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Jahrestag der Loveparade-Katastrophe
Lichter und Tränen in Duisburg

Fünf Jahre nach der Loveparade-Katastrophe hat die Stadt Duisburg mit einer "Nacht der 1000 Lichter" an die Opfer erinnert. Bei dem Techno-Fest im Jahr 2010 waren 21 Menschen ums Leben gekommen, 5000 wurden verletzt.

Von Moritz Küpper |
    Betroffene und Angehörige erinnern in einer "Nacht der 1000 Lichter" in Duisburg an die Katastrophe bei der Loveparade 2010
    Betroffene und Angehörige erinnern in einer "Nacht der 1000 Lichter" in Duisburg an die Katastrophe bei der Loveparade 2010 (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
    "Stell die da unten hin!"
    Es ist ein lauer Sommerabend in Duisburg-Nordhof. Vorbereitung auf die "Nacht der 1000 Lichter". Wie in den Jahren zuvor, stehen rote Kerzen bereit, die die Angehörigen und Betroffenen nun entzünden.
    Es ist viel Arbeit, denn eigentlich, sind es rund 1150 Kerzen, die über der gesamten Gedenkstelle, eben jener engen Rampe mit der verhängnisvollen schmalen Steintreppe, verteilt werden wollen. Das Feuerzeug, es geht immer wieder aus.
    "Hier ist manchmal doch mehr Wind als gedacht."
    Der nette Ton, das Anzünden der Kerzen, es gibt dem Ganzen einen handwerklichen Ablauf, ist eine ablenkende Tätigkeit – doch der Anlass ist genau das Gegenteil: Vor fast auf den Tag genau vor fünf Jahren, ereignete sich hier, an dem Platz, an dem nun Kerzen angezündet werden, an dem Eltern Porträts ihrer Kinder auf schwarzen T-Shirts tragen und gerahmte Fotos hinstellen, eine Tragödie. Es sind diese Sekunden, Minuten und wohl auch Stunden, die die Betroffenen und Angehörigen für immer verbinden werden – und weshalb sie nun gekommen sind.
    Vergessen werden sie nicht
    "Wir freuen uns alle aufeinander, aber kommen natürlich auch mit Tränen in den Augen hierhin mit einem unguten Gefühl. Es ist einerseits wirklich sehr schwer hierhinzukommen jedes Jahr", sagt Jessica Plönes. Sie war damals in den Menschenmassen, jetzt steht die zierliche Frau vor der Gedenkstätte. Plönes, so wirkt es, hat die Tragödie überwunden, zurück ins Leben gefunden - als eine von wenigen hier. Sie studiert mittlerweile Maschinenbau. Doch vergessen kann und wird sie nie:
    "Bisher geht es eigentlich noch ganz gut, aber ich denke mal, zum morgen hin wird sich das auch noch dramatisch verschlechtern."
    Mittlerweile hat sich die Dunkelheit über die Gedenkstelle gelegt, aus der Ferne rauscht die A59, man steht in kleinen Gruppen zusammen. Die Unterhaltungen bilden ein Grundrauschen, die Kerzen leuchten. Es ein friedliches, ein harmonisches Bild - so die Botschaft, die Stunden zuvor noch anders klang:
    "Ja, herzlich Willkommen bei der Pressekonferenz der Initiativen, Angehörigen und Betroffenen der Loveparade 2010. Es ist fünf Jahre her, dass das Unglück geschehen ist. Es hat sich in den fünf Jahren sehr viel getan. Es hat sich in den fünf Jahren aber auch sehr viel Schleppendes getan."
    Jörn Teich, der Organisator des Vereins Lopa2010, der auch die "Nacht der 1000 Lichter" ausrichtet, hat zur Pressekonferenz geladen. Es ist schmaler Raum, die Kameras drängeln sich. Bis zum Beginn musste Teich immer wieder rausgehen, er - der ebenfalls in dem Tunnel war - kann die Enge nicht ertragen. Dennoch, seine Botschaft ist ihm wichtig:
    "Wir fallen in ein großes Betreuungsloch. Und haben deswegen heute, an dem Tag, mit gewählten Vertreten der Angehörigen und Betroffenen, eine Stiftung gegründet, die sich zukünftig um die Nachsorge für Angehörige und Betroffene kümmern wird."
    Auch Angehörige von Opfern aus anderen Ländern sind dabei
    50.000 Euro beträgt das Startkapital der Stiftung, die das Datum und den Ort, bewusst aber nicht Begriff "Loveparade" im Namen trägt. Man wolle auch Betroffenen anderer Unglücke, wie beispielsweise vom Flugzeugabsturz von Rammstein, helfen, so Teich. Während er das Stiftungskonzept erklärt, murmeln italienische, spanische und chinesische Übersetzer im Hintergrund. Denn auch Eltern aus diesen Ländern, haben ihre Kinder in Duisburg verloren. Auch sie sind wieder an den Ort des Geschehens gekommen - und wollen reden, klagen an.
    "Ich kann auch nicht verstehen, dass die ganzen Ermittlungen drei Jahre lang geheim geblieben sind – ohne dass die Rechtsanwälte der Nebenklage etwas erfahren können oder etwas sagen können."
    Ende der Verjährungsfrist
    Paco Zapater aus Spanien, selbst Strafrechtler, hat vor fünf Jahren seine Tochter Clara verloren. Dreieinhalb Jahre hat es gedauert, bis die Staatsanwaltschaft im Februar vergangenen Jahres die Anklageschrift einreichte. Für Zapater sind die zehn Beschuldigten - sechs Mitarbeiter der Stadt, vier von der Betreibergesellschaft Lopavent - nur Angeklagte zweiter und dritter Liga.
    Stattdessen will er den damalige Oberbürgermeister Adolf Sauerland sowie der Geschäftsführer der Lopavent, Rainer Schaller, auf der Anklagebank sehen. Doch mit Ablauf des 27. Juli, also kommenden Montag, greift in diesen beiden Fällen, wie auch bei allen anderen, gegen die nicht ermittelt wurde, die Verjährungsfrist.
    Und auch an der Gedenkstätte, an der verhängnisvollen Rampe, ist der Prozess, auf den alle immer noch warten, das beherrschte Thema. Mittlerweile ist auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link eingetroffen, stellt er eine weiße, dicke Kerze auf. Der Nachfolger von Adolf Sauerland, der 2012 abgewählt wurde, weiß um eines Verfahrens:
    "Wir wünschen uns natürlich, dass das Gerichtsverfahren losgeht, wir warten darauf jetzt seit mittlerweile fünf Jahren und viele brauchen es einfach auch, um ein kleines Stück einen Schlussstrich unter ein Kapitel ziehen zu können, ein Kapitel abschließen zu können für sich, weitermachen zu können.
    Ob am Ende die Erwartung, die an so ein Gerichtsverfahren gerichtet werden, nämlich die eine Wahrheit, den einen Schuldigen oder die Schuldigen zu finden. Ob das realisiert werden kann, das muss man sehen. Aber ich wünsch mir sehr, mit vielen anderen auch, dass das Gerichtsverfahren endlich los geht."
    Und Betroffene und Angehörige damit vielleicht doch ein Stück weit Frieden finden können - so wie auf der "Nacht der 1000 Lichter", gestern, in Duisburg-Neudorf.