In den Straßen von Kingston hängen viele Plakate oder Wandmalereien mit der Aufschrift "London". Dabei geht es allerdings nicht um die Queen, das Staatsoberhaupt von Jamaika, das in diesen Tagen ihr diamantenes Thronjubiläum feiert in der britischen Hauptstadt. Auf den Plakaten und Wandmalereien sind die eigenen Stars verewigt: Wunder-Sprinter wie Usain Bolt, Asafa Powell oder Shelly-Ann Fraser. Bei den Olympischen Spielen in London will Jamaika wieder ganz viel Gold erlaufen. Ein Land ist stolz – schon jetzt.
Auf der blauen Kunststoffbahn der University of the West Indies. Hier trainieren einige der Weltstars. Nikiesha Wilson, 25, wird wohl als Hürdenläuferin in London starten. Die Qualifikationen stehen noch an:
"Ich glaube, der Sport ist sehr wichtig für die meisten Leute hier. Denn er bietet die Chance, sich aus der Situation zu befreien, in der viele sind. Mit der ganzen Armut. Wir alle wollen nach oben. Und Weltstars wie Asafa Powell oder Usain Bolt sind da ein Vorbild. Das macht es so wichtig."
Back Bush – ein trostloses Armenviertel am Rande von Kingston. Viel Wellblech, nur ein paar Häuser sind aus Stein. Am Wegesrand sitzen junge Männer und Frauen, hängen mehr rum, als das sie etwas zu tun hätten. Kaum jemand hier findet eine richtige Arbeit. Schon wegen der schlechten Adresse. Ein Viertel von Gestrandeten. Nur die Gangs versprechen ein bisschen Einkommen. Erpressung, Raub, Schiebereien. Und viel Gewalt. Mister Simpson wohnt hier seit den siebziger Jahren, kein Job, drei Töchter. Sein einziger Sohn Steve wurde vor neun Jahren umgebracht:
"Nun, es gab einen kleinen Zwischenfall hier in der Straße, ein paar Ecken weiter. Sie haben ihn einfach erschossen. Aber er war in gar nichts verwickelt. Er war Rastafari, ein friedlicher Mensch. Aber manchmal gibt es einfach Spannungen."
Viele Waffen sind im Umlauf. In den siebziger Jahren haben die beiden großen Parteien in Jamaika ihre eigenen Gangs herangezüchtet, ganz Stadtviertel so unter ihre Kontrolle gebracht. Anhängern der jeweils anderen Partei wurden dann rausgeworfen – auch mit Gewalt.
Aber die Gangs haben nach und nach immer mehr auf eigene Rechnung gearbeitet. Groß angelegter Drogenhandel, illegale Geschäfte oft mit Rückendeckung von politischen Freunden. 2010 gab es dann eine Art Showdown. Auf Druck der USA wurde der oberste Drogenboss Dudus Coke nach tagelangen Straßenkämpfen festgenommen. Mehr als 70 Tote gab es damals, Coke sitzt jetzt in den USA ein.
Aber auch die Polizei hat den Ruf, erst zu schießen und dann zu fragen. 80 Tote durch Polizeieinsätze bisher in diesem Jahr zählt Susan Goffe von der Menschenrechtsgruppe Jamaicans for Justice:
"Das Hauptproblem unserer Polizei ist, dass sie paramilitärische Strukturen hat. Sie beschützt Leute mit Geld aber nicht diejenigen, die kein Geld haben. Manchen Bürgern werden Menschenrechte zugesprochen, anderen nicht. Und die korrupten Verbindungen machen es schwer, die Polizeikräfte zu säubern."
Statisch gesehen zählt Jamaika nicht mal zu den armen Ländern in der Region. Das Nationaleinkommen pro Kopf liegt höher als etwa in der Dominikanischen Republik. Kingston hat einen großen Containerhafen auf der Route zum Panama-Kanal. Und auch der Tourismus spült viel Geld ins Land. Vor allem Briten reisen gerne hierher, um ein paar Wochen in der ehemaligen Kolonie zu verbringen.
Und ab und zu kommt auch jemand aus dem Königshaus vorbei, um nach dem Rechten zu sehen:
Jamaikanische Kinder begrüßen seine Hoheit Prinz Harry. Bei seinem Besuch in der Karibik aus Anlass des sechzigsten Thronjubiläums der Queen. Die wollte die weite Reise zu den Untertanen in Jamaika allerdings nicht auf sich nehmen, sondern schickte im März ihren Enkel vor. Auf dass ein bisschen Glanz der Krone auch dort abfalle.
Das Königshaus und die fernen Untertanen. Die ehemalige britische Kolonie Jamaika feiert in diesem August zwar 50 Jahre Unabhängigkeit, aber die Queen blieb immer die oberste Jamaikanerin – zumindest auf dem Papier.
Damit soll nun Schluss sein, findet Jamaikas Premierministerin Portia Simpson Miller:
"Wir müssen den Weg der Unabhängigkeit endlich vollenden. Wir werden deshalb mit dem Prozess beginnen, uns von der Monarchie zu lösen, um eine Republik zu werden – mit einem eigenen Präsidenten."
Und die abtrünnige Premierministerin bekommt für ihre Pläne viel Unterstützung in Jamaika. Verene Shepherd ist Historikerin an der University of the West Indies. Sie möchte das Bild der Queen nicht länger in öffentlichen Gebäuden wie dem Parlament sehen:
"Wir haben nichts gegen die Queen persönlich. Die Jamaikaner mögen auch die Royal Family. Aber ich finde es völlig inakzeptabel, dass unser Staatsoberhaupt Tausende von Kilometern entfernt lebt. Und wenn ich als Jamaikanerin nach Großbritannien fahren möchte, brauche ich ein Visum. Vielen von uns wird es dann verweigert."
Vor der Trennung von der Krone, müsste allerdings erst mal das Volk darüber abstimmen. Der Ausgang wäre nach Umfragen ungewiss. Denn ein bisschen stolz sind viele Jamaikaner schon auf den Glanz des Königshauses.
Letztendlich geht es um Symbolik. Mit oder ohne Queen, die Probleme des Landes sind die gleichen. Aber die Befürworter der Republik setzen auf das Nationalgefühl. Jamaika sei längst eine eigene Marke – die kulturelle Spuren in aller Welt hinterlassen habe.
Die Musik von Bob Marley, Rasta-Zöpfe, die grün-schwarze Flagge mit dem gelben Kreuz. Und bei Olympia in London soll diese Fahne wieder oft ganz oben wehen – zeitgleich mit den Feiern zu 50 Jahren Unabhängigkeit. Wer braucht bei so viel Gold schon den Glanz der Krone.
Auf der blauen Kunststoffbahn der University of the West Indies. Hier trainieren einige der Weltstars. Nikiesha Wilson, 25, wird wohl als Hürdenläuferin in London starten. Die Qualifikationen stehen noch an:
"Ich glaube, der Sport ist sehr wichtig für die meisten Leute hier. Denn er bietet die Chance, sich aus der Situation zu befreien, in der viele sind. Mit der ganzen Armut. Wir alle wollen nach oben. Und Weltstars wie Asafa Powell oder Usain Bolt sind da ein Vorbild. Das macht es so wichtig."
Back Bush – ein trostloses Armenviertel am Rande von Kingston. Viel Wellblech, nur ein paar Häuser sind aus Stein. Am Wegesrand sitzen junge Männer und Frauen, hängen mehr rum, als das sie etwas zu tun hätten. Kaum jemand hier findet eine richtige Arbeit. Schon wegen der schlechten Adresse. Ein Viertel von Gestrandeten. Nur die Gangs versprechen ein bisschen Einkommen. Erpressung, Raub, Schiebereien. Und viel Gewalt. Mister Simpson wohnt hier seit den siebziger Jahren, kein Job, drei Töchter. Sein einziger Sohn Steve wurde vor neun Jahren umgebracht:
"Nun, es gab einen kleinen Zwischenfall hier in der Straße, ein paar Ecken weiter. Sie haben ihn einfach erschossen. Aber er war in gar nichts verwickelt. Er war Rastafari, ein friedlicher Mensch. Aber manchmal gibt es einfach Spannungen."
Viele Waffen sind im Umlauf. In den siebziger Jahren haben die beiden großen Parteien in Jamaika ihre eigenen Gangs herangezüchtet, ganz Stadtviertel so unter ihre Kontrolle gebracht. Anhängern der jeweils anderen Partei wurden dann rausgeworfen – auch mit Gewalt.
Aber die Gangs haben nach und nach immer mehr auf eigene Rechnung gearbeitet. Groß angelegter Drogenhandel, illegale Geschäfte oft mit Rückendeckung von politischen Freunden. 2010 gab es dann eine Art Showdown. Auf Druck der USA wurde der oberste Drogenboss Dudus Coke nach tagelangen Straßenkämpfen festgenommen. Mehr als 70 Tote gab es damals, Coke sitzt jetzt in den USA ein.
Aber auch die Polizei hat den Ruf, erst zu schießen und dann zu fragen. 80 Tote durch Polizeieinsätze bisher in diesem Jahr zählt Susan Goffe von der Menschenrechtsgruppe Jamaicans for Justice:
"Das Hauptproblem unserer Polizei ist, dass sie paramilitärische Strukturen hat. Sie beschützt Leute mit Geld aber nicht diejenigen, die kein Geld haben. Manchen Bürgern werden Menschenrechte zugesprochen, anderen nicht. Und die korrupten Verbindungen machen es schwer, die Polizeikräfte zu säubern."
Statisch gesehen zählt Jamaika nicht mal zu den armen Ländern in der Region. Das Nationaleinkommen pro Kopf liegt höher als etwa in der Dominikanischen Republik. Kingston hat einen großen Containerhafen auf der Route zum Panama-Kanal. Und auch der Tourismus spült viel Geld ins Land. Vor allem Briten reisen gerne hierher, um ein paar Wochen in der ehemaligen Kolonie zu verbringen.
Und ab und zu kommt auch jemand aus dem Königshaus vorbei, um nach dem Rechten zu sehen:
Jamaikanische Kinder begrüßen seine Hoheit Prinz Harry. Bei seinem Besuch in der Karibik aus Anlass des sechzigsten Thronjubiläums der Queen. Die wollte die weite Reise zu den Untertanen in Jamaika allerdings nicht auf sich nehmen, sondern schickte im März ihren Enkel vor. Auf dass ein bisschen Glanz der Krone auch dort abfalle.
Das Königshaus und die fernen Untertanen. Die ehemalige britische Kolonie Jamaika feiert in diesem August zwar 50 Jahre Unabhängigkeit, aber die Queen blieb immer die oberste Jamaikanerin – zumindest auf dem Papier.
Damit soll nun Schluss sein, findet Jamaikas Premierministerin Portia Simpson Miller:
"Wir müssen den Weg der Unabhängigkeit endlich vollenden. Wir werden deshalb mit dem Prozess beginnen, uns von der Monarchie zu lösen, um eine Republik zu werden – mit einem eigenen Präsidenten."
Und die abtrünnige Premierministerin bekommt für ihre Pläne viel Unterstützung in Jamaika. Verene Shepherd ist Historikerin an der University of the West Indies. Sie möchte das Bild der Queen nicht länger in öffentlichen Gebäuden wie dem Parlament sehen:
"Wir haben nichts gegen die Queen persönlich. Die Jamaikaner mögen auch die Royal Family. Aber ich finde es völlig inakzeptabel, dass unser Staatsoberhaupt Tausende von Kilometern entfernt lebt. Und wenn ich als Jamaikanerin nach Großbritannien fahren möchte, brauche ich ein Visum. Vielen von uns wird es dann verweigert."
Vor der Trennung von der Krone, müsste allerdings erst mal das Volk darüber abstimmen. Der Ausgang wäre nach Umfragen ungewiss. Denn ein bisschen stolz sind viele Jamaikaner schon auf den Glanz des Königshauses.
Letztendlich geht es um Symbolik. Mit oder ohne Queen, die Probleme des Landes sind die gleichen. Aber die Befürworter der Republik setzen auf das Nationalgefühl. Jamaika sei längst eine eigene Marke – die kulturelle Spuren in aller Welt hinterlassen habe.
Die Musik von Bob Marley, Rasta-Zöpfe, die grün-schwarze Flagge mit dem gelben Kreuz. Und bei Olympia in London soll diese Fahne wieder oft ganz oben wehen – zeitgleich mit den Feiern zu 50 Jahren Unabhängigkeit. Wer braucht bei so viel Gold schon den Glanz der Krone.