Archiv

Nach der Saudi-Übernahme
Newcastle träumt von der Champions League

Der englische Premier League Klub Newcastle United hat die reichsten Eigentümer der Welt, einen saudi-arabischen Staatsfonds. Die Newcastle-Fans warten jetzt auf die großen Stars. Dass Saudi-Arabien Menschenrechte mit Füßen tritt, stört sie nicht.

Von Hendrik Buchheister |
October 8, 2022, Newcastle, Tyne and Wear, United Kingdom: Newcastle fans with a huge flag with Amanda Staveley of Newcastle United on during the Premier League match Newcastle United vs Brentford at St. James's Park, Newcastle, United Kingdom, 8th October 2022. (Credit Image: é Mark Cosgrove/News Images via ZUMA Press Wire
Beim Premier League Heimspiel gegen Brentford feiern Newcastle Fans Amanda Stavely. Die Geschäftsfrau half, Uniteds Übernahme durch das saudische Konsortium einzufädeln. (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Mark Cosgrove / News Images)
Ein Jahr ist es her, dass Sky Sports in England verkünden konnte: Newcastle United hat neue Eigentümer. Der bei den Fans verhasste Sportartikel-Magnat Mike Ashley – er hat den Klub verkauft. Die Nachricht löst Euphorie aus beim Anhang der Elstern, wie Newcastle wegen der Vereinsfarben Schwarz und Weiß genannt wird. Am Stadion St. James’ Park wird gefeiert wie nach dem Gewinn einer Meisterschaft.

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Außerhalb Newcastles wird der Eigentümerwechsel damals kritisch gesehen. Die Kritik besteht auch ein Jahr später noch. Denn die neuen Besitzer sind eine Investorengruppe, hinter der zu 80 Prozent der Public Investment Fund PIF aus Saudi-Arabien steckt, einer der reichsten Staatsfonds der Welt.

Saudisches Investment gilt als Sportswashing

Das Engagement in der Premier League wird von vielen Beobachtern als Sportswashing eingestuft, also als Versuch, mit Sport das eigenen Image zu polieren. Das sieht auch Nicholas McGeehan von der Menschenrechtsorganisation Fairsquare so.
“Der De-Facto-Staatschef von Saudi-Arabien ist Mohammed bin Salman. In den Jahren vor der Übernahme war er direkt in den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi verwickelt. Saudi-Arabien hat ohnehin eine schreckliche Menschenrechtsbilanz. Aber der Khashoggi-Mord hat das Land und vor allem Mohammed bin Salman ins Rampenlicht gerückt. Die Newcastle-Übernahme folgte auf andere prestigeträchtige Engagements von Saudi-Arabien im Sport. Das alles wird als Versuch gesehen, den Ruf von bin Salman wiederherzustellen. Deshalb hat die Übernahme von Newcastle United mehr Sorgen und Kritik hervorgerufen als andere Übernahmen in der Vergangenheit.”

In Necastle gab es keinen Widerstand gegen Verkauf

Diese Vorbehalte hatten vor allem nationale und internationale Betrachter. In Newcastle selbst hat es keinen Widerstand gegen den Eigentümerwechsel gegeben. Die Lokalpolitik, örtliche Medien und die Fans von Newcastle United waren – und sind auch weiterhin – begeistert von den neuen Besitzern.
Warum? Das erklärt Jamie Smith vom Fan-Magazin “The Mag”: “Die Freude über die Übernahme hat zwei Seiten. Ja, wir haben neuerdings extrem reiche Eigentümer. Aber wir sind auch einen Besitzer losgeworden, der den Verein zerstört hat. Mike Ashley hat damals einen Verein übernommen, der um Pokale gekämpft und sogar in der Champions League gespielt hat. Unter ihm sind wir zu einem Jojo-Klub geworden. Diesen Besitzer loszuwerden, war für viele Fans vielleicht wichtiger als die Identität der neuen Eigentümer.”
Seit der Übernahme vor einem Jahr ist die Euphorie in Newcastle ungebrochen. Es geht aufwärts für den Klub. In der vergangenen Saison gelingt der Klassenerhalt, in dieser Spielzeit spielen die Elstern um die internationalen Plätze mit. In fünf bis zehn Jahren, so der Plan der Eigentümer, ist die Meisterschaft das Ziel.

Vorbilder sind ManCity und PSG

„Kurzfristig war es wichtig, den Stolz des Klubs wiederherzustellen. Ich glaube, das haben wir geschafft. PFI und die anderen Besitzer wollen, dass wir auf dem höchsten Level Fußball spielen, in allen Wettbewerben. Das ist eine langfristige Strategie, aber ich bin hoffnungsvoll, dass wir das schaffen“, sagt Newcastles Co-Besitzer Jamie Reuben im vereinseigenen TV-Kanal.

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Newcastle soll sich nach dem Vorbild von Manchester City und Paris Saint-Germain entwickeln. Die beiden Vereine werden ebenfalls von reichen Staaten aus dem Nahen Osten finanziert und gehören zur internationalen Elite.
Newcastle hat die reichsten Eigentümer im Weltfußball. Bei der Übernahme träumten die Fans davon, dass künftig Stars wie Kylian Mbappé oder Neymar im St. James’ Park auflaufen. Gemessen an diesen Fantasien hat sich der Klub im ersten Jahr unter den neuen Besitzern behutsam entwickelt. Insgesamt knapp 240 Millionen Euro hat Newcastle in neue Spieler investiert. Für englische Verhältnisse ist das moderat.
Es kamen weniger bekannte Profis wie Dan Burn aus Brighton, Bruno Guimarães von Olympique Lyon und Alexander Isak, der einst bei Borussia Dortmund gescheitert war. Der neue Trainer Eddie Howe ist ein Talent, kein Starcoach.
Die Fans gehen den Weg mit. Fürs Erste sind sie glücklich damit, dass der Verein nicht mehr gegen den Abstieg spielt und wieder Ambitionen hat, dass im St. James’ Park wieder die berühmte gute Stimmung herrscht, dass sie ihren Verein zurückhaben. Zurück aus den Fängen von Mike Ashley. So sehen sie das.

Rolle der Fans sei nicht, moralische Instanz zu sein

Jamie Smith vom Fan-Magazin “The Mag” sagt, dass sich viele Fans natürlich über die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien und mögliches Sportswashing im Klaren seien. Doch er sieht es nicht als Aufgabe der Fans, über Weltpolitik zu urteilen:

Wenn es vorher keine Engagements von Diktaturen im Fußball gegeben hätte, wenn die Regierung von Saudi-Arabien keine Verbindungen zum Vereinigten Königreich hätte, dann würde man vielleicht über die Übernahme so denken, als würden die Taliban einen Verein kaufen. Aber man muss grundsätzlich sagen, dass die britische Regierung Saudi-Arabien als Verbündeten ansieht. Mohammed bin Salman wurde im Buckingham Palace und in der Downing Street Number 10 willkommen geheißen. Von uns als Fans zu verlangen, dass wir die moralische Instanz sind, wird der Sache nicht gerecht.

Nahost-Fachmann Nicholas McGeehan hat durchaus Verständnis dafür, dass viele Fans in Newcastle glücklich über die neuen Eigentümer sind.
Der Fall zeigt für ihn, wie Sportswashing funktioniert: “Wenn man selbst Fußballfan ist, versteht man die Genialität dieser Projekte. Wenn man versteht, wie sehr sich viele Fans ihrem Verein verbunden fühlen und wie wichtig Erfolg ist, dann versteht man, warum Fans darüber hinweg sehen wollen, dass ihr Klub – sagen wir, wie es ist – von einem blutrünstigen Diktator übernommen wurde. Das entschuldigt es nicht, aber es ist möglich, sich ein Stück weit in die Fans hineinzuversetzen. Insbesondere dann, wenn sie so lange keinen Erfolg hatten und sie in diesen Zeiten auch viele andere Sorgen im täglichen Leben haben.”