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Jahresbestseller 2016
Harry Potter und maue Regiokrimis

J.K. Rowling war vorne dabei in der "Spiegel"-Jahresbestsellerliste 2016 - die wir hier mit Kommentaren versehen. "Harry Potter und das verwunschene Kind" schafft es als Theaterstückvorlage und in der englischen Originalfassung in die Liste. Ansonsten: viel maue (Regio-)Krimis - aber wenigstens gibt es Elena Ferrante und "Gregs Tagebuch".

Von Felix-Emeric Tota |
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    J.K. Rowlings "Harry Potter und das verwunschene Kind" schafft es als Vorlage und im Original in die Bestsellerliste. (Wall to Wall Media Ltd)
    1. Joanne K. Rowling / Jack Thorne / John Tiffany: "Harry Potter und das verwunschene Kind"
    Der Jahresbestseller Nummer eins 2016, "Harry Potter und das verwunschene Kind", berge nichts Neues, schon gar nicht für Kenner der übrigen Bücher, so die Kinderbuchkritikerin und Harry-Potter-Expertin Karin Hahn im Gespräch. In diesem von Jack Thorne geschriebenen Theaterstück fehle der Witz und der typische Klang der von J.K. Rowling geschriebenen Romane. Die Figurenzeichnung stimme nicht, statt dessen müsse man sich öfter "fremdschämen" über bemühte Gags. Ihrer Meinung nach habe hier eher eine kommerzielle Ausschlachtung der Serie und der Marke "Harry Potter" im Vordergrund gestanden.
    "Harry Potter und das verwunschene Kind" von Jack Thorne, übersetzt von Klaus Fritz und Anja Hansen-Schmidt. Carlsen Verlag, Hamburg. 336 Seiten, 19,99 €
    2. Sebastian Fitzek: "Das Paket"
    "Das Paket" ist eine wirklich hanebüchene, kriminalistische Schmonzette, bei der man ziemlich oft ziemlich tief in die Backen blasen muss. Vorne steht "Psychothriller" dran. Der Thrill kommt beim Lesen aber oft nur dadurch, dass man darauf wartet, dass die nächste platte Formulierung kommt oder das nächste schiefe Bild auftaucht. In "Das Paket" wird davon gesprochen, dass "der Mond über Berlin thront wie eine Mitternachtssonne". Oder davon, dass Emma, die Protagonistin, "dicht unter der Oberfläche des Schlafs treibt." Man erkennt als Leser ungefähr, was gemeint ist, das ist in Ordnung. Man erkennt aber auch, dass sich Fitzek die Mühe erspart, treffende Sätze für das zu finden, was er sagen will.
    Sebastian Fitzek: "Das Paket". Droemer Knaur Verlag, München 2016. 368 Seiten, 19,99 €
    3. Joanne K. Rowling / Jack Thorne / John Tiffany: "Harry Potter and the cursed child"
    Harry Potter-Fans fürchten also keine Sprachbarrieren: Der englische Originaltext des Theaterstücks - auf der deutschen Jahresbestsellerliste.
    Joanne K. Rowling / Jack Thorne / John Tiffany: "Harry Potter and the cursed child”. Little, Brown Book Group, London 2016. 320 Seiten, 24,80 €
    4. Jeff Kinney: "Gregs Tagebuch – Alles Käse!"
    Jeder Band wird ein Bestseller, auch der mittlerweile 11. Teil. Liegt zum einen natürlich an Greg - aber auch daran, dass es ebenso Kinder wie Erwachsene anspricht. Der große Erfolg kommt also ebenfalls daher, dass Eltern diese Bücher mit ihren Kindern teilen können. Gregs Tagebücher beschreiben die schönen und wirklich witzigen Katastrophen im Leben des 11-jährigen Junior-Highschool-Schülers Greg. Er würde am liebsten den ganzen Tag Videospiele spielen, seine Mutter aber würde gerne sehen, dass er "etwas Kreatives macht". Die Bücher sind mit den einfachsten Strichmännchen illustriert, die aber auf ganz fantastische Weise den alltäglichen Familien- und Teenagerwahnsinn auf den Punkt bringen.
    Jeff Kinney: "Gregs Tagebuch – Alles Käse!" Baumhaus Medien, Köln 2016. 224 Seiten, 14,99 €
    5. Jojo Moyes: "Ein ganz neues Leben"
    Seitdem 2013 "Ein ganzes halbes Jahr" 'rausgekommen ist, stand Jojo Moyes zeitweise gleich mit mehreren Büchern auf der Bestsellerliste. Und nun eben mit "Ein ganz neues Leben" auf der Fünf. "Ein ganz neues Leben" ist die tragische Fortsetzung des tragischen Endes von "Ein ganzes halbes Jahr", in dem Lou und Will zueinander finden. Im Folgeband ist Lou wieder alleine. Man könnte den zweiten Teil ungefähr so zusammenfassen: Ein Kleinstadtmädchen sucht ihr neues Leben und eine neue Liebe, nach dieser einen ganz großen. Und das ist nicht so leicht. Doch – keine Panik! – Jojo Moyes schafft es auch hier wieder: eine Geschichte, bei der einem das Herz blutet, zu Feel-Good-Literatur zurechtzubiegen.
    Jojo Moyes: "Ein ganz neues Leben". Wunderlich Verlag, Reinbek 2015. 528 Seiten, 19,95 €
    6. Rita Falk: "Leberkäsjunkie"
    Besonders stark sind dieses Jahr "humorvolle Wohlfühlregionalkrimis". Nicht zu blutrünstig, nicht zu kompliziert, aber auch nicht besonders witzig. Das sind neben dem Heimatbezug, anscheinend, die Kriterien für diese Provinzkrimis. Auf Platz sechs findet sich "Leberkäsjunkie" von Rita Falk wieder. Und der Dorfpolizist Franz Eberhofer hat mal wieder mit allem Möglichen zu kämpfen. Auch mit seinem Cholesterinwert.
    Rita Falk: "Leberkäsjunkie". dtv, München 2016, 320 Seiten, 15,90 €
    7. Jean-Luc Bannalec: "Bretonische Flut"
    Raus aus Deutschland geht es mit Platz sieben. Dort finden wir uns zum fünften Mal in der Bretagne wieder, nämlich in Kommissar Georges Dupins fünftem Fall "Bretonische Flut" von Jean-Luc Bannalec. Das Buch selbst driftet vom aufzuklärenden Mord ständig in die bretonische Mythologie ab und macht den Anschein, "Twin Peaks" nach Frankreich holen zu wollen. Der Erfolg kommt daher, dass "Bretonische Flut" ein Regionalkrimi aus deutscher Feder ist und zur Sparte "Sehnsuchtsorte" gehört. Da lag Frankreich in den letzten Jahren und so auch 2016 ganz weit vorne.
    Jean-Luc Bannalec: "Bretonische Flut". Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016. 448 Seiten, 14,99 €
    8. Elena Ferrante: "Meine geniale Freundin"
    Der Erfolg von Elena Ferrantes Neapel-Tetralogie beruhe auf der Qualität des Textes, sagt Hubert Winkels. Er weigere sich, diesen auf die Begleitumstände, auf das Rätselraten um das Pseudonym und die Versuche, es zu lüften, zurückzuführen. Die lebenslange Freundschaftsgeschichte der zwei weiblichen Hauptfiguren in "Meine geniale Freundin" sei relevant und interessiere ein breites Publikum in vielen verschiedenen Ländern - in Italien ebenso wie in den USA, Großbritannien, Frankreich und nun eben auch in Deutschland.
    Elena Ferrante: "Meine geniale Freundin". Aus dem Italienischen von Karin Krieger, erschienen bei Suhrkamp, Berlin. 422 Seiten, 22 €
    9. Nele Neuhaus: "Im Wald"
    Erst im Taunus, dann im Gehölz, dann im Hospiz, dann vierzig Jahre zurück in die Vergangenheit: der mittlerweile achte Teil der Bodenstein-Kirchhoff-Reihe. Mit "Im Wald" probiert Nele Neuhaus eine Genresymbiose. Denn der Krimi ist nur zur Hälfte ein Krimi. Die andere Hälfte ist ein Entwicklungsroman: Bodensteins Gedankenverwirrungen und Selbstzweifel sind zuerst langweilig, dann übertrieben und dann nur noch nervig. Zum Glück kann sich dieses Panorama auf 560 Seiten ausbreiten.
    Nele Neuhaus: "Im Wald". Ullstein Verlag, Berlin 2016. 560 Seiten, 22 €
    10. Rita Falk: "Weißwurstconnection"
    Wieder ein Eberhofer-Franz-Krimi. Wieder im fiktiven Niederkaltenkirchen. Wieder ein Dorfpolizist im tumben Kampf für die Gerechtigkeit. Wo bajuwarische Folklore und Brechstangen-Humor aufeinander treffen, da ist Rita Falk zuhause. Ein immenser Teil des Erfolgs um Franz Eberhofer ist wohl, Bayern so darzustellen, wie das Publikum es gerne möchte – und, dass es am Ende sagt: "Ja, so sind sie halt, die Bayern."
    Rita Falk: "Weißwurstconnection". dtv, München 2016. 304 Seiten, 15,90 €
    Sie können das Gespräch zwischen Antje Deistler und Jan Drees mindestens sechs Monate nachhören