Mit Gewissheit kann auch heute noch kein Wissenschaftler sagen, wann genau die Aids-Epidemie begann, sagt der britische Genetiker Paul Sharp von der Universität Nottingham.
"Das Virus tauchte im Menschen in den 1920er oder 30er Jahren erstmals auf. Vorher war das Virus schon bei Schimpansen verbreitet in westlichen Zentralafrika. Wir gehen heute davon aus, dass die erste Übertragung vom Schimpansen auf den Menschen Folge eines Jagd-Unfalls war. Einen frisch erlegten Schimpansen auszuweiden, das ist eine blutige Angelegenheit. Vielleicht trug einer der Jäger eine kleine offene Wunde am Arm. Für das Virus bot sich so die Gelegenheit, in den Körper einzudringen. "
Der Unfall ereignete sich wahrscheinlich in Kamerun. Darauf deuten zumindest neueste Studien hin. In der Nähe des Sanaga-Flusses in Kamerun fand die Virologin Beatrice Hahn von der Universität von Alabama im Kot von Schimpansen ein Affenvirus, das große Ähnlichkeiten besitzt mit dem menschlichen HI-Virus. In einigen Schimpansengruppe trug jedes dritte Tier das Virus in sich.
"Wir gehen davon aus, dass das Virus dann eines Tages von einem infizierten Menschen nach Kingshasa, der Hauptstadt Kongos, gebracht wurde. Eine große Stadt, mit vielen Menschen: ideal für ein Virus. Das war auch der Startschuss für die weltweite Aids-Epidemie. "
Der Aids-Virus-Typ von damals existiert nicht mehr. Aids-Viren verändern sich mit großer Geschwindigkeit. Sie bilden immer neue Varianten. Jeder Mensch, der sich mit HIV angesteckt hat, trägt ein eigenes Virus in sich, das sich zudem ständig weiter verändert. Aber es ist möglich, aus allen heute zirkulierenden Varianten einen Stammbaum zu zeichnen, sagt die US-amerikanische Biologin Bete Korber von den Los Alamos National Laboratories. Sie hat den Ur-Ahnen der heutigen Viren abgeleitet. Sie verspricht sich davon einen ganz praktischen Nutzen: Das Ur-Virus soll helfen, einen Impfstoff zu entwickeln, der vor der Ansteckung mit möglichst vielen Virusvarianten schützt.
"Dieses Ur-Virus unterscheidet sich weniger von allen heute zirkulierenden Aids-Viren – als sich diese voneinander unterscheiden. Nehmen Sie ein beliebiges Aids-Virus. Es ist – bildlich gesprochen - doppelt so weit von allen anderen Virus-Typen entfernt wie von dem Ur-Virus. "
Das Ur-Virus ist ein Modell-Virus, von einem Computer errechnet. Bette Korbers Kollegen haben in einem Experiment die genetische Information des Modell-Virus benutzt und so im Labor Teile des Modell-Virus nachgebaut – zum Beispiel die Virus-Hülle.
"Wenn Sie bei einem natürlichen Virus die Hülle entfernen und diesen Nachbau einsetzten, dann entsteht ein intaktes neues Virus. Es ist schwach, gerade einmal überlebensfähig. Aber alles funktioniert wie bei einem normalen Virus. Es kann sogar an Zellen andocken. Das Wichtigste aber ist: die Virus-Hülle ist immunogen. Das heißt: das Immunsystem erkennt die Hülle und wird aktiv – auch gegen andere Varianten des Aids-Virus. Und diese Reaktion fällt deutlich stärker aus als bei jedem natürlichen Virus-Typ. "
Als Aids-Impfstoff kommen vollständige lebende Viren nicht in Frage. Es wäre zu gefährlich, gesunde Menschen mit einem potentiell krank machenden Virus zu impfen. Deshalb nutzt Bete Korber nur einige wenige Eiweiße des Ur-Virus für ihren experimentellen Impfstoff: Bruchstücke der Virushülle sowie Eiweiße, die das Aids-Virus unbedingt für seine Vermehrung braucht. Ob dieser Impfstoff eines Tages Menschen zuverlässig vor einer Ansteckung mit HIV schützen kann, ist unklar. Nach ersten Tests an Mäusen soll er jetzt an Affen ausprobiert werden. Genau zu wissen, wie die Aids-Epidemie entstanden ist, gibt nicht allein der Impfstoffentwicklung Impulse. Es hilft auch, die Behandlung der HIV-Infektion zu verbessern. Paul Sharp von der Universität Nottingham.
"Manche Leute glauben: das Affenvirus SIV macht Affen und Schimpansen nicht krank. Die Tiere müssen irgendwie unempfindlich sein für das Virus. So einfach ist das aber nicht: Die Tiere infizieren sich mit dem Virus. Und das Virus vermehrt sich in ihnen so gut wie im Menschen. Aber sie werden nicht krank. Warum das so ist? Dieses Rätsel versuchen Forschergruppen auf der ganzen Welt zu lösen."
Eine mögliche Erklärung haben Forscher aus Ulm gefunden. Sie verglichen Affenviren mit dem menschlichen HI-Virus. Das menschliche Aids-Virus weist einen kleinen aber folgenschweren Unterschied auf. Die Veränderung in einem einzigen Gen führt dazu, dass das Immunsystem von Infizierten ständig aktiviert wird. Es bilden ich immer neue Immunzellen. Die Viren vermehren sich in ihnen, und die Zellen sterben: So wird das Immunsystem auf Dauer zerstört.
Aids-Forscher Franco Lori, der im italienischen Pavia und in Bethesda in den USA arbeitet, sieht in der Überaktivierung des Immunsystems das größte Problem.
"Stellen Sie sich vor, Sie fahren Auto. Aber nicht ein großes bequemes mit Fünf-Gang-Getriebe. Sondern Sie sitzen in einem kleinen Auto, und sie fahren immer im ersten Gang. Wenn Sie schnell fahren, wird der Motor überhitzen. Und auf Dauer geht er kaputt. Genau das geschieht mit dem Immunsystem im Verlauf einer HIV-Infektion. "
Bei der Behandlung einer HIV-Infektion setzen Mediziner darauf, das Virus in seiner Vermehrung zu blockieren. Ein richtige Strategie, so Franco Lori, denn je kleiner die Zahl der Viren im Körper – um so weniger stark wird das Immunsystem aktiviert. Aber die Aids-Medikamente von heute reichen nicht aus.
"Wir brauchen zusätzliche Medikamente. Solche, die der Überaktivierung des Immunsystems vorbeugen. Nur so können wir das Immunsystem wirklich effektiv schützen und davor bewahren, dass es ermüdet. "
Hier allerdings steht die Forschung noch ganz am Anfang.
"Das Virus tauchte im Menschen in den 1920er oder 30er Jahren erstmals auf. Vorher war das Virus schon bei Schimpansen verbreitet in westlichen Zentralafrika. Wir gehen heute davon aus, dass die erste Übertragung vom Schimpansen auf den Menschen Folge eines Jagd-Unfalls war. Einen frisch erlegten Schimpansen auszuweiden, das ist eine blutige Angelegenheit. Vielleicht trug einer der Jäger eine kleine offene Wunde am Arm. Für das Virus bot sich so die Gelegenheit, in den Körper einzudringen. "
Der Unfall ereignete sich wahrscheinlich in Kamerun. Darauf deuten zumindest neueste Studien hin. In der Nähe des Sanaga-Flusses in Kamerun fand die Virologin Beatrice Hahn von der Universität von Alabama im Kot von Schimpansen ein Affenvirus, das große Ähnlichkeiten besitzt mit dem menschlichen HI-Virus. In einigen Schimpansengruppe trug jedes dritte Tier das Virus in sich.
"Wir gehen davon aus, dass das Virus dann eines Tages von einem infizierten Menschen nach Kingshasa, der Hauptstadt Kongos, gebracht wurde. Eine große Stadt, mit vielen Menschen: ideal für ein Virus. Das war auch der Startschuss für die weltweite Aids-Epidemie. "
Der Aids-Virus-Typ von damals existiert nicht mehr. Aids-Viren verändern sich mit großer Geschwindigkeit. Sie bilden immer neue Varianten. Jeder Mensch, der sich mit HIV angesteckt hat, trägt ein eigenes Virus in sich, das sich zudem ständig weiter verändert. Aber es ist möglich, aus allen heute zirkulierenden Varianten einen Stammbaum zu zeichnen, sagt die US-amerikanische Biologin Bete Korber von den Los Alamos National Laboratories. Sie hat den Ur-Ahnen der heutigen Viren abgeleitet. Sie verspricht sich davon einen ganz praktischen Nutzen: Das Ur-Virus soll helfen, einen Impfstoff zu entwickeln, der vor der Ansteckung mit möglichst vielen Virusvarianten schützt.
"Dieses Ur-Virus unterscheidet sich weniger von allen heute zirkulierenden Aids-Viren – als sich diese voneinander unterscheiden. Nehmen Sie ein beliebiges Aids-Virus. Es ist – bildlich gesprochen - doppelt so weit von allen anderen Virus-Typen entfernt wie von dem Ur-Virus. "
Das Ur-Virus ist ein Modell-Virus, von einem Computer errechnet. Bette Korbers Kollegen haben in einem Experiment die genetische Information des Modell-Virus benutzt und so im Labor Teile des Modell-Virus nachgebaut – zum Beispiel die Virus-Hülle.
"Wenn Sie bei einem natürlichen Virus die Hülle entfernen und diesen Nachbau einsetzten, dann entsteht ein intaktes neues Virus. Es ist schwach, gerade einmal überlebensfähig. Aber alles funktioniert wie bei einem normalen Virus. Es kann sogar an Zellen andocken. Das Wichtigste aber ist: die Virus-Hülle ist immunogen. Das heißt: das Immunsystem erkennt die Hülle und wird aktiv – auch gegen andere Varianten des Aids-Virus. Und diese Reaktion fällt deutlich stärker aus als bei jedem natürlichen Virus-Typ. "
Als Aids-Impfstoff kommen vollständige lebende Viren nicht in Frage. Es wäre zu gefährlich, gesunde Menschen mit einem potentiell krank machenden Virus zu impfen. Deshalb nutzt Bete Korber nur einige wenige Eiweiße des Ur-Virus für ihren experimentellen Impfstoff: Bruchstücke der Virushülle sowie Eiweiße, die das Aids-Virus unbedingt für seine Vermehrung braucht. Ob dieser Impfstoff eines Tages Menschen zuverlässig vor einer Ansteckung mit HIV schützen kann, ist unklar. Nach ersten Tests an Mäusen soll er jetzt an Affen ausprobiert werden. Genau zu wissen, wie die Aids-Epidemie entstanden ist, gibt nicht allein der Impfstoffentwicklung Impulse. Es hilft auch, die Behandlung der HIV-Infektion zu verbessern. Paul Sharp von der Universität Nottingham.
"Manche Leute glauben: das Affenvirus SIV macht Affen und Schimpansen nicht krank. Die Tiere müssen irgendwie unempfindlich sein für das Virus. So einfach ist das aber nicht: Die Tiere infizieren sich mit dem Virus. Und das Virus vermehrt sich in ihnen so gut wie im Menschen. Aber sie werden nicht krank. Warum das so ist? Dieses Rätsel versuchen Forschergruppen auf der ganzen Welt zu lösen."
Eine mögliche Erklärung haben Forscher aus Ulm gefunden. Sie verglichen Affenviren mit dem menschlichen HI-Virus. Das menschliche Aids-Virus weist einen kleinen aber folgenschweren Unterschied auf. Die Veränderung in einem einzigen Gen führt dazu, dass das Immunsystem von Infizierten ständig aktiviert wird. Es bilden ich immer neue Immunzellen. Die Viren vermehren sich in ihnen, und die Zellen sterben: So wird das Immunsystem auf Dauer zerstört.
Aids-Forscher Franco Lori, der im italienischen Pavia und in Bethesda in den USA arbeitet, sieht in der Überaktivierung des Immunsystems das größte Problem.
"Stellen Sie sich vor, Sie fahren Auto. Aber nicht ein großes bequemes mit Fünf-Gang-Getriebe. Sondern Sie sitzen in einem kleinen Auto, und sie fahren immer im ersten Gang. Wenn Sie schnell fahren, wird der Motor überhitzen. Und auf Dauer geht er kaputt. Genau das geschieht mit dem Immunsystem im Verlauf einer HIV-Infektion. "
Bei der Behandlung einer HIV-Infektion setzen Mediziner darauf, das Virus in seiner Vermehrung zu blockieren. Ein richtige Strategie, so Franco Lori, denn je kleiner die Zahl der Viren im Körper – um so weniger stark wird das Immunsystem aktiviert. Aber die Aids-Medikamente von heute reichen nicht aus.
"Wir brauchen zusätzliche Medikamente. Solche, die der Überaktivierung des Immunsystems vorbeugen. Nur so können wir das Immunsystem wirklich effektiv schützen und davor bewahren, dass es ermüdet. "
Hier allerdings steht die Forschung noch ganz am Anfang.