher rückt, auch in unserem Land ausbreitet."
Blinder Aktionismus – findet Norbert Rüße, Umwelt-Sprecher der Grünen im Landtag. Intensive Wildschweinjagd löse das Problem nicht:
"Viel wichtiger wäre es, dass wir gegen die Schweinepest endlich ein Impfmittel bekommen und dass wir die Bestände durchimpfen können. Das wäre der richtige Schritt. Da kann man sich ja ausrechnen: Wenn man von einem Bestand durch verstärkte Bejagung von 100 Prozent der Tiere vielleicht zehn Prozent wegschießen würde, dann würde trotzdem 90 Prozent des Übertragungsrisikos einfach bleiben. Niemand hat doch den Gedanken, dass wir Deutschland wildschweinfrei machen, um die großen Mastbetriebe zu schützen vor der Schweinepest. Das ist Placebo-Politik!"
Jäger sahen sich als Katzentöter diskriminiert
Arten- und Tierschutz, beides wurde im neuen Gesetz unter Rot-Grün stark berücksichtigt. Nicht nur die Zahl der zu jagenden Tierarten wurde begrenzt, sondern auch die Art der Jagd: So darf der Fuchs etwa nur noch in Kunstbauten- und nicht mehr in seiner natürlichen Behausung erlegt werden. Die Ministerin will das ändern:
"Wir merken schon, dass die Füchse wieder ansteigen, dass wir dadurch natürlich mehr Wild haben, das gefressen wird. Und wir brauchen eine vernünftige Prädatoren-, sprich Raubtierbejagung."
Und sie darf sich auf Gegenwind gefasst machen. Das sei Tierquälerei und da mache man nicht mit, kündigt Norwich Rüße von den Grünen an. Eine Rolle rückwärts können die Jäger sowieso nicht erwarten. Einige Regelungen waren längst überfällig – entsprechen Bundes und EU-Vorgaben –, mit anderen haben sie sich arrangiert. Etwa mit dem Abschuss-Verbot von Katzen. Ja, richtig: Freiwildernde Katzen durften vor der Gesetzesnovelle unter bestimmten Voraussetzungen von Jägern geschossen werden. Das führte in der heiß gelaufenen Debatte dazu, dass sich die Jäger als Katzentöter diskriminiert sahen. Ralf Müller-Schallenberg, Präsident des Landesjagdverbandes, drängt heute auf andere Lösungen:
"Wir wollen keine Rückkehr zum alten Gesetz, sondern wir wollen, dass das Problem gelöst wird: Es gibt Millionen von verwilderten Katzen, die in der Natur exorbitante Schäden anrichten. Dazu haben wir gesagt: Kastration, Chip und Registrierung. Wir überlassen das der neuen Landesregierung, wie sie das Problem löst."
Da wartet noch einiges an Arbeit auf die neue Ministerin, die das Jagdgesetz als "kleinteilig und zäh" beklagt. Sie bittet die Jäger um Geduld: Mindestens bis zum kommenden Sommer werde die Überarbeitung dauern. Wie lautet doch eine Waidmanns-Weisheit: "Die meiste Zeit seines Lebens wartet der Jäger doch vergebens."