In der Kunst wurden 2019 nicht nur vordergründig politische Dinge verhandelt wie die Klimakrise oder die Flüchtlingsfrage, sondern das Museum hat sich dieses Jahr selbst als Ort des Politischen verstanden, wie der Kunstkritiker Hanno Rauterberg feststellte. Die in einem Museum gezeigten Werke verdankten sich schließlich einem Machtdenken.
Museen hätten sich zum Beispiel selbstkritisch gefragt: Wie viel Einfluss haben Sponsoren auf unser Haus? Und wie kommt es, dass in einem Haus wie dem Museum of Modern Art in New York immer noch mehrheitlich die Werke weißer Männer zu sehen sind? Solche Fragen seien auch vorher schon diskutiert worden. Doch erst jetzt zeigten sich die Museen davon nachhaltig beeindruckt.
Museum als politischer Ort
Rauterberg verwies dabei auf ein Vorstandsmitglied des Whitney Museums in New York, das zurücktreten musste, weil ihm viele Künstler zu Recht vorgeworfen hatten, mit einer seiner Firmen an der Produktion von Tränengas beteiligt zu sein. Hier hätten Boykottdrohungen von Künstlerinnen und Künstlern Konsequenzen gehabt - für Rauterberg ein Beispiel von vielen, bei dem das Museum als politischer Ort und als Ort der Machtaushandlung begriffen wurde.
Das Museum of Modern Art habe entschieden, sich von seiner rigiden Kanonvorstellung zu verabschieden und dafür eine regelmäßige Rotation von Kunstwerken einzuführen. So werde alle 18 Monate ein Saal mit Kunstwerken aus den Depots bespielt, wodurch Klassiker durch bisher unbekannte Werke ergänzt werden könnten. Ziel des Museums sei es dabei, immer wieder neu zu fragen, welches Kunstwerk wirklich wichtig ist, so Kunstkritiker Rauterberg - eine Entwicklung, die mit einem Machtzuwachs für Kuratoren einhergegangen sei.
Kirchenbrand und Juwelenraub
Darüber hinaus findet Rauterberg dieses Jahr die vielen Diskussionen über ethisches Bewusstsein in der Kunstwelt bemerkenswert. Darf man Werke von Paul Gauguin trotz der Missbrauchsvorwürfe noch unkommentiert zeigen? Oder dürfen Werke des Hitler-Verehrers Emil Nolde im Kanzleramt hängen? Diese Gemälde wurde abgehängt und bis heute nicht ersetzt. Rauterberg sieht in der weißen Wand im Kanzleramt ein Zeichen, "dass uns Kunst nicht mehr so selbstverständlich erscheint, dass wir kritische Fragen an sie stellen, was richtig ist." Die Frage sei nur, welche Konsequenzen man daraus ziehe.
Auch fürchterliche Ereignisse erschütterten die Kunstwelt 2019: Die Pariser Kathedrale Notre-Dame brannte, und aus dem Grünen Gewölbe in Dresden wurden kostbare Juwelen geraubt. Parallelen sieht Hanno Rauterberg in der sofortigen politischen Instrumentalisierung dieser Ereignisse: Bei Notre-Dame durch den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, der zum raschen Wiederaufbau drängt - ein Tatendrang, der sich laut Rauterberg für das Denkmal eher kontraproduktiv erweisen könnte. Im Dresdner Fall habe die AfD die Chance gewittert zu sagen, westliche Museumsdirektoren hätten die sächsischen Schätze verraten und letztlich veruntreut. Auch der sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU) habe von einem "Anschlag auf die sächsische Identität" gesprochen, nicht von einem bedauerlichen Juwelenraub. Beides sei ein Ausdruck dessen, dass das hypernervöse Klima danach lechze, alles politisch aufzuladen.