Gendergerechtigkeit, Gewaltstrukturen, Klimaneutralität - eine Fülle an aktuellen Diskursen laufe parallel zum Theaterbetrieb und beherrsche die Wahrnehmung von Theater stark, meint Kritiker Michael Laages.
Dennoch folgten nicht alle Häuser den aktuellen Trends. So löse Martin Kušej Karin Bergmann als Direktor des Burg Theaters ab, in Zürich folge auf Barbara Frey ein Intendanten-Duo: Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg teilten sich den Posten seit diesem Sommer.
"Vom Ballast der Gender-Debatte befreit"
Eine Inszenierung von Anton Tschechows "Platonow" am Staatstheater Hannover hat Kritiker Michael Laages besonders beeindruckt. Das Haus verstehe sich als feministisches Theater und mache das in dieser Inszenierung mit dem Titel "Platonowa" deutlich. Die Aufführung habe einen Effekt, der für die Geschlechter- und Genderdebatte sehr wichtig sei: "Wir wurden aus dieser großen Behauptung 'Das ist Platonowa', eine Frau, entlassen in eine Welt, in der das gar nicht mehr so wichtig war: Spielt das eine Frau, die einen Mann liebt oder ein Mann, der einen Mann oder eine Frau liebt?" Die Aufführung sei auf diese Weise vom Ballast der Gender-Debatte befreit worden.
Ebenfalls in Erinnerung geblieben sind Michael Laages zwei Inszenierungen von Frank Castorf. "Galileo Galilei" am Berliner Ensemble und "Justiz" von Friedrich Dürrenmatt am Schauspielhaus Zürich. Die Inszenierung "Justiz" sieht Laages als potenziellen Kandidaten für das Berliner Theatertreffen 2020. "Ein Roman der plötzlich zu einem zerrbildartigen Porträt der Schweiz von damals und heute wurde."
"Das Theater ist am Puls der Zeit"
Den Tod von Bruno Ganz bedauert Michael Laages sehr, auch Johann Kresniks neuen Blick auf das Tanztheater wird er vermissen. Ein Stück, das im Theaterjahr 2019 besonders gefragt war, ist "Vögel" des französischen Autors Wajdi Mouawad. Es passe momentan sehr gut in den Flüchtlings- und Weltelendsdiskurs und sei vielleicht aus diesem Grund so oft auf der Angebotsliste, vermutet Laages.
Trotz der Debatten über Strukturreformen im Theaterbetrieb findet Michael Laages, dass das Theater am Puls der Zeit sei und fabelhaft funktioniere: "Das Theater positioniert sich auch mit großer Energie gegen Angriffe von rechts. In dieser Auseinandersetzung sind die Theater stark."