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Jahrtausend-Eruption
Paektu-Ausbruch hatte doch Klimaauswirkungen

In einer gewaltigen Eruption brach um das Jahr 945 der Vulkan Paektu an der Grenze von Nordkorea und China aus. Eine Klimaabkühlung blieb aus - dachte man bislang. Wissenschaftler haben in einer neuen Studie das Bild korrigiert, das man sich bisher von dem historischen Vulkanausbruch machte.

Von Volker Mrasek |
    Südkoreanische und chinesische Experten bei einer geologischen Expedition am Peaktu an der nordkoreanisch-chinesischen Grenze im April 2015
    Südkoreanische und chinesische Experten bei einer geologischen Expedition am Peaktu an der nordkoreanisch-chinesischen Grenze im April 2015 (YONHAP/KIGAM/dpa picture alliance)
    Wie stark Vulkane die Atmosphäre abkühlen können, weiß man spätestens seit 1815. Damals schleuderte der Tambora in Indonesien riesige Asche- und Schwefelmengen bis in die Stratosphäre, es folgte das legendäre "Jahr ohne Sommer". Getreidegräser erfroren auf den Feldern, Tausende starben an Hunger. Man sollte annehmen, dass es um das Jahr 945 herum ganz ähnlich war.
    Da flog der Paektu im heutigen Nordkorea auseinander. Nicht einmal eben so, sondern in einer "Jahrtausend-Eruption", wie es heißt. Die Vulkanologin Kayla Iacovino von der Universität Arizona in den USA:
    "Asche und Steine wurden sogar in Japan gefunden. Das ist tausend Kilometer vom Vulkan entfernt. Die Eruption war sicher eine der stärksten in der jüngeren Menschheitsgeschichte."
    Die Aschewolke über dem Paektu muss gut 25 Kilometer aufgeragt haben. Und dennoch soll der Vulkan nur wenig Schwefeldioxid in die Stratosphäre katapultiert haben, wo Schwebstaubteilchen daraus entstehen, die monatelang die Sonne abschatten und die Erdatmosphäre kühlen. Lediglich zwei Millionen Tonnen Schwefel sollen es gewesen sein - davon ging man nach bisherigen Gesteinsuntersuchungen am Paektu aus.
    Präzisere Analysen
    Tatsächlich könnte der Vulkan aber zwanzigmal so viel Schwefel ausgepustet haben. Das ergibt sich aus neuen, präziseren Analysen von Kayla Iacovino und zwei englischen Fachkollegen. Als erste westliche Wissenschaftler haben sie seit einigen Jahren Zugang zum Vulkan auf nordkoreanischem Gebiet:
    "Wie viel Gas war vor der Eruption in der Magmakammer? Das ist die entscheidende Frage. Wenn Magma aufsteigt und abkühlt, kristallisiert die flüssige Gesteinsschmelze. Mit der bisherigen Methode ließen sich nur die Gasmengen abschätzen, die dabei in den Kristallen eingeschlossen wurden. Aber nicht freie Gas-Bläschen im Magma! Wir haben jetzt eindeutige Belege dafür gefunden, dass auch sie im Magma des Paektu vorhanden waren, bevor er ausbrach."
    Weil sich das entfleuchte Gas nicht mehr messen lässt, wandten die Forscher einen geochemischen Trick an. Im Labor analysierten sie chemische Elemente im Vulkangestein, von denen man weiß, dass sie sich bei der Kristallisation ähnlich verhalten wie flüchtige Gase und sich ihr weitestgehend entziehen, Uran zum Beispiel. Daraus leiteten Iacovino und ihre Kollegen indirekt die Quote der Gasbläschen im Magma des Paektu ab.
    In einem letzten Schritt berechneten sie dann auch noch den Anteil von Schwefeldioxid. Und kommen auf eine mögliche Emission von 45 Millionen Tonnen. Das überträfe sogar den Ausbruch des Tambora.
    "Wir sagen nicht: Das ist exakt die Menge Schwefel-Moleküle, die damals aus dem Vulkan kam, sondern wir sagen: So viel kann es maximal gewesen sein. Auch bei anderen Vulkanen hat man schon gesehen, dass Schwefel vornehmlich in Gasblasen im Magma gespeichert wird. Wir dürfen das nicht ignorieren! Ich denke, unsere Schätzung liegt näher an der Realität als die bisherigen."
    Bild des schwefelarmen Giganten wankt
    Das Bild vom schwefelarmen Giganten kommt also ins Wanken. Dennoch könnte es sein, dass der Paektu das Klima längst nicht so stark abgekühlt hat wie der Tambora knapp 900 Jahre später. Denn der Vulkan liegt nicht in den Tropen, sondern auf 40 Grad nördlicher Breite. Seine Staubschleier dürften die Sonne deshalb nicht so stark abgeschirmt haben, wie Clive Oppenheimer erläutert, Professor für Vulkanologie an der Universität Cambridge in England. Auch er zählt zum Forscherteam am Paektu. Allerdings ist er im Moment auf Expedition in der Antarktis:
    "Am Äquator ist die Sonneneinstrahlung am höchsten. Ein Vulkanausbruch in den Tropen kühlt die Erde deshalb stärker als einer in höheren Breiten. Außerdem wird Vulkanstaub in der höheren Atmosphäre generell in Richtung der strahlungsarmen Pole transportiert. Läge der Tambora am Nordpol, hätte er praktisch keinen Einfluss aufs Klima."
    Doch wie groß war der Kühleffekt der Jahrtausend-Eruption des Paektu genau? Jetzt, da klar wird, dass er deutlich mehr Schwefel ausgestoßen hat als bisher gedacht? Die Vulkanologen wollen dieser Frage weiter nachgehen. Und demnächst die Jahresringe von Bäumen untersuchen, die noch heute unter dem ganzen Gesteinsmaterial aus dem Paektu begraben liegen.