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James Lovelock: "Novozän"
Cyborgs retten die Welt vor dem Untergang

Der Autor James Lovelock hält Künstliche Intelligenz nicht für den Untergang der Menschheit, sondern - ganz im Gegenteil - für ihre Rettung. Denn auch Cyborgs brauchen einen gesunden Planeten. Ein nachdenklicher und ungewöhnlicher Ausblick.

Von Dagmar Röhrlich |
Profil eines künstlichen Menschenkopfs, im Hintergrund ein Geflecht aus Punkten und Verdrahtungen.
Chips im Ohr und unter der Haut - sind wir auf dem Weg, Cyborgs zu werden? (imago / Panthermedia / kentoh)
James Lovelock, im vergangenen Jahr 100 geworden, hat sein "wahrscheinlich letztes" Buch herausgebracht. Es ist mehr ein nachdenklicher Essay, und darin führt er aus, dass das Anthropozän, das Zeitalter des Menschen, bald dem Novozän weichen könnte, einem Zeitalter, in dem hyperintelligente Cyborgs die Welt vor dem Untergang retten.
Auch ein Cyborg will die Umwelt schützen
James Lovelock wird immer mit seiner großen Idee "Gaia" verbunden sein: mit der Hypothese, dass das globale Ökosystem wie ein riesiger, selbstregulierender Organismus funktioniert und alle Lebewesen gemeinsam dafür sorgen, dass sich das Leben auf der Erde erhalten und entwickeln kann. Nur ist Gaia derzeit stark aus dem Gleichgewicht - dank der Erfindung der Dampfmaschine und ihrer Folgen. Die Gefahr besteht durchaus, dass die Menschheit ein Massenaussterben auslöst, dem sie dann selbst zum Opfer fällt.
Doch da gibt es eine Chance. Denn in dem Moment, wo sie mit ihren technischen Möglichkeiten und ihrer schieren Zahl eine ungeheuer zerstörerische Kraft entfaltet haben, könnten die Menschen "Eltern und Geburtshelfer" der Cyborgs werden: Künstlicher Intelligenzen, die zehntausendmal schneller denken, als wir es tun. Sie werden sich selbst programmieren und fortpflanzen, und sie werden erkennen, dass auch ihre Elektronik einen Planeten mit erträglichen Temperaturen braucht. Und deshalb werden sie eine neue Ära einläuten – das Novozän.
KI sei die Rettung der Menschheit
Damit der Planet für die Elektronik zuträglich ist, braucht es – ganz Gaia-Hypothese - organisches Leben. Deshalb werden die Cyborgs es erhalten und schützen. Der Mensch und alles Organische wird geduldet, doch dem elektronischen Leben hoffnungslos unterlegen sein. KI sei nicht der Untergang der Menschheit, sondern ihre Rettung, das ist die Überzeugung von James Lovelock, die er – zusammen mit seinem Co-Autor, dem Journalist Bryan Appleyeard – in seinem ungewöhnlichen, aber durchaus lesenswerten Buch vertritt.
Das Novozän könnte eines der friedvollsten Zeitalter der Erdgeschichte werden: "Aber wir Menschen werden die Erde zum ersten Mal mit Wesen teilen, die intelligenter sind als wir." Vielleicht würden wir glücklicher sein als heute, "behütet von Maschinen voller Liebe und Güte".
James Lovelock: "Novozän - Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz"
Aus dem Englischen übersetzt von Annabel Zettel
CH Beck Verlag, 158 Seiten, 18.00 Euro