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Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft
"Die Theater müssen sich öffnen"

Auf ihrer Jahrestagung suchten die Theater nach einem Zukunftsmodell. Theater wollten Orte für eine offene Gesellschaft sein, sagte der Vorsitzende der Dramaturgischen Gesellschaft, Harald Wolff, im Dlf. Die Geschichten dürften nicht allein von gut gebildeten, weißen Mittelschichtsmenschen erzählt werden.

Harald Wolff im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske |
Portraitaufnahme des Dramaturgen und Vorsitzenden der Dramaturgischen Gesellschaft, Harald Wolff
Die Dramaturgische Gesellschaft tagte unter dem Vorsitz von Harald Wolff am Nationaltheater in Gent (Foto: Rolf K. Wengst )
Die Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft fand erstmals im Ausland statt, in der belgischen Stadt Gent. Das sei, sagte Harald Wolff, derzeit eine Art Future Lab des europäischen Theaters, die Szene dort erprobe neue Modelle von Theater. Ein großes Zukunftsmodell sei die dort praktizierte Aufhebung der Trennung zwischen freien Theater und öffentlich finanzierten. Es gehe aber auch darum, den wiedererstarkenden Nationalismen entgegenzuarbeiten. Theater wollten Orte für eine offene, liberale Gesellschaft sein.
Offene Räume der Zivilgesellschaft
Harald Wolff: "Was wir machen, was wir machen müssen, ist die Theaterräume als wichtige Common Spaces der Zivilgesellschaft zur Verfügung zu stellen. Also immer die Erzählungen müssen stattfinden, die gesellschaftlich nicht hinreichend repräsentiert sind. Und dafür müssen wir es öffnen. Das hat was damit zu tun, wer über Programme entscheidet. Das hat was damit zu tun, wer über die Strukturen entscheidet, wer sie benutzen kann. Und da gibt es noch sehr, sehr viel zu tun."
Viele Theater versuchten die Öffnung gerade, um zu ermöglichen, "dass nicht immer nur ein kleiner Ausschnitt von gut gebildeten, weißen Mittelschichtsmenschen überhaupt in die Position kommen, Geschichten zu erzählen."
Eine neue Erzählung von Europa
In Gent habe sich gezeigt, dass die Leiterinnen und Leiter der Theater auf der Suche sind: "Wir sind gerade in einem gesellschaftlichen Veränderungsprozess. Wir wissen derzeit auch nicht, wohin das führt. Wir brauchen das Zuhören, die Verbindung zu anderen und wir müssen danach suchen, was uns verbindet."
Dringend nötig sei auch eine neue Erzählung von Europa. Dass Europa Frieden garantiert, scheine nicht mehr auszureichen. Die Leute vergäßen, dass das wichtig ist. Die Dramaturgische Gesellschaft plane, den Austausch zwischen Kultur und Politik zu intensivieren. Kultur könne nach Geschichten für Europa suchen und die Themen in die Spielpläne bringen, das wäre die Hoffnung.